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Gesellschaft

Fake-Rakı kostet weiterhin Leben in der Türkei

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Täglich steigt in der Türkei die Zahl der Opfer, die wegen Konsums von gepanschtem Alkohol sterben. Ein besorgniserregender Trend, der mit der Wirtschaftskrise, einer gestressten Bevölkerung und Perspektivlosigkeit einhergeht. Ein Beitrag über „sahte rakı“, also Fake-Rakı in der Türkei.

Wer dem türkischen Comedian und Superstar Cem Yılmaz aufmerksam folgt und seine Filme genauestens kennt, der wird sich an diese Szene aus dessen Kinofilm „Arog“ gut erinnern: Der Protagonist Arif landet aus Versehen in der Steinzeit und verirrt sich dort in ein Dorf, wo ein weiser Mann eine Methode entwickelt hat, Alkohol herzustellen. Zwar hat das Getränk im Film noch keinen Namen, doch das klare „Gesöff“ trübt sich bei Kontakt mit sauberem Wasser wolkig-weiß. Ein klarer Hinweis für den türkischen Anis-Schnaps „Rakı“, in Deutschland auch als Raki bekannt. Ein Nationalgetränk, wohingegen Konservative eher auf das alkoholfreie Joghurtgetränk Ayran pochen. Doch wer Cem Yılmaz auch jenseits seiner Comedy-Filme aufmerksam zuhört, wird wissen, dass er sich eine sehr bekannte türkisch-historische Figur zum Vorbild nimmt.

Nasreddin Hodschas weise und lustige Anekdoten

Es geht um Nasreddin Hodscha, der für seine Anekdoten bekannt ist, die neben Witz auch stets eine intellektuell-tiefgründige Botschaft vermitteln. So hat Cem Yılmaz in seinem Film die frühe Suche der Menschen nach etwas Lockerheit skizziert, aber gleichzeitig auch die Methodik des „Panschen“ vorgeführt. Denn im Jahre 2020 ist die Szene aus dem Film noch immer bittere Realität und vielleicht sogar aktueller denn je.

Mehr als 40 Tote: Fake-Rakı bleibt tödlich

In der ägäischen Küstenstadt Izmir waren am vergangenen Dienstag fünf und in Istanbul sechs Tonnen Ethanol beschlagnahmt worden, hieß es in der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur „Anadolu. Auch in Adana und Malatya wurden große Mengen Ethanol und gepanschte alkoholische Getränke gefunden. Laut dem türkischen Staatsfernsehen „TRT“ starben allein seit vorletzten Freitag 44 Menschen an einer Alkoholvergiftung.

Ein Grund für den immerwährenden Versuch, Alkohol zu panschen, könnte der hohe Steuersatz sein, den es in der Türkei auf Alkohol gibt. Im europaweiten Vergleich ist Alkohol in der Türkei am teuersten. Rund 70% des Preises würden allein die Steuern ausmachen. In den letzten fünf Jahren sind alkoholische Getränke in der Türkei um 110% teurer geworden. Dennoch bleibt der Konsum hoch. Entgegen den Erwartung, die mehrheitlich muslimische Bevölkerung würde schon aus religiöser Überzeugung auf Alkohol verzichten, wird vor allem in den türkischen Küstenregionen gerne auf die Droge zurückgegriffen.

Hohe Preise, horrende Steuern und starke Nachfrage treiben illegale Produktion an

Durch einfache Youtube-Tutorials und Anleitungen auf Webseiten versuchen sich zahlreiche Hobby-Brauer in den eigenen vier Wänden. Ziel ist oftmals die Herstellung von Rakı. Laut des türkischen Land- und Forstwirtschaftsministeriums wurde im vergangenen Jahr beim Alkoholkonsum ein Rückgang von 29% festgestellt. Experten gehen davon aus, dass dies wiederum die Dunkelziffer für den selbstgemachten Alkohol sein könnte.

Nachdem sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat, dass der daheim produzierte Rakı ganz gut von der Bevölkerung angenommen wird, aber eben immer wieder zu Vergiftungen und tödlichen Zwischenfällen führt, hat die türkische Regierung auch diesen Bereich per Gesetz gemaßregelt. Mit der Gesetzesänderung vom 1. Oktober dieses Jahres ist das Herstellen von Alkohol zu Verkaufszwecken strengstens untersagt. Doch dieses Verbot hatte bisweilen einen sehr schlechten Effekt. Der Markt des gepanschten Alkohols floriert und kostet bereits Dutzende Leben.

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