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Politik

Hitler-Verweis: Bei Erdoğan nichts Neues

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Der türkische Präsident nahm vergangene Woche das böse H-Wort in den Mund. Das war für Selçuk Gültaşlı alles andere als eine Überraschung. Man müsse nur einen Blick auf die letzten zwei Jahre werfen.

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MEINUNG Das heutige Europa ist ein Anti-Hitler-Projekt. Hitler-Deutschland diente Europa, das für zwei Weltkriege stand und auf dessen Boden eines der größten Massaker der Menschheitsgeschichte stattfand, als Spiegel. Das moderne Europa hat das Gegenteil von dem gemacht, was Hitler tat, und glaubt an das Gegenteil von dem, was Hitler sagte. Die EU ist ein Projekt mit dem Ziel, Hitler mit all seinen Hinterlassenschaften in der Geschichte zu begraben. Sie hat damit begonnen, die Produktion der Rohstoffe des Krieges – Kohle und Stahl – zu zentralisieren, hat die Grenzen abgeschafft, hat eine gemeinsame Währung eingeführt und – auch das zum ersten Mal in der Geschichte – hat die eifersüchtigen Nationalstaaten überzeugt, einen Teil ihrer Souveränität auf Brüssel zu übertragen.

Wenn Hitler nicht der Gipfel des Bösen wäre, hätte es ein Projekt Namens EU nicht gegeben. Hätte er die Juden nicht so systematisch ermordet wie er das tat, wäre das Bewusstsein für den Kampf gegen Völkermord nicht so stark ausgeprägt wie es heute der Fall ist. Dass der Ansatz, die Hierarchie aus der Tierwelt auf die Menschen zu übertragen, gescheitert ist, hängt eng mit dem radikalen Rassismus zusammen, den Hitler praktiziert hat. Wäre sein Propagandasystem nicht so effektiv gewesen, würden heute nicht alle aufschrecken, wenn von Gehirnwäsche die Rede ist. Der Begriff Hassrede hat Eingang in die Literatur gefunden, weil Hitler die Fähigkeit besaß zu verteufeln und Feindbilder zu produzieren. Die Menschenrechte wären heute nicht so stark als juristische und wissenschaftliche Disziplin verankert. Hätte er es nicht in kürzester Zeit geschafft, ein totalitäres System in eine Kriegsmaschinerie zu verwandeln, würden wir heute Diktatoren nicht an ihren Blicken und Worten erkennen. Unsere Frühwarnsysteme würden nicht so funktionieren, wie sie es tun.

Der Prophet über verstorbene Jüdin: „Ist sie denn kein Mensch?“

Aus all diesen Gründen überlegen es sich Menschen, die etwas von der Weltgeschichte verstehen und sich in der europäischen Kultur auskennen, zweimal, bevor sie Hitler in den Mund nehmen. Letztendlich ist Hitler die Verkörperung des Bösen und steht für ein System in der es etwas Gutes nicht gibt.

Insbesondere bei unseren Vertretern des politischen Islams ist von Zeit zu Zeit aus dem Hass auf Israel eine Bewunderung für Hitler entstanden. Ende der 1980er Jahre hatte ein Bürgermeister der Wohlfahrtspartei (Refah Partisi) bekannt, dass er in Belgien Blumen vor einer Fabrik abgelegt habe, in der Juden zu Seife verarbeitet wurden. Ohne seine Worte zu bedenken, schwafelte er von Dingen wie „Hätte Hitler sie doch bis an die Wurzel ausgerottet.“ Dabei behaupten sie stets, sich den Prophet Muhammed als Vorbild zu nehmen. Doch hatte sich dieser einst bei einer Beerdigung zur Ehrerbietung erhoben, als seine Gefährten ihn darauf hinwiesen, dass es sich „bloß“ um eine jüdische Frau handele. Darauf antwortete er ihnen: „Ist sie denn kein Mensch?“ Das ist der politische Islam, er erschafft aus einem Propheten, der sich für eine jüdische Beerdigung erhebt, eine derart antisemitische Ideologie. Diese Bewunderung für Hitler im Unterbewusstsein der Islamisten entspringt ihrer Feindschaft gegenüber Juden. Sie haben zwar Israel berechtigt kritisiert, dabei aber das Maß verloren und sind dazu verkommen, Hitler ihre Anerkennung zu zollen.

Vampire, Grabräuber, Verräter und Blutegel

Offenbar ist Erdoğan nicht ganz klar, welches Bild die Welt von Hitler hat und wofür er steht. Deswegen hat seine Aussage für Irritationen gesorgt. Einige stellen sich dumm und versuchen seine Aussage zu interpretieren, indem sie sagen: „Eigentlich meinte er etwas anderes“. Das Ausland hingegen zeigt sich überhaupt nicht überrascht. Bevor Hitler anfing die Juden systematisch zu vernichten, behauptete er, er habe den „Juden-Virus“ gefunden. Ähnlich zu Hitler vergleicht Erdoğan die Anhänger der Hizmet-Bewegung seit zwei Jahren mit Viren, während die „nötigen Vorbereitungen“ für den Vernichtungskampf gegen sie getroffen wurden. Mir ist nicht bekannt, dass sich von den jetzigen Interpreten jemand über diese Ähnlichkeit aufgeregt und echauffiert hätte.

Was sagten in Ruanda einst die Hutu über die Tutsi, bevor sie den schnellsten Genozid der Menschheitsgeschichte verübten? Sie denunzierten sie als Kakerlaken. Für Erdoğan sind Andersdenkende, insbesondere Anhänger der Hizmet-Bewegung blutsaugende Vampire, Grabräuber, Verräter, Blutegel.

Das vergangene Woche war also nicht sein erster Verweis auf Hitler. Ich verstehe nicht, warum manche so überrascht reagieren.