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Panorama

Istanbul-Anschlag: Was wir wissen und was nicht

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Der Attentäter des jüngsten Anschlags in Istanbul ist identifiziert, aber nicht gefasst. Es hat bereits Verhaftungen gegeben – und Spekulationen zur Zahl der Täter und möglichen Geheimdienstverwicklungen. Was wir wissen und was nicht: Ein Überblick.

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Von Carolina Drüten

Die Identität des Istanbuler Attentäters steht fest, seinen Namen hält die türkische Polizei jedoch noch unter Verschluss. Er hatte in der Silvesternacht 39 Menschen im Istanbuler Nachtclub Reina erschossen und ist auf der Flucht. Widersprüchliche Medienberichte und Schilderungen von Augenzeugen haben Fragen aufgeworfen, von denen viele nach wie vor unbeantwortet sind. Ein Überblick über das, was wir wissen, und was wir nicht wissen.

Was wir wissen

Was ist passiert? In der Nacht des Jahreswechsels drang ein bewaffneter Mann in den Istanbuler Nachtclub Reina ein. Am Eingang erschoss er zwei Menschen, davon einen 21-jährigen Polizisten, der den Club bewachte. Im Innenraum eröffnete der Attentäter das Feuer auf die Feiernden und erschoss 39 von ihnen, etwa 70 weitere wurden verletzt. Nach Einschätzungen von Experten ging der Schütze professionell mit der Waffe um und machte einen geschulten Eindruck. So schoss er etwa nicht wahllos um sich, sondern zielte auf die Köpfe der bereits am Boden liegenden Gäste. Noch im Club zog der Täter sich um und reinigte seine Waffe. Er entkam mit einem Taxi und wird mit Hochdruck gesucht. Die Polizei hat Fahndungsfotos veröffentlicht.

Wer ist der Täter? Türkische Behörden haben den Schützen identifiziert, halten seinen Namen aber noch zurück. Der türkische Vizepräsident Veysi Kaynak teilte am Donnerstag mit, der Täter sei vermutlich Uigure – ein Angehöriger einer muslimischen Minderheit in Nordwestchina, die zu den Turkvölkern gehört und sich von den Chinesen unterdrückt fühlt. „Aber bezüglich seiner Staatsangehörigkeit will ich vorerst nichts sagen“, fügte Kaynak hinzu.

Türkischen Medienberichten zufolge könnte der Täter aus Kirgistan stammen. Staatsangehörige aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion können ohne Visum in die Türkei einreisen.

Wer ist der Kopf hinter der Tat? Die Terrormiliz IS hat sich zu dem Anschlag bekannt. Das ist ungewöhnlich, weil Bekennerschreiben normalerweise durch die sogenannte Nachrichtenagentur Amaq, ein Sprachrohr des IS, verbreitet werden. Warum der IS das Attentat auf so untypische Art für sich reklamiert hat, ist unklar. Einige Experten vermuten, dass die Terrormiliz deutlich machen möchte: Die Tat war von ihr gewollt, geplant und gesteuert, und nicht von einem Einzeltäter begangen, der sich erst im Nachhinein zum IS bekennt.

Was hat es mit der Diskussion um Silvester auf sich? Im Vorfeld des Anschlags hatte es in der Türkei eine Debatte zum Weihnachtsfest und Silvester gegeben. In 80.000 türkischen Moscheen wurde in der letzten Freitagspredigt des abgelaufenen Jahres dazu aufgerufen, Silvester nicht zu feiern. Das Fest sei unislamisch und „mit unseren Werten“ nicht zu vereinen. Der Vorsitzende der staatlichen Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, hatte die Predigt verfasst. Nach dem Anschlag hatte Görmez die Tat scharf verurteilt und gesagt, sie wiege nicht weniger schwer als ein Anschlag auf eine Moschee. Trotzdem wurde er stark kritisiert. Ein Zusammenschluss von Organisationen stellte Strafanzeige gegen Görmez, wegen Aufwiegelung zu „Hass und Feindschaft“.

Wie reagierte die türkische Regierung? Unmittelbar nach dem Anschlag wurde eine Nachrichtensperre verhängt – eine übliche Praxis in der Türkei. Bei Razzien verhafteten türkische Behörden 36 Menschen, der Täter war allerdings nicht dabei. Außerdem wurden strengere Kontrollen an der türkisch-griechischen und türkisch-bulgarischen Grenze eingeführt, um die Flucht des Attentäters ins Ausland zu verhindern. Am Mittwoch hat das Parlament zudem eine Verlängerung des Ausnahmezustands beschlossen, der seit dem Putschversuch im Juli gilt.

Was wir nicht wissen

Wo ist der Täter? Es ist bislang nicht bekannt, wo sich der Angreifer aufhält. „Unsere Sicherheitskräfte fahnden irgendwo in Silviri“, sagte Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmuş am Donnerstag. Dort könne sich der Täter aufhalten. Silviri liegt westlich von Istanbul. Kurtulmuş wollte jedoch nicht ausschließen, dass der Flüchtige sich ins Ausland abgesetzt haben könnte.

War es tatsächlich nur ein Täter? Türkische Medien hatten kurz nach dem Anschlag von zwei Schützen berichtet, auch Augenzeugen sprachen von zwei oder sogar drei Tätern.

Auf der Nachrichtenseite Al-Arabiya berichtet ein saudi-arabischer Überlebender, er habe drei Schützen gesehen, zwei Männer und eine Frau. Die britische BBC postete ein Video einer Augenzeugin, die ebenfalls von mehreren Tätern sprach: „Sie haben willkürlich geschossen.“ Von offizieller Seite gab es bislang keinen Hinweis auf mehr als einen Attentäter.

Steckt noch mehr hinter der Sache? Türkische Medien hatten berichtet, dass US-amerikanische Geheimdienste von einer konkreten Gefahr eines Anschlags auf das Reina gewusst hätten. Die US-Botschaft in Ankara dementierte dies.

Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmuş sagte am Donnerstag, er halte eine Verwicklung ausländischer Nachrichtendienste für möglich. Ein einzelner Täter könne einen solchen Angriff kaum ohne Unterstützung durchführen, fügte er hinzu. „Es wirkt wie eine Geheimdienstsache.“

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