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Geschichte

Kerbela: Was Sunniten von Aleviten lernen können

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Heute ist der 10. Tag des islamischen Monats Muharram. In der islamischen Tradition gilt dieses Datum konfessionsübergreifend als Tag der Trauer, besonders für Aleviten und Schiiten. (Foto: reuters)

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An diesem Tag wurden heute vor 1334 Jahren Hussein, der Enkel des Propheten Muhammad, und über siebzig seiner Weggefährten kaltblütig ermordet. Unter diesen waren auch Frauen und Kleinkinder. Es waren etwa nicht „Ungläubige“ oder Nicht-Araber, die das Massaker verübten, sondern Angehörige der Umayyaden-Dynastie. Eine muslimische Dynastie, die vorher mit hinterlistigen Machtspielen den Prophetenvetter und das legitime Staatsoberhaupt Ali entmachtet hatte und das Kalifat, in dem das Staatsoberhaupt gewählt wurde, in ein Sultanat (Königreich), in dem der Thronnachfolger aus der Herrscherfamilie kam, umwandelte.

Das Massaker fand in Kerbela statt, das im heutigen Irak liegt. Tagelang wurden Hussein und seine Begleiter eingekesselt und bekamen weder Wasser noch etwas zu essen.

Seit nunmehr über 13 Jahrhunderten ist Kerbela eine offene Wunde in der islamischen Gemeinschaft. Historiker und Gelehrte haben weniger über das Ereignis an sich diskutiert. Vielmehr war man mit der politischen und theologischen Deutung des tragischen Ereignisses beschäftigt. Wie konnte es passieren, dass nur 50 Jahre nach dem Tod des Propheten seine Nachfahren ermordet und zur Auswanderung aus der arabischen Halbinsel gezwungen wurden?

Was alle Muslime an diesem Tag jedoch eint, ist die Trauer um Hussein, den Sohn des vierten Kalifen Ali. Historische Ereignisse, die Hunderte von Jahren zurückliegen, geraten entweder in Vergessenheit oder spielen im Alltag kaum eine Rolle mehr. Das Kerbela-Massaker ist unter den Sunniten weniger gegenwärtig als unter den Aleviten.

Insbesondere für sie und die Schiiten hat diese frühislamische Tragödie eine identitätsstiftende Strahlkraft, sorgte es doch maßgeblich für die Entstehung der Schia, deren Anhänger die Tragödie früher wie auch heute politisieren und zum Teil auch verklären.

Aleviten: Die innige Liebe zur Ahl al-Bait

Ohne auf die Einzelheiten und Unterschiede zwischen Aleviten, Schiiten und Sunniten einzugehen, gibt es einen Punkt, an dem die Sunniten von den Aleviten lernen können: Die innige Liebe zur Ahl al-Bait.

Der Begriff Ahl al-Bait bezeichnet die Familie bzw. Nachkommen des Propheten Muhammad, zu der Kalif Ali (Muhammads Cousin) und dessen Sohn Hussein, der aus der Ehe zwischen Ali und der Prophetentochter Fatima hervorgegangen war, dazugehören. Die Liebe zur Ahl al-Bait gehört zu den zentralen Elementen im Islam, was sich insbesondere im Alevitentum zeigt.

Geschichte strahlt in die Gegenwart, egal, ob uns das bewusst ist oder nicht. Aus dem Kerbela-Ereignis lernen wir für heute, dass die Zugehörigkeit zu der ein- und derselben Religion nicht vor Ungerechtigkeit schützt. Auch heute bekriegen einander in der islamischen Welt unterschiedliche Gruppen mit dem Verweis, für die „Sache des Islam“ zu kämpfen. Oft geht es jedoch um Macht und Einfluss, Ruhm und Reichtum – die Religion ist sekundär. Die Prophetennachfolger Ali, Hassan und Hussein haben sich, wenn es um die Entscheidung zwischen Macht und Recht ging, für das Recht entschieden. Dafür haben sie mit ihrem Leben bezahlt.

Ob Alevit oder Sunnit, wir lernen von der Ahl al-bait, sich für Gerechtigkeit und Frieden zu entscheiden, auch wenn weltliche Macht, Ruhm und Reichtum verlockend wirken.