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Politik

Korruptionsaffäre: Seit einem Jahr sprechen Fakten gegen Erdoğan

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Heute vor einem Jahr wurden in der Türkei die Korruptionsermittlungen bekannt. Anstatt die Vorwürfe aufklären zu lassen, ließ der damalige Ministerpräsident Erdoğan Polizeibeamte und Staatsanwälte versetzen – und spricht noch heute von einer „Parallelstruktur“.

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Der türkische Premierminister Erdogan.
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Die weit in türkische Regierungskreise reichenden Korruptionsermittlungen, die heute vor einem Jahr am 17. Dezember 2013 bekannt geworden waren, sind im Oktober eingestellt worden. Präsident Recep Tayyip Erdoğan spricht bis heute von einer angeblichen Inszenierung seitens eines „Parallelstaates“.

Anstatt die Vorwürfe aufklären zu lassen, ließ er tausende Polizeibeamte und Staatsanwälte, die die Ermittlungen leiteten, versetzen oder entlassen.

Angefangen hatten die Ermittlungen bereits im September 2012. Im Mittelpunkt stand eine Struktur um den iranischstämmigen Geschäftsmann Rıza Sarraf, der beschuldigt wurde, in Bestechungsfälle im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen und mit Fällen von Geldwäsche von iranischem Schwarzgeld in Höhe von 87 Milliarden Euro involviert gewesen zu sein.

MIT warnte Erdoğan schon vor Monaten

Teil dieser Struktur waren auch Minister und Erdoğan-Vertraute. Zahlreiche Telefongespräche belasteten sie schwer. Viele Indizien deuteten darauf hin, dass Erdoğan selbst im Zentrum der illegalen Machenschaften steht. Dass dies für ihn zum Verhängnis werden könnte, wusste er viel früher – schließlich hatte der türkische Geheimdienst MIT, auf den er zunehmend seine Macht stützt, ihn bereits im April 2013 gewarnt.

Der damalige Ministerpräsident jedoch zog es vor, von „dunklen Kräften im In- und Ausland“ zu sprechen. Insbesondere nahm er die Hizmet-Bewegung um Fethullah Gülen ins Visier, der er vorwarf, Putschpläne gegen ihn und seine Regierung geschmiedet zu haben – ohne bis zum heutigen Tage belastbare Beweise vorzulegen.

Während Erdoğan mittlerweile Staatspräsident ist und auch als solcher gegen die Hizmet-Bewegung schießt, gehen freie Medien, die gesamte Opposition und die internationale Gemeinschaft davon aus, dass es in der Türkei Korruption gibt. In den letzten Wochen mehren sich auch Stimmen aus der Regierung, die besagen, dass Korruption im Land tatsächlich existiert und dass es erforderlich ist, Schritte dagegen zu unternehmen.

Mahçupyan: AKP muss Korruptionsvorwürfen nachgehen

Kürzlich hat Vizepremierminister Bülent Arınç davon gesprochen, dass sich einige Regierungsmitglieder auf Kosten des Staates bereichert hätten und ihren Verwandten wichtige Ämter verschafft hätten.

Auch Etyen Mahçupyan, der Chefberater des türkischen Premierministers Ahmet Davutoğlu, lässt keine Gelegenheit aus, auf das Korruptionsgeflecht, die bis in die Regierungsspitze reiche, hinzuweisen. Kurz vor dem Jahrestag der Korruptionsermittlungen sagte er gegenüber Hürriyet, dass die regierende Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP) bei Gelegenheit das Thema Korruption gegenüber der Öffentlichkeit in einer Weise ansprechen sollte, die sowohl überzeugend als auch transparent sei.

„Das [die Korruption] ist nichts, was irgendjemand auf alle Zeiten verheimlichen könnte. Auch die Regierung nicht. Eine Erklärung zu vermeiden wird der Regierung auf Dauer gesehen teurer zu stehen kommen als eine abzugeben“, betonte Mahçupyan.

Dass auch Präsident Erdoğan selbst in Korruption verwickelt sein könnte, hält der Berater jedoch für unwahrscheinlich. „Auch wenn ich nicht denke, dass die Vorwürfe den Präsidenten oder dessen inneren Kreis treffen, sind manche Menschen darüber in Sorge, dass in künftigen Wahlkämpfen das Thema Korruption als Argument benutzt werden könnte“, äußerte Mahçupyan.

Im Zuge der Korruptionsermittlungen des letzten Jahres, die am Ende nach umfassenden Interventionen der Regierung gegenüber der Justiz  eingestellt wurden, waren jedoch auch Erdoğans innerer Kreis und sein Sohn Bilal ins Visier der Ermittler geraten.

Korruption als Wahlkampfthema

Mahçupyan machte auch deutlich, dass es der Türkei auch auf internationaler Ebene schaden könnte, es zu unterlassen, Licht ins Dunkel der Korruptionsvorwürfe zu bringen. „Heute konzentrieren sich die Medien stärker darauf, die Regierung über die Korruptionsvorwürfe unter Druck zu setzen. Und das ist praktisch die einzige Beschäftigung, der die Medien nachgehen. Um ehrlich zu sein, werden wir es sehr nötig haben, eine starke Regierung, die sich der Aufklärung von Korruptionsvorwürfen widmet, noch vor den Wahlen im Jahr 2015 zu sehen“, so der Chefberater.

Auch wenn er selbst bei den Parlamentswahlen, die voraussichtlich im Juni 2015 stattfinden werden, nicht zur Wahl stehen wird, ist es kein Geheimnis, dass diese für Präsident Erdoğan immens wichtig sein werden, wenn es darum geht, sein Ziel der Schaffung einer Präsidialrepublik in der Türkei näherzukommen. In der Öffentlichkeit zeigt sich Erdoğan immer noch in einer Häufigkeit bei öffentlichen Reden und hinsichtlich der Ankündigung von Änderungen im Kurs der nationalen Politik, als wäre er immer noch Premierminister.

Mahçupyan war kürzlich ins Kreuzfeuer medialer Kritik geraten, als er die Verweigerungshaltung der Regierung im Angesicht der Ermittlungen verteidigte, die am 17. Dezember bekannt geworden waren. Er meinte, die Regierungspartei hätte korrupte Staatsdiener konsequent verfolgt, hätte es sich um eine professionelle Ermittlung gehandelt und hätte sie tatsächlich nur das Ziel verfolgt, korrupte Offizielle zu enttarnen.