Connect with us

Gesellschaft

Massive Anfeindungen gegen ersten deutsch-türkischen Oberbürgermeister Onay

Published

on

Spread the love

Belit Onay ist seit Sonntag der erste türkischstämmige Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt in Deutschland. Wie ist ihm das gelungen? Und was treibt ihn an? Sein Wahlsieg ruft unterdessen nicht nur positive Reaktionen hervor.

Hannover hat am Sonntag einen neuen Oberbürgermeister gewählt. Mit dem Grünenpolitiker Belit Onay ist erstmals ein deutsch-türkischer Bürgermeister in das Rathaus einer Landeshauptstadt eingezogen. Bei der Stichwahl am Sonntag gewann er denkbar knapp mit 52,9 Prozent gegen Eckhard Scholz, der als parteiloser Kandidat für die CDU antrat. Der 38-Jährige bricht damit eine 70 Jahre andauernde Vorherrschaft der SPD in Hannover auf.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, bezeichnete die Wahl am Montag als „hervorragendes Ergebnis“. Die Wahl sei „ein Zeichen der Normalisierung, dass es einem Gastarbeiterkind möglich ist, Bürgermeister zu werden“, zitiert ihn das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Jedes zweite Kind in Hannover hat einen sogenannten Migrationshintergrund

Auch türkische Medien griffen Onays Triumph auf. Die Nachrichtenplattform „Ahval“  bezeichnete den Wahlsieg als „starkes Symbol“. CNN Türk sendete ein minutenlanges Interview. Onays Kernbotschaft darin lautet unmissverständlich: „Zusammenhalt ist stärker als Hass“.

Onay, der 1981 in Goslar geboren wurde, geht mit seiner Migrationsgeschichte offensiv um, bleibt nach seinem Triumph aber sachlich und hebt nicht ab. Seine Eltern kamen in den 1970er-Jahren nach Deutschland und betrieben ein türkisches Restaurant in seiner Geburtsstadt. Als Kind einer sogenannten Gastarbeiterfamilie könne er als „Brückenbauer (…) für eine Migrationsgesellschaft“ fungieren. In Hannover sei dies besonders wichtig. Schließlich habe jedes zweite Kind in der Stadt einen sogenannten Migrationshintergrund, sagt Onay.

Politik für alle Menschen

Kurz nach seiner Wahl bekräftigte der designierte Oberbürgermeister im Neuen Rathaus Hannovers, dass er die Stadt zusammenführen und Politik für alle Menschen machen wolle. Eines seiner erklärten Ziele ist es, „gesellschaftliche Gräben zu überwinden“ und überhaupt „gute Arbeit abzuliefern“. Im Wahlkampf hatte der Landtagsabgeordnete mit klassisch grünen Positionen auf sich aufmerksam gemacht. Neben bezahlbarem Wohnraum forderte der Diplomjurist eine autofreie Innenstadt bis 2030. Letzteres stößt auch auf Kritik.

Die Verkehrspolitik in der niedersächsischen Landeshauptstadt will er auch mit einem Ein-Euro-Ticket für Bus und Bahn radikal verändern. Im Landtag, dem er seit 2013 angehört, gilt er als sorgfältiger Arbeiter. Die Innenpolitik ist sein Metier. Zuletzt stimmte er vehement gegen die Einführung des verschärften Polizeigesetzes in Niedersachsen.

Hetze und Fake News im Netz: Bürgermeister solidarisieren sich mit frischgewähltem OB

Derweil wollen die Grünen nach Drohungen und Beleidigungen in sozialen Medien gegen den neuen grünen Oberbürgermeister von Hannover strafrechtliche Schritte gegen die Urheber prüfen. Er sei überrascht von der Masse der Anfeindungen, sagte Onay am Dienstag der Deutschen-Presse Agentur. Vor seiner Wahl habe es nur wenige diffamierende Äußerungen gegeben, die Hetze habe inzwischen massiv zugenommen.

Niedersachsens Städtetag sicherte Onay die Solidarität und Unterstützung der Bürgermeisterkonferenz zu. Ein frisch gewählter Oberbürgermeister und seine Familie würden bedroht und eingeschüchtert, kritisierte der Vorsitzende der Konferenz, Bürgermeister Jürgen Daul aus der Stadt Holzminden. Falsche und unwahre Behauptungen, gezielte Fake News, rassistische und fremdenfeindliche Posts seien nicht hinzunehmen. Die Religion oder Abstammung eines Bewerbers um das Amt des Oberbürgermeisters dürften keine Bedeutung haben. Die Tagesschau hatte am Montag als Erstes über die kursierenden Fake News zu Onay berichtet.

Am 22. November wird Onay sein Amt antreten, am 28. November legt er voraussichtlich den Amtseid ab.

Mit Material von dpa