Connect with us

Gesellschaft

Muharrem-Fasten: Warum man Aleviten zu ihrem höchsten Fest nicht gratulieren sollte

Published

on

alevitische Muharrem-Feier
Spread the love

Aleviten begehen derzeit ihr höchstes religiöses Fest, die ersten zehn Tage des islamischen Monats Muharrem. Nach der islamischen Zeitrechnung befinden sich die Muslime im Jahre 1438 und der Monat Muharrem ist der erste Monat des neuen Mondjahres. Die islamische Zeitrechnung beginnt 622 nach Christus, dem Jahr, in dem der Prophet Muhammed von Mekka nach Medina ausgewandert ist, was in der islamischen Literatur als Hidschra (Arabisch: هجرة, Auswanderung) bezeichnet wird.

An diesem Tag soll der Prophet Noah nach der Sintflut mit seiner Arche auf dem Berg Cudi im Südosten der Türkei gestrandet sein. Doch auch ein anderes einschneidendes Ereignis der islamischen Geschichte hat in diesem Zeitraum stattgefunden: Das Massaker von Kerbela im Jahre 680. Dabei wurde Imam Husain, der Enkel des Propheten Muhammed, gemeinsam mit 71 seiner Gefolgsleute ermordet. Verantwortlich für diese Tragödie, die immer noch Einfluss auf die Gegenwart hat, war der Umayyaden-Kalif Yazid I. Die Mörder nahmen weder Rücksicht auf Frauen noch auf Kinder. Daher hat Yazid nicht nur unter den Aleviten, sondern auch unter den Sunniten keinen besonders guten Ruf. Für die Aleviten jedoch ist er die Personifizierung des Bösen.

Der Monat Muharrem hat also für Muslime eine große Bedeutung – und für die Aleviten eine ganz besondere. Während in den letzten Jahren der Fastenmonat Ramadan und das Opferfest der Muslime auch unter Nichtmuslimen zunehmende Bekanntheit erlangten, wissen die meisten nicht, dass es auch noch diese zweite Fastenzeit im Islam gibt, das Muharrem-Fasten. Aleviten fasten in den ersten 12 Tagen dieses Monats im Gedenken an den Märtyrertod des Imam Husain und seiner Weggefährten.

Über die Bedeutung der Muharrem-Fastenzeit sagt der junge Dede-Anwärter Ali Gözüdok aus Köln gegenüber dem WDR 5: „Das Ganze hebt bei mir schon eine melancholische Stimmung hervor. Indem ich versuche, die Tat nachzuvollziehen, die Imam Husain dort vollbracht hat, warum er dort dahingegangen ist und warum er sich geopfert hat. Dadurch erkenne ich, dass er für die Wahrheit gestorben ist und dass er sich nicht unterdrücken lassen wollte.“ Als Dede werden bei den Aleviten die geistlichen Würdenträger bezeichnet. Da sich das Muharrem-Fasten wie der gesamte islamische Kalender nach dem Mond richtet, wandert die Fastenzeit der Aleviten durch das Jahr. Begonnen hat sie in diesem Jahr am 28. September und endet am 14. Oktober.

Das Muharrem-Fasten unterscheidet sich jedoch in einigen Punkten von dem des Ramadan-Fastens. Beim Abendmahl wird auf Wasser verzichtet, weil die Opfer von Kerbela tagelang kein Wasser bekamen. Auf dem Tisch, auf dem das Essen zum Fastenbrechen bei Sonnenuntergang serviert wird, darf sich kein Messer befinden und auch darf kein Fleisch gegessen werden. Ein Ritual dieser Zeit sind die sogenannten „Mersiye“, Trauerlieder, die in Begleitung der Saz, einem wichtigen Musikinstrument der alevitischen Kultur und Glaubenslehre, vorgetragen werden.

Mit den melancholischen Liedern wird den Opfern von Kerbela gedacht. Da auch viele sunnitische Muslime in guter Absicht den Fehler begehen, Aleviten zur Muharrem-Fastenzeit zu gratulieren, hat die Alevi-Bektaschi-Föderation der Türkei eine Erklärung veröffentlicht, in der sie auf dem Trauercharakter dieser besonderen Tage erinnert: „Aus diesem Grund sind Gratulationen und Glückwünsche an diesen Tagen fehl am Platz. Diejenigen, die glauben, damit etwas gutes zu bewirken, irren sich. Dass Husain und seinen 71 Weggefährten in der Wüste von Kerbela kein Wasser gegeben wurde und sie ermordet wurden, ist nichts, wozu man gratuliert, sondern ein Massaker, über das man trauert.“