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Gesellschaft

Rechtsterror in Hanau: Was hat sich seitdem getan?

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Knapp drei Wochen sind vergangen. Ein rechtsextremer Terroranschlag in der hessischen Stadt Hanau erschütterte ganz Deutschland. Die Opfer wurden beigesetzt. Doch was genau hat sich nach dem Anschlag verändert? Ein Überblick. 

Mittwoch, 19. Februar 2020, kurz nach 22 Uhr. Erste Medien melden „Schüsse in Hanau“. Viele können die Meldungen erst einmal nicht einordnen. Doch im Laufe des Abends wird klar: Es handelte sich bei den Schüssen um einen gezielten Anschlag. Genauer gesagt, um einen rechtsextremen Terroranschlag. Neun der insgesamt zehn Opfer hatten eine Zuwanderungsgeschichte. Der Täter, ein Deutscher namens Tobias R., hatte es gezielt auf eine Menschengruppe abgesehen, die nicht in sein rassistisches Weltbild passten. Er stürmte an jenem Mittwochabend in eine Shisha-Bar im Zentrum von Hanau und begann dort um sich zu schießen. Dabei kommen vier Menschen ums Leben. Anschließend fährt der Täter in einen anderen Stadtteil von Hanau und greift dort einen Kiosk, eine weitere Shisha-Bar sowie einen Mercedes an. Hier kommen fünf weitere Menschen ums Leben.

Später bringt R. seine Mutter und sich selbst um. Bis zu diesem Zeitpunkt gingen einige Medien noch von einem Clan-Krieg aus. Am nächsten Morgen aber geben Sicherheitskreise den Fund eines Bekennerschreibens und eines Videos bekannt.

Bundespräsident Steinmeier: „Wir laufen nicht auseinander“

Dieser rechtsextreme Terroranschlag erschütterte ganz Deutschland. Wie konnte so etwas passieren? Einen Tag nach dem Anschlag besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Ort des Geschehens. Steinmeier fand deutliche Worte: „Heute ist die Stunde, in der wir zeigen müssen: Wir stehen als Gesellschaft zusammen. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir laufen nicht auseinander. Wir trauern. Wir nehmen Anteil, und wir sehen, dass wir eins sind in unserer Trauer, einig gegen Hass, Rassismus und Gewalt. Ich stehe an der Seite der Menschen, die von rassistischem Hass bedroht sind“.

Steinmeier sagte außerdem, dass man gemeinsam „gegen eine Sprache der Ausgrenzung und Herabwürdigung, die der Gewalt allzu häufig den Weg bereitet“, stehe. Bundesweit gab es auf mehreren Karnevalszügen Solidaritätsbekundungen für Hanau und Kritik an Hass, Rassismus und Gewalt.

24.02.2020, Nordrhein-Westfalen, Köln: Der Motivwagen „Uns Hätz schleiht för Hanau“ zum Anschlag von Hanau fährt mit beim Rosenmontagszug. Mit den Rosenmontagszügen erreicht der rheinische Straßenkarneval seinen Höhepunkt. Foto: Oliver Berg/dpa

Dennoch hörte die Hetze nicht auf. Erst vergangene Woche mussten Ermittler hetzerische Kommentare im Netz feststellen. Die „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität“ hat nach dem Terroranschlag bislang 84 Verfahren angestrengt. Es werde nun unter anderem wegen Volksverhetzung und Beleidigung ermittelt.

Auf der Trauerfeier für die Opfer von Hanau, an der auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahm, gab es bewegende Momente. Ajla Kurtović, die Schwester von Hamza, einem der Opfer von Hanau, erzählte in ihrer Rede von ihrem Schmerz. Dennoch sagte sie: „Ich empfinde keinen Hass. Hass hat den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben.“

Islamfeindlicher Aspekt der Tat bleibt im Hintergrund

Die Tat von Hanau war nicht nur ein rassistischer Anschlag. Zugleich empfand der Täter auch einen Hass gegen Muslime. Muslimische Dachverbände kritisieren aber, dass dieser Aspekt immer wieder in den Hintergrund rückt. Und das nicht nur bei dem Anschlag von Hanau. Muslime erwarten einen klaren Kampf gegen die alltägliche Islamfeindlichkeit. Und die ist in Deutschland tatsächlich groß. 2018 registrierte die Bundesregierung etwa 910 islamfeindliche Straftaten. Selbst nach dem Anschlag in Hanau setzten sich die islamfeindlichen Angriffe fort. So erhielt eine Hanauer Moschee ein paar Tage nach dem Angriff einen Drohbrief. Eine andere Moschee erhielt sogar einen Drohbrief, dem eine Schussmunition beigelegt war.

Bundesinnenminister richtet Expertenkreis gegen Islamfeindlichkeit ein

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat kurz nach dem Anschlag erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere vor Moscheen angekündigt. Wie realistisch das ist, darüber haben muslimische Dachverbände unterschiedliche Ansichten. Laut dem Zentralrat der Muslime gibt es etwa 2500 Moscheen in Deutschland.

27.02.2020, Berlin: Zu Beginn der Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages zum rassistischen Anschlag in Hanau erheben sich die Abgeordneten um Horst Seehofer (M, CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Holger Münch (l), Präsident des Bundeskriminalamtes, Peter Frank (4.v.l), Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Gottfried Curio (vorne r, AfD-Bundestagsabgeordneter) und Thomas Haldenwang (hinten 5.v.r), Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, für eine Gedenkminute. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Etwa anderthalb Wochen nach dem Anschlag hat der Bundesinnenminister dann auf die Forderungen reagiert und die Einrichtung eines „Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit“ beschlossen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums soll dieser Expertenkreis auf mehrere Jahre angelegt sein.

Doch reicht das, um den Rassismus in der Gesellschaft einzudämmen? Angesichts der fortlaufenden Hasskommentare und Drohbriefe gegen Moscheen scheint es ein noch langer Weg zu sein.