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Politik

SADAT, ASSAM und der Wunsch nach einem neuen Weltreich

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Als der greise Adnan Tanrıverdi im Zuge des Putschversuches in der Türkei in den erweiterten Beraterstab des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan berufen wurde, ahnten seine Kenner und Experten für Sicherheitspolitik nichts Gutes. Denn der mittlerweile 76-jährige ist ein bekennender Islamist mit scheinbar grenzenloser Phantasie.

Der Unternehmer war einst Brigadegeneral im türkischen Militär und fiel schon in jungen Jahren mit seinen extremen Ansichten auf. Schon seit geraumer Zeit wird ihm vorgeworfen, in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Adnan Tanrıverdi ist nach seinem altersbedingten Ausstieg aus dem Militärapparat der Türkei in den privaten Sicherheitsdienstleistungs-Sektor gewechselt. Zunächst wurde Tanrıverdi Vorsitzender eines Vereins entlassener Armeeoffiziere namens ASDER. Schließlich gründete er am 28. Februar 2012 das Militärunternehmen Sadat A.S. Damit ist ihm der Durchbruch gelungen. Das Unternehmen sieht sich selbst als Sicherheitsdienstleister, der „die islamische Welt dabei (…) unterstützen [möchte], den verdienten Platz unter den Supermächten einzunehmen“.

SADAT wird durch die türkische Regierung gefördert

Ein anonymer Experte aus türkischen Sicherheitskreisen, der aus familiären Gründen nicht namentlich genannt werden möchte, erläutert gegenüber DTJ die Beziehung zwischen Tanrıverdis SADAT und der türkischen Regierung. Demnach sei der ehemalige General durch die AKP-Regierung damit beauftragt worden, eine paramilitärische Einheit zu gründen. Das habe Tanrıverdi mit der Gründung der Sicherheitsfirma SADAT umgesetzt. Die eigentliche Aufgabe von SADAT sei es, die türkische Regierung vor möglichen Umsturzversuchen durch Strukturen innerhalb der staatlichen Sicherheitsbehörden zu bewahren. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan fürchte einen erneuten Putschversuch in der Türkei und mit einer parallel bewaffneten Macht wolle er solche Vorhaben im Keim ersticken.

Schult SADAT Islamisten?

SADAT führe sogar Schulungen von extremistischen Milizen, beispielsweise der Al-Nusra in Syrien oder der Freien Syrischen Armee, durch. Bei SADAT sind vor allem ehemalige Generäle und Offiziere des türkischen Militärs beschäftigt. Tanrıverdi macht keinen Hehl daraus, dass seine Kämpfer in Syrien im Einsatz waren und ebenso in der Nacht des 15. Juli 2016. Dort hätten sie auf den Straßen die Demokratie bewahrt und ihren Beitrag geleistet. Wie das türkische Exil-Medium Bold berichtete, sollen SADAT-Paramilitärs für die Morde an Zivilisten und jungen Militärkadetten in der Putschnacht verantwortlich sein. Doch diese Vorwürfe weist Tanrıverdi strikt zurück.

Träumen vom neuen Osmanischen Reich

Ende Dezember 2019 fand in Istanbul der 3. Kongress der Islamischen Union statt. Eine Versammlung von Vertretern der Sicherheitsapparate islamischer Staaten, durchgeführt von einem Verein namens ASSAM. Aufgeschlüsselt und ins Deutsche übersetzt, heißt er: „Verein der Verteidiger der Gerechtigkeit und Zentrum für Strategische Forschung“. Auch hier spielt die Hauptrolle Adnan Tanrıverdi. In diesem Jahr diskutierte der Kongress, an dem nach Angaben des Veranstalters Gesandte 44 unterschiedlicher islamischer Länder teilnahmen, das Thema der weltweiten islamischen Verteidigungsindustrie. Man habe erörtert, wie eine unabhängige gemeinsame Waffenindustrie zwischen den muslimisch geprägten Ländern möglich sei. Nur so könne man eine Unabhängigkeit gegenüber dem Westen ermöglichen und zur Einheit werden.

Daneben wurde in diesem Kongress eine neue Verfassung ausgearbeitet und vorgeschlagen. Dieser Vorstoß sorgte in der Türkei für die größte Aufregung. Denn die Verfassung, die sich stark an die aktuelle türkische Version anlehnt, forderte quasi die Auflösung des laizistischen Staates. Einige Kernpunkte der ASSAM-Verfassung sind:

  • Alle islamischen Ländern schließen sich zusammen in einer Konföderation und bilden die Islamische Union;
  • Amtssprache wird Arabisch;
  • Istanbul wird die neue Hauptstadt.

„Unsere Aufgabe ist es, die Ankunft des Mahdi vorzubereiten“

Vor wenigen Wochen fand dieser Kongress der islamischen Union auch in deutschen Medien Beachtung. In einem Deutschlandfunk-Beitrag wurde Tanrıverdi zitiert. Am Rande des umstrittenen Kongresses machte er deutlich, wie phantasievoll seine Denkweise wirklich ist. Ins Mikrofon der islamistischen und in Deutschland seit Jahren verbotenen Zeitung Yeni Akit diktierte der Ex-Militär folgenden bemerkenswerten Satz: „Wird es eine islamische Union geben? Ja, die wird es geben. Wann und wie wird es sie geben? Wenn der ehrenwerte Mahdi auf die Erde kommt. Wann wird der ehrenwerte Mahdi kommen? Gott weiß es. Doch es ist unsere Aufgabe, für die nötigen Rahmenbedingungen zu sorgen.“

Nach diesen Worten, die in den Sozialen Medien viral gingen, und dem Verfassungsvorschlag von ASSAM musste Tanrıverdi gehen. Offiziell hieß es, er trete aus Altersgründen von seinem Posten als Berater des türkischen Präsidenten zurück. Doch scheint es, als habe sich Tanrıverdi mit diesem steilen Vorstoß selbst ins Abseits katapultiert.