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Corona

Steinreich, aber immer auf dem Boden geblieben: Das Forscher-Traumpaar Uğur Şahin und Özlem Türeci

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Biontech Ugur Sahin Özlem Türeci
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Bescheiden und demütig, trotz eines großen Vermögens: Das Forscherpaar Uğur Şahin und Özlem Türeci, das einen aussichtsreichen Corona-Impfstoffkandidaten entwickelte, hat viele Besonderheiten und lässt gleich mehrere Klischees ins Leere laufen. Ein Blick in das Leben der beiden, in dem Çay eine große Rolle spielt, lohnt sich allemal.

Es ist und bleibt wohl die beste Nachricht des Jahres 2020: Ein Impfstoff gegen das Coronavirus steht kurz vor der Zulassung. Damit könnten hoffentlich bald nicht nur Millionen von Leben gerettet werden, sondern es kann auch dem Ausnahmezustand, in der sich die Welt derzeit befindet, ein Ende gesetzt werden. Der Impfstoff stammt aus einem deutschen Labor, nämlich dem des Mainzer Unternehmens Biontech. Die Namen dahinter dürften mittlerweile in größeren Kreisen bekannt sein. Ein nach oben offener Bogen über dem „g“, ein Kringel unter dem „s“ und jeweils ein „ö“ und „ü“ – offensichtlicher könnten die Namen die Wurzeln des Paares nicht verraten.

Auch wenn die Frage nach der Herkunft von Menschen im 21. Jahrhundert keine Rolle mehr spielen sollte, tut es das doch. Es handelt sich bei dem Forscherpaar um Uğur Şahin und Özlem Türeci, die sich eigentlich mehr durch ihre Kompetenzen und Liebe zur Wissenschaft definieren wollen als mit ihrer Abstammung. Allein der Ablauf am Tag ihrer Hochzeit reicht, um ihre besondere Beziehung zur Forschung vor Augen zu führen: In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erzählte Türeci im Jahr 2009, dass sie und ihr künftiger Mann noch am Morgen vor der Hochzeit im Labor standen und auch nach der Trauung im Standesamt wieder dorthin zurückkehrten.

Hauptschule statt Gymnasium?

Dennoch wurde viel über die Herkunft der beiden berichtet. Wie denn auch nicht: Die Freude und der Stolz vieler Türken und Türkeistämmiger war groß, als die Namen hinter den Entwicklern des „Anti-Corona-Impfstoffs“ bekannt wurden. Das dürfte bei den meisten Deutsch-Türken vor allem auch mit einigen Parallelen im Lebenslauf der beiden zu tun haben. Während Türeci in eine Arztfamilie hineingeboren wurde und in Lastrup zur Welt kam, gleicht der Weg Şahins der einer klassischen Gastarbeiterfamilie. Er kam 1969 im Alter von vier Jahren zusammen mit seiner Mutter nach Deutschland. Der Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits als Gastarbeiter in Köln und arbeitete bei Ford am Fließband.

Türkischen Medien zufolge soll Şahin einst in einem Interview gesagt haben, dass sein Grundschullehrer für ihn eine Hauptschul-Empfehlung ausgesprochen habe. Erst das Eingreifen deutscher Nachbarn habe schließlich dazu geführt, dass der kluge Uğur doch noch den Weg aufs Gymnasium fand.

Sollte das stimmen, dürfte das vielen Deutsch-Türken, die aufs Gymnasium gingen oder eben nicht, bekannt vorkommen. Nach dem Abitur blieb Şahin in Köln, wo er Medizin studiert und auch mehrere Jahre arbeitete. Ende der Neunziger zog er dann nach Homburg ins Saarland um, wo er später auch seine künftige Ehefrau kennenlernte.

Forscherpaar verbindet Forschung und Business

Die beiden jungen Forscher zog es schließlich nach Mainz, wo sie zunächst an gentechnischer Tumortherapie arbeiteten. Doch damit gaben sie nicht zufrieden, sie suchten nach einer größeren Herausforderung. Diese fanden sie, als sie auf die Idee kamen, ihre Forschung, die weiterhin im Mittelpunkt stehen sollte, im Rahmen einer Firmengründung zu einem Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Das war im Jahr 2001.

Zwar sei der theoretische Teil der wissenschaftlichen Forschung in Deutschland damals wie heute auf einem weltweiten Spitzenniveau, doch daraus Geschäftsmodelle zu entwickeln, sei eher in den Vereinigten Staaten gängig. Das konnten die beiden nicht nachvollziehen. Mit ihrer ersten Firma „Ganymed Pharmaceuticals“ forschten sie an der Entwicklung von Antikörpern gegen Krebs. 2016 wurde die Firma für 1,4 Milliarden US-Dollar an ein japanisches Pharmakonzern verkauft.

2008 gründete das Forscherpaar zusammen mit dem Immunologen Christoph Huber dann das Unternehmen „Biontech“, mit dem sie nun der ganzen Welt Hoffnung machen. Türeci ist im Vorstand für die Abteilung klinische Entwicklung verantwortlich, während Şahin als Geschäftsführer auftritt. Öffentliche Auftritte sind für beide Forscher weniger interessant. Das Paar konzentriert sich lieber auf wissenschaftliche Veröffentlichungen. In einem Interview erzählte Türeci, dass sie als Kind eigentlich Nonne werden wollte. Ihr Ziel sei es damals gewesen, Menschen zu helfen. Auch heute hat sich an diesem Ziel anscheinend nichts geändert, wie die Entwicklung des aktuellen Impfstoff-Kandidaten zeigt.

Bescheiden und demütig, trotz Milliardenvermögen

Auch ihr Ehemann meidet die Öffentlichkeit lieber. Er sei ein „sehr bescheidener, demütiger Mensch“, wie sein langjähriger Wegbegleiter Matthias Theobald, stellvertretender Leiter des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen UCT Mainz, einst in einem Interview über ihn sagte: „Alles Äußere ist ihm nicht wichtig. Aber er will die Strukturen schaffen, um seine Vision zu verwirklichen und da ist sein Anspruch dann nicht mehr bescheiden“.

Und auch ihr Lebensstil unterscheidet sich offenbar von jenem anderer Wohlhabender. Zusammen mit ihrer Tochter leben sie in einer schlichten Wohnung in der Nähe ihres Labors. Ein Auto fährt das Paar übrigens nicht. Für die Mobilität sorgen ihre Fahrräder.

Nachricht mit Çay gefeiert

Das wirkt schwer verständlich, vor allem wenn man weiß, dass die beiden mittlerweile zu den reichsten Deutschen gehören. Ihr Vermögen wird auf etwa 2,4 Milliarden Euro geschätzt, wobei diese Summe nach der wahrscheinlichen Zulassung des Impfstoffs deutlich steigen dürfte. Von der Nachricht über die Wirksamkeit des Impfstoffs erfuhr das Ehepaar eigenen Angaben zufolge am Sonntagabend. „Selbstverständlich haben wir das gefeiert“, so Türeci. Schnell hätten sie türkischen Tee, den sie auch sonst sehr gerne tränken, aufgesetzt und den schönen Abend zuhause genossen.

Dr. Özlem Türeci. Foto: Biontech

Pfizer-CEO: „Ich traue Uğur zu 100 Prozent“

Von der Bescheidenheit der beiden ist selbst ihr neuer Partner Albert Bourla vom Pharmakonzern Pfizer, mit dem Biontech zusammen den Antrag auf Zulassung stellen wird, begeistert. „Uğur ist sehr sehr individuell“, so Bourla. Er würde sich nur für die Wissenschaft interessieren. Es habe sich schnell ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen entwickelt, blickt der griechischstämmige CEO von Pfizer zurück. Man habe noch nicht einmal einen vollständigen Vertrag unterzeichnet. „Er ist ein Wissenschaftler und ein Mann der Prinzipien. Ich traue ihm zu 100 Prozent.“

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