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Politik

Eskalation auf hoher See – Türkei dementiert Waffenlieferung

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Die Mannschaft der deutschen Fregatte „Hamburg“ wollte vor Libyen ein türkisches Containerschiff auf Waffen kontrollieren. Dann stoppte ein Veto der Türkei den Einsatz. Aus Ankara kommt scharfe Kritik. Im Fokus: die deutsche Besatzung.

Wenige Tage nach den ins Spiel gebrachten möglichen Sanktionen und den Annäherungsversuchen seitens des türkischen Präsidenten droht offenbar einen neuer Konflikt zwischen der Türkei und der EU. Nach Angaben der Bundeswehr erzwang Ankara am frühen Montagmorgen den Abbruch eines Einsatzes zur Kontrolle des UN-Waffenembargos gegen Libyen (DTJ-Online berichtete). Deutsche Marinesoldaten hatten den türkischen Frachter „Rosaline A“ 200 Kilometer vor der nordafrikanischen Küste auf illegale Waffenfracht kontrolliert.

„Das Schiff wurde verdächtigt, das Waffenembargo zu verletzen“, sagte Christian Thiels, Sprecher von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zum Vorfall. Deutsche Soldaten seien an Bord gegangen. Nach wenigen Minuten habe die türkische Regierung ihre Zustimmung für den Einsatz zurückgezogen. „Die Türkei hat nachträglich erklärt, dass sie diesem ‚Boarding‘ nicht zustimmt“, bestätigte Thiels.

„Heuchlerische und gesetzeswidrige Behandlung“?

Wenig später musste die Bundeswehr ihre Soldaten, die im Rahmen der von Griechenland geführten EU-Mission IRINI das Mittelmeer auf Waffenlieferungen gen Libyen kontrollieren, per Helikopter zurückholen. Gefunden hatten sie bis zum Zeitpunkt des Abbruchs: nichts. Ob die Türkei ihr Veto durchsetzte, weil das Schiff wirklich Waffen an Bord hatte, bleibt unklar.

In Ankara wurde Kritik am Einsatz laut: „Wir protestieren gegen diese Aktion, die ohne Befugnis und mit Gewaltanwendung durchgeführt wurde“, hieß es aus dem Außenministerium. Ein Sprecher nannte das Vorgehen eine „heuchlerische und gesetzeswidrige Behandlung“ von türkischen Frachtschiffen, die nach Libyen unterwegs gewesen seien und in erster Linie Hilfsgüter an Bord gehabt hätten.

Demnach haben die Deutschen die Besatzung des türkischen Frachters mit Waffen bedroht und sie später einer erniedrigenden Leibesvisitation unterzogen. Auf Fernsehbildern ist ein Mitglied der Besatzung mit erhobenen Händen zu sehen. Die Bundeswehr-Soldaten sind bewaffnet und tragen Kampfmontur mit Helm und Schutzweste. „Für mich haben die sich wie Banditen benommen, wie Piraten“, bekräftige der Istanbuler Marine-Experte Cem Gürdeniz. Keiner der Vorwürfe ist bisher belegt. Die Türkei ist der Auffassung, dass die EU-Mission IRINI nicht neutral sei und einseitige Waffenkontrollen durchführe.

Waffenstillstand in Libyen, Unmut in Berlin

In Libyen bleibt die Lage fast ein Jahrzehnt nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis 2011 weiterhin verworren. Im Land herrschen weiterhin bürgerkriegsähnliche Zustände. Zuletzt einigten sich die Konfliktparteien Ende Oktober auf einen Waffenstillstand. Dass er hält, ist wenig wahrscheinlich. Die Regierungstruppen werden von der Türkei unterstützt.

Auch deswegen nimmt die Bundesregierung den Zwischenfall mit dem türkischen Frachter sehr ernst. Andrea Sasse, Sprecherin des Auswärtigen Amts, sagte in Berlin: „Wir haben im Zusammenhang mit der Berliner Libyen-Konferenz mehrfach deutlich gemacht, dass wir von allen Teilnehmern erwarten, dass sie sich an das Waffenembargo halten. Das gilt natürlich auch für die Türkei.“

Weiter EU-Sanktionen gegen die Türkei?

Für das Land am Bosporus könnte der Konflikt auf hoher See und die Unterstützung der Kriegsparteien in Libyen wahrscheinlich Sanktionen nach sich ziehen. In Brüssel wurde bereits darauf hingewiesen, dass beim nächsten EU-Gipfel am 10. und 11. Dezember  weitere Strafmaßnahmen gegen die Türkei möglich seien.

Jüngst wurden EU-Sanktionen gegen Unternehmen verhängt, die Schiffe, Flugzeuge oder andere Logistik für den Transport von Kriegsmaterial in Libyen bereitgestellt hatten. Die Türkei, die seit Monaten keinen Hehl aus der direkten Unterstützung der international anerkannten Regierung in Tripolis macht und Waffen und Söldner liefert, gerät zunehmend unter Druck, zeigt sich aber weitestgehend unbeeindruckt – noch. Der neuerliche Vorfall scheint eine gegenseitige Machtdemonstration der beiden Parteien gewesen zu sein.

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