Kolumnen

Zu Besuch in der Türkei: Wadephul hat ausgesprochen, was lange überfällig war

  • Oktober 21, 2025
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Zu Besuch in der Türkei: Wadephul hat ausgesprochen, was lange überfällig war

Nach Jahren frostiger Beziehungen schlägt Außenminister Johann Wadephul in Ankara neue Töne an. Er würdigt die Leistungen türkeistämmiger Migranten, spricht über gemeinsame Verantwortung – und fordert zugleich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Basis künftiger Zusammenarbeit.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei hatten in den vergangenen Jahren so stark gelitten, dass man sich von offiziellen Besuchen kaum noch etwas erhoffen konnte. Schon das Ausbleiben offener Eklats galt als Erfolg. Vor diesem Hintergrund setzte der jüngste Besuch von Bundesaußenminister Johann Wadephul in Ankara einen bemerkenswerten Kontrapunkt.

Besonders aufhorchen ließ sein Interview mit der auflagenstarken Hürriyet, das auch in deutscher Fassung auf der Website des Auswärtigen Amtes dokumentiert ist. Wadephul sprach darin Dinge aus, die CDU-Politikern bisher nicht leicht über die Lippen kamen.

Leistung der türkischen Gastarbeiter anerkannt

Er erinnerte an die Bedeutung der türkeistämmigen Arbeitskräfte für das deutsche „Wirtschaftswunder“ – und daran, dass sie „das moderne Industrieland Deutschland mit aufgebaut“ haben. Diese Anerkennung, so Wadephul, sei viel zu lange ausgeblieben. Dass das Auswärtige Amt diese Passage in den sozialen Medien hervorhob, war nur folgerichtig. Dass daraufhin von rechten Seiten ein Shitstorm losgetreten wurde, bestätigt auf traurige Weise, wie nötig solche Worte sind.

Wadephul verwies auch auf die wirtschaftliche Verflechtung beider Länder: 8000 deutsche Unternehmen sind in der Türkei aktiv, während rund 80.000 türkeistämmige Unternehmen in Deutschland mehr als 400.000 Arbeitsplätze sichern. Diese Zahlen stehen für die dichten menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Bande zwischen Deutschland und der Türkei.

„Hybride Identitäten“ als neue Realität

Der Minister sprach zudem von der „untrennbaren Verwobenheit“ beider Gesellschaften und von „hybriden Identitäten“ als neuer Realität. Viele Menschen seien in beiden Ländern zu Hause – eine Tatsache, die beide Seiten bereichere. Besonders positiv hervorzuheben ist, dass Wadephul dabei erfolgreiche Persönlichkeiten wie Staatsministerin Serap Güler oder Verfassungsschutzpräsident Sinan Selen erwähnte. Deutlich positionierte er sich auch gegen Diskriminierung: „Es reicht, dazu gehören zu wollen. Niemand darf diskriminiert werden – dafür steht diese Bundesregierung ein.“

Mit Blick auf die Türkei forderte Wadephul Fortschritte in den EU-Beziehungen und stellte ein Update der Zollunion, eine Visaliberalisierung und sogar eine Wiederbelebung der Beitrittsgespräche in Aussicht. Zugleich machte er klar, dass dies nur auf Grundlage von Demokratie, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und guter Nachbarschaft möglich sei.

Was davon in Ankara ankommt, bleibt abzuwarten. Man sollte sich keiner Illusion hingeben. Doch gerade unter Partnern und Freunden ist Ehrlichkeit entscheidend – insbesondere, wenn es um Menschenrechte geht. In diesem Sinne kann Wadephuls Besuch als Schritt in die richtige Richtung gelten.

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Ercan Karakoyun