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Politik

Terror in der Türkei: Wie türkischen Anti-Terror-Einheiten die Zähne gezogen wurden

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Die Abstände zwischen den Anschlägen in der Türkei werden immer kürzer, die Sicherheitsbehörden sind nicht in der Lage, sie zu verhindern. Dabei hatte die türkische Polizei renommierte Anti-Terror-Spezialisten – doch die wurden aus politischen Gründen abgesetzt.

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Türkische Polizisten auf der Istiklal Caddesi
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In der Türkei werden die Abstände zwischen den terroristischen Bombenanschlägen immer kürzer. Zuletzt starben in Istanbul fünf Menschen. Dabei war es noch keine Woche her, dass in Ankara 37 Menschen getötet wurden. Von den Anhängern der Regierung wird in der Öffentlichkeit die Botschaft verbreitet, dass solche Ereignisse in jedem Land passieren können und sich die Bürger zumindest für eine gewisse Zeit sich auf ein Leben mit dem Terror einstellen sollten.

Ist ein Leben mit dem Terror Schicksal? Ist die türkische Polizei so unfähig, dass sie Terroranschläge in immer kürzeren Abständen zulässt? Ein Bericht der Zeitung Özgür Düşünce zeigt, dass die heutige Lage ein Stück weit hausgemacht ist.

Denn die türkischen Sicherheitskräfte verfügen eigentlich über hochqualifiziertes Personal, das seine Effektivität bereits vielfach unter Beweis gestellt hat – und das nicht nur in der Türkei. So haben Spezialisten der Istanbuler Polizei innerhalb von zwei Jahren elf Terroristen, die sich bereits mit Sprengsätzen ausgerüstet hatten, vor der Ausführung ihrer Tat das Handwerk gelegt. 13 Terroristen konnten verhaftet werden, noch bevor sie Bomben bauen konnten.

Damit hatten die türkischen Terror-Experten sogar die Aufmerksamkeit der britischen und US-amerikanischen Geheimdienste auf sich gezogen. Der MI5 schickte Mitarbeiter in zwei Delegationen, um ihnen Schulungen in Istanbul angedeihen zu lassen. Sie sollten in das Spezialgebiet, das „Arbeitsgeheimnis“, ihrer türkischen Kollegen eingeweiht werden: Die Verhinderung von Selbstmordanschlägen und die Festnahme von mit Sprengstoff beladenen Attentätern, bei der die türkische Polizei als international führend galt. Auch in die USA wurde die Istanbuler Polizei eingeladen, um dem FBI dort von ihren Erfahrungen zu berichten.

Doch nach dem Beginn des Korruptionsskandals vom Dezember 2013 wurden ausgerechnet diese Spezialisten von ihren Aufgaben entbunden. Im Rahmen der Verschleierung der Korruptionsvorwürfe gegen hochrangige AKP-Mitglieder und Recep Tayyip Erdoğan selbst wurden Polizisten und Sicherheitsexperten in Scharen verhaftet und versetzt. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder einer vermeintlichen Parallelstruktur zu sein und die Korruptionsermittlungen lediglich eingeleitet zu haben, um die Regierung zu stürzen. So wurden unter anderem die leitenden Polizei- und Geheimdienstfunktionäre Yurt Atayün, Ali Fuat Yılmazer, Ömer Köse, Ertan Erçıktı und Serdar Bayraktutan festgenommen oder zwangsversetzt.

Manche sitzen nun im Hochsicherheitsgefängnis Silivri, wo ihnen der Prozess gemacht werden soll, andere wurden auf für sie völlig ungeeignete Posten versetzt, beispielsweise in den Wetterdienst. Eine Garantie, dass sie die letzten Anschläge hätten verhindern können, gibt es natürlich nicht. Aber die fähigsten Anti-Terror-Spezialisten des Landes abzusetzen, weil man sie aus politischen Gründen missbilligt, war definitiv ein schwerer Schlag für die türkische Sicherheitsarchitektur, der sich jetzt offensichtlich rächt.

Gegen Terroristen und potentielle Selbstmordattentäter konnten sie ankommen. Sie waren so erfahren, dass sie britische und US-amerikanische Geheimdienste schulen konnten. Doch gegen die Korruption waren sie machtlos – das politische Überleben einiger Regierungsmitglieder war offensichtlich wichtiger als die Sicherheit und das Leben der Menschen auf den Straßen Istanbuls und Ankaras.