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Politik

Türkei: Erste Bemühungen, den Friedensprozess zu retten

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Die HDP versucht den vor zwei Wochen ausgesetzten Friedensprozess zu retten, indem sie die Initiative ergreift. Sie führt Gespräche mit dem Staat, der CHP, aber auch der KCK. Die Regierung sendet ebenfalls vorsichtige Signale.

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Der Co-Vorsitzende der pro-kurdischen HDP Selahattin Demirtaş steigt aus einem schwarzen Fahrzeug.
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Der Co-Vorsitzende der pro-kurdischen HDP Selahattin Demirtaş ist am Mittwoch überraschend nach Brüssel gereist, um sich dort mit führenden KCK-Mitgliedern zu treffen und über mögliche Wiederaufnahme des Friedensprozesses zu sprechen. Für den Tag hatten er und Figen Yüksedağ, ebenfalls Co-Vorsitzende der HDP, in Ankara eine Pressekonferenz angesetzt. Kurz vor Beginn erhielten die Journalisten jedoch eine Benachrichtigung, die Konferenz werde aufgrund einer „dringenden Änderung“ in Demirtaşs Terminplan verschoben. Daraufhin wurde bekannt, dass er nach Brüssel abgereist ist, um sich mit Zübeyir Aydar, Mitglied des Exekutivrats der KCK, und Remzi Kartal, dem Co-Vorsitzenden des sog. „Kurdischen Volkskongresses“ (Kongra-Gel) zu treffen. Die KCK ist die Dachorganisation, unter der die PKK und die mit ihr verwandten Organisationen zusammengefasst sind. Der Exekutivrat leitet ihre Tagesgeschäfte; der „Kurdische Volkskongress“ wiederum ist das höchste Beschlussorgan der KCK. Aydar und Kartal sind somit zwei der wichtigsten politischen Figuren in der kurdischen Bewegung.

Die Treffen in Brüssel sind Teil der Versuche der HDP, den neu aufgeflammten Konflikt zwischen der Regierung und der terroristischen PKK zu entschärfen und eventuell den kürzlich von beiden Seiten ausgesetzten Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. So richtete Demirtaşs Gesprächspartner Zübeyir Aydar gleichzeitig Beschuldigungen und eine ausgestreckte Hand nach Ankara. Er warf Präsident Erdoğan vor, die Gespräche absichtlich behindert und zum Abbruch gebracht zu haben, um einen Vorwand zu schaffen, um einen ‚politisch gewollten Krieg‘ führen zu können. Gleichzeitig betonte er aber den Willen der PKK, den Friedensprozess fortzusetzen: „Wir wollen den (Friedens-) Prozess im Rahmen von Verhandlungen weiterführen, aber die Regierung sieht größeren Nutzen im Krieg. Sie sagt zwar, dass sie den IS bekämpft, aber das sind nur Worte. […]Die jetzigen Kämpfe sind nicht zum Vorteil der Nation oder der Völker des Nahen Ostens, sondern nur zum Vorteil des IS. Wir wollen dieses Problem in Frieden mit demokratischer Politik lösen. Aber der Staat will Krieg führen und wenn wir angegriffen werden, dann müssen wir uns verteidigen.“ sagte er der türkischen Zeitung Radikal zufolge.

Die HDP ergreift die Initiative

Bereits vor ein paar Tagen hatte die HDP die Regierung kontaktiert und versucht, neue Gesprächskanäle zu öffnen, um die angespannte Situation etwas zu entschärfen. So trafen sich am Mittwoch die zwei HDP-Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder und İdris Baluken mit dem Sekretariat für öffentliche Ordnung und Sicherheit KDGM („Kamu Düzeni ve Güvenliği Müsteşarlığı“), einer 2010 gegründeten Behörde, die für die Koordination, Planung und Analyse der Terrorbekämpfung zuständig ist. Es war der erste offizielle Kontakt der beiden Verhandlungsparteien seit die Gespräche wegen des anlaufenden Wahlkampfes im April pausiert wurden.

Kurz zuvor hatte die HDP dazu aufgerufen, dass sich alle Parteien des Landes zusammensetzen und Gespräche miteinander führen sollen, um die ausufernde Gewalt einzudämmen. Die einzige Partei, die dem Aufruf gefolgt war, war die CHP. Deren Vorsitzender Kemal Kılıçdaroğlu traf sich nur wenige Stunden vor der KDGM-HDP-Zusammenkunft mit Demirtaş. Umgekehrt war die HDP die einzige Partei, die letzte Woche die CHP-Forderung nach Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskomission zu den terroristischen Vorgängen der letzten Wochen unterstützte. Die regierende AKP und nationalistische MHP verhinderten die Einsetzung dieser Kommission.

Doch auch die Regierung hat in den letzten Tagen vorsichtige Entspannungssignale gesendet. So erlaubte sie nach einer tagelangen Verzögerung die Überführung der sterblichen Überreste von 12 kurdischen YPG-Kämpfern und dem deutschen Kevin Jochim ermöglicht. Der 21-jährige Karlsruher hatte sich bereits vor drei Jahren dem syrischen PKK-Ableger YPG angeschlossen und war im Juli bei Gefechten mit den IS in Syrien getötet worden. Parallel dazu geht der Kampf der Regierung gegen die PKK im In- und Ausland jedoch unvermindert weiter. So wurden gestern in drei türkischen Provinzen Razzien gegen mutmaßliche PKK-Unterstützer durchgeführt, bei denen insgesamt 29 Verdächtige festgenommen wurden. Auch in der Kreisstadt Silopi kam es am Freitag zu schweren Gefechten mit mehreren Toten.