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Politik

Al-Nusra-Front bekennt sich zu Attentat auf russischen Botschafter

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Das Attentat auf Russlands Türkei-Botschafter soll die bilateralen Beziehungen nicht trüben. Moskau und Ankara untersuchen den Mord gemeinsam. Bereits kurz nach dem Attentat wurde über eine Beteiligung der al-Nusra-Front spekuliert, die türkische Regierung macht jedoch die Gülen-Bewegung verantwortlich. Nun hat die al-Nusra-Front sich zu dem Anschlag bekannt.

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Attentäter Mevlüt Mert Altintas
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Die Terrormiliz Dschabhat Fatah asch-Scham, in der westlichen Öffentlichkeit besser unter ihrem ehemaligen Namen Dschabhat al-Nusra bekannt, hat die Verantwortung für den Mord am russischen Botschafter Andrej Karlow in Ankara übernommen. In einem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben lies sie verlauten, sie habe das Attentat des als „Löwen der Befreiungsarmee“ bezeichneten Polizisten Mevlüt Mert Altıntaş organisiert und drohte mit weiteren Anschlägen in der Türkei. Das melden übereinstimmend türkische und russische Medien sowie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS.

Ob die Behauptungen in dem Bekennerschreiben der Wahrheit entsprechen, ist noch nicht abschließend bewiesen. Allerdings wäre es das erste Mal, dass sich die Al-Nusra- beziehunsweise Fatah asch-Scham-Front zu einem Anschlag bekennt, ohne wirklich dafür verantwortlich zu sein. Bisher entsprachen ihre Bekenntnisse stets der Wahrheit. Allerdings ist auch noch nicht bewiesen, dass das Schreiben an sich echt ist. Zuerst veröffentlicht wurde es von der ägyptischen Zeitung al-Youm al-Sabah. Jedoch sprechen mehrere Umstände dafür, dass die Organisation Drahtzieher hinter dem Anschlag war. Die Front zur Befreiung der Levante, was Dschabhat Fatah asch-Scham auf Deutsch bedeutet, war eine der stärksten Rebellengruppen in Aleppo, das gerade dank massiver Militärhilfe aus Russland vom syrischen Regime zurückerobert wurde. Sie hätte deshalb eine klare Motivation, einen Racheakt an Russland durchzuführen.

Darüber hinaus herrschte zwischen der Miliz und der türkischen Regierung bisher ein eher wohlgesonnenes Verhältnis. Die türkische Regierung hat sie in der Vergangenheit sogar mutmaßlich mit Waffenlieferungen unterstützt. Idlib, die Hochburg al-Nusras, liegt direkt an der türkischen Grenze, es soll nach wie vor zu regelmäßigem Grenzverkehr von Kämpfern kommen. Die Organisation hätte also keinen Ansporn, sich zu dem Anschlag zu bekennen und ihr Verhältnis zur Türkei aufs Spiel zu setzen, wenn sie nicht darin verwickelt wäre.

Gülen-Bewegung bereits direkt nach der Tat beschuldigt

Bereits direkt nach dem Attentat war über eine Verstrickung der al-Nusra-Front spekuliert worden, da der Attentäter Parolen schrie, die als typisch für die al-Nusra-Front gelten. Die bisherige offizielle Version der türkischen Behörden war jedoch, dass die Bewegung des muslimischen Predigers Fethullah Gülen für das Attentat verantwortlich sei. Bereits wenige Stunden nach dem Mord hatten Politiker der Regierungspartei AKP die Gülen-Bewegung beschuldigt, das Attentat befohlen zu haben. Lediglich 90 Minuten brauchte dazu beispielsweise Melih Gökçek, der für seine Twitter-Eskapaden berüchtigte Bürgermeister von Ankara. Gülen selbst wies die Anschuldigungen als „Propaganda“ zurück und nannte sie „lächerlich“. Er forderte, dass die „Unterstützer, Planer und Ausführer dieses Terroraktes (…) in einer unparteiischen und objektiven Ermittlungen festgestellt und alle Verantwortlichen – egal wer sie sind – vor dem Recht zur Verantwortung gezogen“ werden sollten.

Der russische Botschafter Andrej Karlow war am Montagabend in Ankara von einem türkischen Polizisten hinterrücks erschossen worden. Der 22-jährige Attentäter, dessen Namen das Innenministerium mit Mevlüt Mert Altıntaş angab, wurde von Spezialkräften getötet. Regierungsnahe Medien hatten danach berichtet, die Ermittler untersuchten mögliche Verbindungen des Attentäters zur Gülen-Bewegung. Er soll auf eine Gülen-nahe Schule gegangen sein. Seit dem Putschversuch sind in der Türkei nach offiziellen Angaben mehr als 40 000 Verdächtige in Untersuchungshaft genommen worden, denen Gülen-Verbindungen vorgeworfen werden.

Die türkische Polizei nahm mehrere Familienmitglieder des getöteten Attentäters fest. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, darunter seien der Vater, die Mutter, die jüngere Schwester und zwei weitere Verwandte. Außerdem sei ein Onkel festgenommen worden, der eine leitende Funktion in einer Schule gehabt habe, die bei Ermittlungen gegen die Gülen-Bewegung geschlossen worden sei.

Russland entsendet Ermittlerdelegation

Der ermordete Botschafter wurde am Dienstag zurück in seine Heimat geflogen. Am Moskauer Flughafen Wnukowo empfingen am Abend der russische Außenminister Sergej Lawrow und Çavuşoğlu den Sonderflug aus Ankara. Soldaten salutierten am Sarg des toten Diplomaten. Zugleich entsandte Russland 18 Ermittler in die türkische Hauptstadt. Die Experten von Geheimdienst, Polizei und Außenministerium sollen gemeinsam mit türkischen Kollegen den Mord an dem Diplomaten untersuchen und nach den Drahtziehern fahnden. Das sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Agenturangaben.

Präsident Wladimir Putin ordnete wegen der Anschläge in Ankara und Berlin verschärfte Sicherheitsvorkehrungen an diplomatischen Vertretungen in Russland und russischen Auslandsvertretungen an. US-Außenminister Kerry sprach Lawrow in einem Telefonat sein Beileid wegen des Attentats aus. Auch Papst Franziskus übermittelte nach Vatikan-Angaben der russischen Regierung sein Beileid.

Die Hintermänner des Attentats wollten einen Keil zwischen Moskau und Ankara treiben, sagte Kremlsprecher Peskow. Dies werde aber nicht gelingen. „Der Mord kann die Bemühungen Russlands und der Türkei, eine Friedensregelung für Syrien zu finden, in keiner Weise stören.“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte in Istanbul: „Wir werden niemals erlauben, dass unsere Beziehungen zu Russland zerstört oder geschädigt werden.“ Trotz des Anschlags verhandelten die Außen- und die Verteidigungsminister aus Russland, der Türkei und dem Iran am Dienstag in Moskau über den Syrien-Krieg.

Am Flughafen in Ankara verabschiedeten Vertreter der türkischen Regierung, Diplomaten und religiöse Würdenträger den toten Botschafter. Karlows Witwe nahm unter Tränen Abschied von ihrem ermordeten Ehemann, wie im Fernsehen zu sehen war. Beim Weg zum Sarg, auf dem eine russische Flagge lag, wurde sie von ihrem Sohn begleitet.

Das russische Außenministerium warnte vor Reisen in das beliebte Urlaubsland Türkei. „Jeder sollte vor einer Türkeifahrt ernsthaft nachdenken, weil es dort fast täglich zu Terrorakten kommt“, sagte Vizeaußenminister Oleg Syromolotow. Ähnlich äußerte sich der Chef des außenpolitischen Ausschusses im Föderationsrat, Konstantin Kossatschjow. Es gebe „eine Reihe kritischer Fragen“ an Ankara.