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Panorama

„Habe niemandem ins Gesicht gespuckt“: Abgeschobener Familienvater wirft türkischen Medien Lüge vor

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Seit Tagen zieht der Fall der Familie Akyüz große Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem in der Türkei wird über die vermeintliche „Heldentat“ des Familienvaters und über Rassismus in Deutschland gesprochen. Doch die Aussagen sind sehr zweifelhaft und die Abschiebung scheint einen Hintergrund zu haben, der weiter zurückliegt als gedacht.  

In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember wird eine siebenköpfige Familie aus dem hessischen Ort Sontra in die Türkei abgeschoben. Die Familie beklagt, die Abschiebung sei für sie unerwartet gekommen und nicht nachvollziehbar. Der Vater der Familie, Mahmut Akyüz, erhebt in Interviews mit türkischen und deutschen Medien schwere Vorwürfe gegen die Polizei: „Man hat uns behandelt wie Terroristen“. Die Polizei sei brutal vorgegangen. Die örtliche Polizei hingegen verteidigt ihr Vorgehen. Man habe die Haus- und Wohnungstür aufgebrochen, um das Antreffen der Familie sicherzustellen. Der nächtliche Einsatz hänge von der Abflugzeit ab. Die Familie berichtet außerdem, dass Vater Akyüz gefesselt worden sei. Auch der 18-jährige Sohn sei im Auto mit Kabelbindern gefesselt worden. Der Mutter sollen am Frankfurter Flughafen sogar Fußfesseln angelegt worden sein. In all dem sehen einige türkische Medien Rassismus gegenüber Türkeistämmigen.

Abschiebung mit Fragezeichen

Die Abschiebung der Familie Akyüz und deren Aussagen werfen allerdings viele Fragezeichen auf. Zumal Familienvater Mahmut Akyüz seit mehr als 30 Jahren in Sontra lebt und die Kinder dort geboren und aufgewachsen sind. Noch kurioser wird der Fall, wenn man sich die Aussagen des Mannes über die vermeintlichen Gründe der Abschiebung zu Gemüte führt. Der türkischen regierungsnahen Zeitung „Yeni Şafak“ soll Akyüz gesagt haben, er arbeite als Gerichtsdolmetscher. Dort habe es einen Vorfall gegeben, bei dem er angeblich seine Vaterlandsliebe beweisen wollte: „Ich sollte für einen türkischen Asylbewerber dolmetschen. Dieser Asylbewerber, dessen Aussagen mich vermuten ließen, er sei ein Anhänger der Gülen-Bewegung, beschuldigte unseren Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und die Türkei. Daraufhin habe ich ihm gesagt, er lüge und schäme sich dafür nicht einmal. Dann spuckte ich ihm ins Gesicht.“ Das sei zum Problem geworden. Er sei bereits vorher wegen seiner Liebe zur Türkei ermahnt worden, da er unter anderem bei Fußball-Begegnungen der Türkei große türkische Flaggen an seinem Haus angebracht habe. Die Türken in Deutschland seien einem „unglaublichen Druck ausgesetzt“, so wird Akyüz wenigstens in der „Yeni Şafak“ zitiert.

Vater Akyüz: „Ich bin kein Betrüger“

In einem Youtube-Gespräch am Donnerstag mit dem ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten und Juristen Memet Kılıç bestritt Mahmut Akyüz nun diese Aussagen. Entgegen aller Berichte sagt Akyüz, er habe keine politische Meinung und sei neutral. Auch die vermeintliche Tat vor Gericht verwies er ins Reich der Fabeln. „Sie (Reporter von Yeni Şafak, Anm. d. Red.) haben das übertrieben“, so Akyüz. „So etwas gab es nicht. Nach der Abschiebung war ich nicht klar im Kopf. Sie haben das Thema angesprochen und ich war in dem Moment wütend. Das, was die berichten, das stimmt nicht.“

Akyüz bereut vermeintliche Tat nicht

In einem anderen Interview bittet Akyüz den türkischen Präsident um Unterstützung und sagt, er bereue seine Tat nicht und würde sie wiederholen, falls es für sein Land nötig sei. Doch ob die Familie tatsächlich aufgrund dieser einen vermeintlichen Tat vor Gericht abgeschoben wurde, ist sehr zweifelhaft und klingt eher unwahrscheinlich. Eine Erklärung der Behörden bestätigt das. Laut dem Regierungspräsidium Kassel hätte die Familie schon 2009 abgeschoben werden müssen. Mahmut Akyüz habe sich geweigert, die Kinder beim türkischen Generalkonsulat zu registrieren, weshalb sich die Abschiebung immer wieder verzögert habe. In einer Antwort auf eine Presseanfrage begründet das Regierungspräsidium die Abschiebung damit, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise „ungenutzt verstrichen“ sei. Die Familie sei schon lange darüber informiert gewesen. Diese bestreitet aber, die entsprechenden Schreiben erhalten zu haben. Ein Sprecher des Werra-Meißner-Kreis bestätigte laut dem Magazin „Focus“, dass diese Briefe erst während des Abschiebungsprozesses ausgehändigt würden.

Vater Akyüz bereits 1996 abgeschoben

Der Familienvater selbst hätte laut den Behörden sogar viel früher ausreisen müssen. Er sei bereits 1996 in die Türkei abgeschoben worden und kurze Zeit später zurückgekehrt. Dabei habe er angegeben, er sei in der Türkei gefoltert worden. Ein ärztliches Gutachten habe dies aber widerlegt, weshalb er von 1999 bis 2008 diverse Ausreiseaufforderungen erhalten haben soll. Doch das ist nicht alles. Akyüz soll eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde bedroht und eine Morddrohung ausgesprochen haben. „Zahlreiche verbale Entgleisungen und Drohungen gegen Mitarbeiter sind amtlich dokumentiert. Hinzu kommt, dass er mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und auch verurteilt wurde (z.B. wegen Betrug, Nötigung und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten)“, heißt es aus dem Regierungspräsidium Kassel.

Auch die Behauptung, er sei strafrechtlich in Erscheinung getreten, weist der Mann entschieden zurück. Er sei ein sauberer Mensch, liebe alle Menschen und habe keinen Betrug oder andere Straftaten begangen.

Spott in sozialen Netzwerken

Unter dem Strich steht fest: Die Familie will zurück nach Deutschland. Vor allem auch deshalb, weil die Kinder kaum Türkisch sprechen, wie in Videointerviews immer wieder festzustellen ist. Der Wille der Familie, nach Deutschland zurückkehren zu wollen, sorgt indes für Spott in den sozialen Netzwerken. „Wenn ihr euer Vaterland doch so sehr liebt und dort nicht gut behandelt werdet, dann bleibt doch einfach hier in der Türkei“, heißt es in Kommentaren zu der Familie. Freunde der Familie in Deutschland haben derweil eine Online-Petition gestartet, um eine Annullierung der Abschiebung zu bewirken.

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