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Politik

İhsanoğlu im Fernsehinterview: Der ungreifbare Gegenkandidat

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Am Donnerstagabend stellte sich der Oppositionskandidat Ekmeleddin İhsanoğlu erstmals den Fragen des CNN-Türk-Journalisten Taha Akyol. Dabei setzte er sich vor allem in Auftreten und Rhetorik deutlich von Premierminister Erdoğan ab. (Foto: zaman)

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Am Donnerstagabend stellte sich der Oppositionskandidat Ekmeleddin İhsanoğlu erstmals den Fragen des CNN-Türk-Journalisten Taha Akyol.
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Das erste große Interview des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Ekmeleddin İhsanoğlu mit dem prominenten türkischen Journalisten Taha Akyol auf CNN Türk am Donnerstagabend hat überwiegend positive Reaktionen ausgelöst.

Die Kandidatur des früheren Präsidenten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) zu den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in der Türkei am 10. August wird bis dato von den parlamentarischen Oppositionsparteien Cumhuriyet Halk Partisi (Republikanische Volkspartei; CHP) und Milliyetçi Hareket Partisi (Partei der Nationalen Bewegung; MHP) unterstützt. Auch die Demokratik Sol Parti (Demokratische Linkspartei; DSP), die Bağımsız Türkiye Partisi (Partei für eine unabhängige Türkei; BTP) und die Demokrat Parti (Demokratische Partei; DP) haben ihre offizielle Unterstützung für İhsanoğlu erklärt. Auch mit einer Unterstützung seitens der Saadet Partisi (Glückseligkeitspartei; SP) und der Büyük Birlik Partisi (Partei der Großen Einheit; BBP) für İhsanoğlu wird den jüngsten Äußerungen ihrer Spitzenfunktionäre zufolge gerechnet.

Was von politischen Kommentatoren und in sozialen Medien im Besonderen positiv beurteilt wurde, war das überaus moderate Auftreten des Kandidaten, der Untergriffe und abfällige Äußerungen gegenüber seinen Mitbewerbern unterließ – obwohl insbesondere aus dem politischen Lager von Premierminister Recep Tayyip Erdoğan, der als Favorit für die Präsidentschaftswahlen gilt, heftige Angriffe gekommen waren – unter anderem, İhsanoğlu wäre ein „Sohn Ägyptens“ oder eine „Marionette des Westens“. Erdoğan selbst bezeichnete İhsanoğlu am Donnerstag als „nichtpolitisches und antidemokratisches Element“ und rückte ihn so in die Nähe der Generäle, die in früheren Zeiten regelmäßig in den politischen Prozess im Lande interveniert hatten.

In der Sendung sprach İhsanoğlu unter anderem über seine eigene Kindheit, aber auch beispielsweise über die seiner Ansicht nach „fehlgeleitete“ Außenpolitik der Türkei, die dem Ansehen der Republik im Ausland geschadet und Zwietracht unter der Bevölkerung zu Hause geschürt habe.

„Islamische Welt darf nicht blind den Ideologen folgen“

İhsanoğlu wies im Gegenzug darauf hin, dass die türkische Regierung selbst ihr politisches Gewicht zu seinen Gunsten eingebracht hätte, als es darum ging, ihn 2005 zum Vorsitzenden der OIC zu wählen. Er betonte, „Meinungsverschiedenheiten“ seien in der Politik willkommen, aber nicht „Kämpfe“. İhsanoğlu beklagte eine gefährliche Polarisierung in der türkischen Politik, die sich in noch schlimmerer und radikalerer Weise auf die breitere türkische Bevölkerung auswirke.

İhsanoğlu betonte seine Herkunft aus einem konservativen und frommen Elternhaus und dass der von den Putschgenerälen 1960 abgesetzte und hingerichtete Premierminister Adnan Menderes seinem Vater den Vorsitz der Diyanet, der staatlichen Religionsbehörde in der Türkei, angeboten hätte.

Die Krise der islamischen Welt führte İhsanoğlu auf die ideologischen Spaltungen und den Mangel an rationalem Denken zurück. Sein Großvater, welcher der arabischen Sprache nicht mächtig war, hätte beim Anhören der Reden des nationalistischen ägyptischen Führers Gamal Abdal Nasser gedacht, dieser rezitiere den Koran und spreche über den islamischen Glauben – und wäre völlig niedergeschlagen gewesen, als man ihn darüber aufklärte, dass Nasser den Sozialismus predigte.

Nassers nationalistische Ideologie und ihre Verbreitung im arabischen Raum habe bis heute ihre negativen Auswirkungen auf die arabische Welt und den islamischen Raum insgesamt hinterlassen – darunter auch das Palästinenserproblem. Die Muslime müssten, so İhsanoğlu, das rationale Denken forcieren und nicht blind irgendwelchen Ideologen folgen.

Das erste große Interview des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Ekmeleddin İhsanoğlu mit dem prominenten türkischen Journalisten Taha Akyol auf CNN Türk am Donnerstagabend hat überwiegend positive Reaktionen ausgelöst. (dha)

„Türkische Position hat Lage in Ägypten verschärft“

İhsanoğlu betonte auch, die meisten muslimischen Länder hätten noch nie wirkliche Demokratie mit fundamentalen Rechten und grundlegenden Freiheiten erlebt. Dies habe zum „Arabischen Frühling“ geführt, den man besser als „Fall der arabischen Diktatoren“ bezeichnen solle. Dass die Türkei in den arabischen Konflikten einseitig Partei ergriffen hätte, wäre falsch gewesen und hätte ihren Interessen geschadet. Es dürfe kein Monopol bezüglich der außenpolitischen Optionen geben, die Türkei müsse in alle Richtungen gesprächsbereit bleiben.

Der Oppositionskandidat wies auch die Vorwürfe der türkischen Regierung zurück, er habe knieweich auf den Putsch gegen den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi reagiert. Die Position der türkischen Regierung habe, so İhsanoğlu, die Situation in Ägypten weiter verschärft und zu noch mehr Blutvergießen beigetragen. Die meisten arabischen Staaten hätten Putschgeneral al-Sisi umgehend beglückwünscht und er selbst als OIC-Präsident hätte nicht eigenmächtig über das gesamte Gremium hinweg handeln können. Er habe in einem schriftlichen Statement jedoch die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung gefordert.

İhsanoğlu schien es wichtig zu sein, deutlich zu machen, dass er den Putsch in Ägypten nicht unterstütze. Seine Erfahrungen unter Nasser hätten ihn gelehrt, welche negativen Konsequenzen so etwas habe. İhsanoğlu nannte Mursi einen „guten Freund“, der sogar das Vorwort zu einem seiner Bücher geschrieben habe. Im April vor dem Putsch hätte er mit Mursi in Anbetracht der ersten Massenunruhen darüber gesprochen, auf diese mit der Bildung einer Koalitionsregierung zu reagieren. Mursi hätte dies jedoch „irgendwie nicht transportieren können“.

Frauenrechte als Schwerpunktthema

In den internationalen Beziehungen sollte die etablierte diplomatische Sprache beibehalten werden. İhsanoğlu stimmte der von Interviewer Akyol geäußerten These zu, in der derzeitigen Situation der völligen Sprachlosigkeit hätte Ankara keinerlei Möglichkeit, auf Al-Sisi im Zusammenhang mit den Todesurteilen gegen die Muslimbrüder einzuwirken.

İhsanoğlu beklagte sich auch über die Situation von Frauen in vielen Teilen der islamischen Welt und kündigte an, sich sowohl in der Türkei als auch in der muslimischen Welt insgesamt für die Stärkung der Frauenrechte einsetzen zu wollen. Es könne nicht angehen, dass Frauen heute in Saudi-Arabien keine Fahrzeuge lenken dürften, obwohl sie zu Zeiten des Propheten Mohammad vor 14 Jahrhunderten sogar Kamelherden hüteten. Diese Verbote oder Praktiken wie die Genitalverstümmelung an kleinen Mädchen hätten nichts mit dem Islam zu tun. Es gebe sogar eine Fatwa der Al-Azhar-Universität, die diese Praktiken verdammt hätte.

İhsanoğlu sprach sich auch für die Fortführung des Friedensprozesses aus, um den Konflikt mit der terroristischen PKK zu beenden. Der Frieden sei immer besser als der Krieg, so der Kandidat. Allerdings müsse das Parlament dabei eingebunden werden. İhsanoğlu sprach sich auch für die Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit der EU aus.