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Politik

Die Wurzeln der Terrormiliz IS: Salafismus, Wahhabismus, Djihadismus

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Die Terrormiliz IS verbreitet durch ihre Brutalität und Kompromisslosigkeit Angst und Schrecken im Nahen Osten. Wo aber liegen ihre ideologischen Wurzeln? Wir analysieren die Wurzeln von Salafismus, Wahhabismus und Djihadismus. (Foto: rtr)

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Der Ursprung des Salafismus liegt historisch gesehen weit zurück. Er verfügt heute über eine große Anhängerschaft und vertritt in Bezug auf die Lösung der Probleme der Gegenwart folgende These: Die muslimischen Gesellschaften müssten zur Überwindung ihrer Probleme zu ihren Wurzeln zurückkehren. Zurück zur Entstehungszeit des Islam, als das Religionsverständnis noch nicht verdorben gewesen sei.

Zu den wichtigsten und einflussreichsten Vordenkern des Salafismus gehören Muḥammad ʿAbduh und Rašīd Riḍā aus dem 19. Jahrhundert. Sie sind die klassischen salafistischen Denker, die in der osmanisch-arabischen Kulturtradition groß geworden waren und der Vernunft einen zentralen Stellenwert in ihren Theorien geben. Das von ihnen vertretene Weltbild ist in Bezug auf den Westen sehr ambivalent. Politisch gesehen sind sie zwar anti-westlich, dennoch vertreten sie die Position, dass man vom Westen vieles übernehmen könne.

Die Gründung des saudischen Staates

Entscheidend für die Entstehung des Salafismus war die Gründung des saudischen Staates auf der arabischen Halbinsel. Dieser entstand im 18. Jahrhundert und stützt sich auf ein Bündnis zwischen Muḥammad ibn ʿAbd al-Wahhāb, Gründer des Wahhabismus und dem Stammesführer Muḥammad b. Saʿūd (Saud). Das Bündnis der beiden Persönlichkeiten sah vor, dass der Stammesfürst Saud als Gegenleistung für die Unterstützung der Herrschaft seiner Familie Abd al-Wahhāb versprach, die wahhabitische Lehre zu verbreiten. Diese Allianz besteht bis in die Gegenwart.

Die Vorgehensweise von Abdulaziz bin Abdullah aus der Saud-Familie bei der Gründung des saudischen Staates unterschied sich kaum von der des IS heute: Nach einem blutigen und gewaltsamen Kampf war er siegreich und brachte die kriegerischen arabischen Stämme unter seine Kontrolle. Die Staatsideologie des im Jahre 1932 gegründeten Königreichs war der Wahhabismus. Die Aufsicht über die zwei wichtigsten heiligsten Städte der Muslime, die Erschließung der reichsten Ölfelder der Welt und der massive Anstieg der Ölpreise nach 1973 wirkten sich zunehmend positiv auf den Einfluss sowohl des saudischen Staates als auch der wahhabitischen Ideologie in der Welt aus.

Der Wahhabismus entstammt der hanbalitischen Rechtsschule, die unter den Rechtsschulen für ihre strenge Auslegung bekannt ist. Doch gingen die Wahabbiten noch weiter. Nach dem wahhabitischen Dogma sind auch das Bauen von Kuppeln an Moscheebauten, das Verzieren des Moscheeinneren, die melodische Rezitation des Koran, das Beten bei Besuchen von Gräbern und Schreinen, der Vortrag von Mawlid, traditioneller Gedichte über den Propheten, und das Feiern der heiligen Nächte (Kandil) mit dem Islam nicht vereinbar. Sie sind zudem strikt gegen Sufismus und religiösen Orden.

Ideologie der Apostasie-Bezichtigung (takfir)

Schiiten werden der Apostasie beschuldigt. Muslime, die ihren Glauben anders als von den Wahhabiten vorgeschrieben auslegen, werden sehr schnell des Abfalls vom Glauben bezichtigt. Eine weitere Besonderheit des Wahhabismus ist es, dass er konkrete, die Praxis betreffende Themen in den Vordergrund stellt. Die Lehre, die abstrakte Fragen, wie z.B. die Entscheidungs- und Willensfreiheit und die Verantwortung des Menschen behandelt, ist hingegen nicht ausgeprägt.

Der Hauptunterschied des heutigen Salafismus zum klassischen Salafismus ist, den Offenbarungstext wortwörtlich zu nehmen. Bei der Auslegung spielen Vernunft und Logik eine untergeordnete Rolle. In der islamischen Geschichte hat sich kaum eine Bewegung schneller verbreitet als der Salafismus. Die salafistische Lehre geriet im 20. Jahrhundert zunehmend unter den Einfluss des Wahhabismus. Die salafistische Bewegung kann in drei Richtungen eingeteilt werden: Missions-Salafismus, politischer Salafismus und djihadistischer Salafismus.

Der Missions-Salafismus stellt die Hauptrichtung dar. Er steht für die Aneignung religiösen Wissens, stellt Erziehung und Reinigung in den Mittelpunkt und setzt auf Missionierung und Einladung als Mittel zur Verbreitung der Lehre. Er ist apolitisch und lehnt Gewalt als Mittel ab, ist jedoch nicht pazifistisch. Die gegebene gesellschaftspolitische Ordnung sieht diese Richtung als gegeben an und führt folglich keinen aktiven Kampf gegen sie. Wie während des Krieges in Afghanistan darf der Djihad nur auf Befehl eines Herrschers ausgerufen werden. Diese Hauptströmung des Salafismus steht auch aufgrund ihrer apolitischen Grundhaltung im Einklang mit den Interessen Saudi-Arabiens. Auch in Europa und in Deutschland sind die Missions-Salafisten unter den salafistischen Gruppierungen in der Mehrheit.

Die Geburtsstunde des djihadistischen Salafismus: Afghanistan

Die Geburtsstunde des djihadistischen Salafismus ist die Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion im Jahre 1979. Die USA und Saudi-Arabien einigten sich darauf, Salafisten im Krieg gegen die Sowjetunion einzusetzen. Zehntausende überwiegend saudische Mudschaheddin zogen in den Krieg. Das Geld und die Waffen kamen von der CIA, die Kämpfer und die Logistik von den Geheimdiensten Pakistans und Saudi-Arabiens.

Das Ziel der Amerikaner war es, der Sowjetunion den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Aus Sicht der Mudschaheddin jedoch war Afghanistan ein Versuchslabor für jedweden Kampf gegen eine ausländische Besatzungsmacht, die ein islamisches Land mit Gewalt unter ihre Herrschaft zu ziehen versucht. Einer der wichtigsten Akteure des afghanischen Djihads war der Palästinenser Scheich ʿAbdullāh Yūsuf ʿAzzām, der im Westen als „Vater des globalen Dschihads“ gesehen wird. ʿAzzām nahm persönlich an Kämpfen teil und schrieb zugleich unzählige Bücher.

ʿAzzām wurde für die Mudschaheddin zu einer Legende. Er war der alleinige Herausgeber der monatlich erscheinenden Zeitschrift Al-Djihad. Er gab mit der folgenden Auslegung über den Djihad dem Salafismus eine neue Richtung: Falls ein muslimisches Land besetzt werde und dessen Bevölkerung aus eigener Kraft nicht in der Lage sei, sich zu verteidigen, sei die Teilnahme am Djihad für alle Muslime in der Welt Pflicht. Einschließlich Palästinas sollten alle besetzten muslimischen Länder auf diesem Wege befreit werden. Diese Auslegung war eine revolutionäre Idee und besiegelte zugleich der Bruch des djihadistischen Salafismus mit dem Dogma des Wahhabismus. Nun brauchte man für die Legitimation des Djihads nicht mehr den Befehl eines Herrschers.

Der Artikel wurde auf Grundlage von Haluk Özdalgas Analyse zum IS erstellt. Özdalga ist parteiloser Abgeordneter im türkischen Parlament. Hier geht’s zu Teil zwei.