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Geschichte

Al Andalus: Der islamische Staat in Europa

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Mit dem, was sich heute so nennt, hat Al Andalus nichts gemein: Es war ein islamischer Staat auf dem Gebiet der iberischen Halbinsel, welcher mit seiner Toleranz und Gleichberechtigung für alle Religionen bekannt wurde. (Foto: A.Akgül / zaman)

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Vom Jahre 711, als der Feldherr Tariq ibn Ziyad über die Meerenge Gibraltar, welche nach ihm benannt werden sollte, gesegelt war und in wenigen Jahren fast die ganze iberische Halbinsel erobert hatte, bis 1492 beherrschten Muslime große Teile des heutigen Spaniens. In dieser Phase der Geschichte wird im Großen und Ganzen von einem friedlichen Zusammenleben der drei Weltreligionen gesprochen.

Es gab aber auch Ausnahmen, wie zum Beispiel in instabilen Zeiten, etwa als die Almohaden in das muslimische Spanien eindrangen und jüdische Gemeinden verfolgten. Moses Maimonides, ein wichtiger jüdischer Philosoph, Rechtsgelehrter und Arzt, musste auch aus diesem Grund seine Heimatstadt Cordoba, die Hauptstadt von Al Andalus, verlassen. Dennoch ist und bleibt Al Andalus weitestgehend ein glanzvolles Beispiel für den Zusammenhalt der drei Weltreligionen. Denn nur dank der gerechten Regierung in Al Andalus konnten nichtmuslimische Gelehrte wie Maimonides überhaupt ausgebildet werden.

Die Verhältnisse nach der Eroberung

Nachdem die Halbinsel von Muslimen erobert worden war, bekamen Nichtmuslime den Status „Dhimmi“, das bedeutet Bürger und Schutzbefohlener des islamischen Staates. Sie erhielten das Recht, die eigene Religion weiterhin auszuüben und ein eigenes Gemeinderecht für innergemeindliche Angelegenheiten, weil das islamische Recht dies vorschrieb. Dies kam am meisten den Juden zupass, da man sie vor der Präsenz der Muslime in Spanien unter Strafandrohung und Gewalt zum christlichen Glauben zu bekehren versuchte. Aber auch der christliche Teil der Bevölkerung konnte sich mit dem neuen Herrschaftssystem identifizieren: Das beste Beispiel hierfür sind die Mozaraber – Christen, die die arabische Sprache und Kultur angenommen hatten.

Von 756 bis 1030 herrschten die Omayyaden in Al Andalus. Zunächst wurde das Reich als Emirat von Cordoba bezeichnet (bis 929). Auch die berühmte Moschee von Cordoba wurde in diesen Jahren (785 unter Abd ar-Rahman I.) erbaut. Mit Abd ar-Rahman III. wurde das Reich zum Kalifat von Cordoba umbenannt, da der neue Sultan die Wiederherstellung der Eintracht im Land einleiten konnte, indem er die seit der Gründung des Reiches andauernden Widerstände beendete. So nahm er denn auch 929 den Titel eines Kalifen an.

In den nächsten 80 Jahren erlebte das Reich seine Blütezeit. Zu dieser Zeit galt Cordoba als Heimat hoher wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit und hatte über eine halbe Million Einwohner (heute ca. 325 000). Es gab viele Schulen, öffentliche Bäder, Krankenhäuser und Bibliotheken. In diesen Bibliotheken fand man hunderttausende Schriften. Wenn man diese Bibliotheken mit der Bibliothek des Klosters St. Gallen vergleicht (etwa 600 Bücher), einer der größten Bibliotheken zur damaliger Zeit von Mitteleuropa, sieht man deutlich den Niveauunterschied.

Das enorme Wissen der Muslime in Spanien

Sultan Abd ar-Rahman II. förderte Gelehrte und ließ mehrere Bücher schreiben. Auch die darauffolgenden ommayyadischen Sultane pflegten die Bibliotheken des Reiches. Allein in der Palastbibliothek waren den heute zugänglichen Quellen zufolge ca. 400 000 Bücher zu finden, in Granada gab es 70 Bibliotheken. Im Laufe der Jahre, als die Sonne des Islam in Westeuropa unterging, wurden viele Bücher von Berbern verkauft und später von Spaniern teilweise verbrannt. Viele dieser Bücher waren aber auch eine große Hilfe für die später entstandene Renaissance in Europa.

In der Landwirtschaft machte die Bewässerungtechnik der Muslime das brachliegende Land fruchtbar. Neue Früchte aus dem Orient, wie etwa Orangen oder Datteln, wurden ins Land importiert. In Al Andalus wurden beispielsweise Leder, Papier und Keramik produziert, die im christlichen Europa als Luxusgüter galten. Die Straßenbeleuchtung hier, welche für uns heutzutage als selbstverständlich erscheint, war für die damaligen europäischen Reisenden etwas Unbekanntes. Ebenso die Ausstattung der Wohnhäuser mit fließendem Wasser.

Die Gelehrten von Al Andalus

Diese offene islamische Einstellung zur Wissenschaft brachte neben islamischen Gelehrten auch nichtmuslimische Wissenschaftler hervor.

Ibn Rüsd

Averroës (arab. Ibn Rushd) war ein arabischer Philosoph und Arzt, der auch in Raphaels Werk „Die Schule von Athen” zu erkennen ist. Er symbolisiert in diesem Bild den islamischen Einfluss auf die Renaissance.

Muhyiddin Ibn Arabi, einer der bekanntesten Sufis, wurde als „der größte Meister” (lat. Magister Magnus) bezeichnet, da er einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Sufismus hatte.

Abbas ibn Firnas entwickelte ein Verfahren zur Herstellung farblosen Glases für Sehhilfen. Der andalusische Dichter und Gelehrte ist jedoch am meisten für seinen Flugapparat bekannt, mit dem er im 9. Jahrhundert von einem Hügel in Cordoba über mehrere hundert Meter flog.

Chasdai ibn Schaprut war der Wesir und persönliche Arzt des ersten Khalifen Abd ar-Rahman III. Er war jüdischer Abstammung und konnte vier Sprachen sprechen. Außerdem übersetzte er verschiedene Werke ins Arabische.

Dschabir ibn Aflah war ein bedeutender Astronom und Mathematiker, der latinisiert Geber Hispalensis heißt. Seine Werke waren für die Weiterentwicklung der Mathematik in Europa von großer Bedeutung.

Die Eintracht der Muslime schwindet; die Reconquista übernimmt die Kontrolle

Nachdem die ommayyadische Dynastie am Anfang 11. Jahrhunderts durch Aufstände und Widerstände im eigenen Land geschwächt worden war, verloren die Muslime in Spanien an Boden. Die Emire erklärten nach und nach ihre Unabhängigkeit, obwohl sie im Rahmen einer Zusammenkunft bei dem Kalifen in Cordoba zunächst einsahen, dass diese Entwicklung nicht dem Wohle des Islam dient.

So fingen die muslimischen so genannten Taifa-Königreiche an, einander zu bekriegen. Im Jahre 1085 errang die Reconquista ihren ersten großen Erfolg, indem sie Toledo einnahm. Dies war eine große Niederlage für die Muslime. Aufgrund der Verluste der Christen im „Heiligen Land” konzentrierten sich die Kreuzritter auf Anweisung des Papstes Innozenz III. auf das muslimische Spanien. 1236 verloren die Muslime Cordoba, zwei Jahre später Valencia und im Jahre 1248 auch Sevilla.

An der Südküste Spaniens blieb Granada als einzige Region der Muslime bis zum 15. Jahrhundert erhalten, in der man auch heute noch die prachtvolle Alhambra besichtigen kann. Die beiden größten christlichen Reiche in Spanien vereinten sich, Kastilien und Aragon, und zwar durch die Ehe zwischen Ferdinand II. von Aragon und Isabella I. von Kastilien. In den schon eroberten Gebieten übte man großen Druck auf die muslimische und jüdische Bevölkerung aus. So wurde durch Papst Sixtus IV. 1480 die Inquisition, die sich gegen falsche Konvertiten richten sollte, ins Leben gerufen. Nach mehreren Jahren des Krieges ergab sich das islamische Granada letztlich im Jahre 1492.