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Kultur/Religion

Filmfestival in Istanbul geht mit Rumpfprogramm vonstatten

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Die Filmfestival-Leitung von Istanbul wittert „Zensur“, das Ministerium von einem inszenierten Skandal: Am Ende wird es nur ein Rumpfprogramm geben. Zankapfel ist ein Schreiben über die Registrierungspflicht türkischer Filme.

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Bakur der Film
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Die Leitung des 34. Filmfestivals von Istanbul hat am Montag angekündigt, dass die Ausstrahlung eines Großteils der Filme, die in den Kategorien Film/National, Dokumentation National, Internationale Wertung, Kino und Menschenrechte, „außer Konkurrenz“ und Neues Türkisches Kino unterbleiben werde. Auch die Wettbewerbe Goldene Tulpe national und international, der Dokumentationswettbewerb und die Schlusszeremonie seien gestrichen worden.

Die Initiatoren werfen dem türkischen Kulturministerium „Zensur“ vor, nachdem dieses interveniert hatte, um die Ausstrahlung eines Films über die terroristische Kurdische Arbeiterpartei (PKK) zu kurz vor dessen geplanter Vorführung zu verhindern.

Der Film „Bakur“ („Norden“) von Çayan Demirel und Ertuğrul Mavioğlu zeigt das tägliche Leben von PKK-Mitgliedern und beinhaltet unter anderem auch Interviews mit altgedienten Führungskadern, darunter den Kommandanten der PKK im Irak, Cemil Bayık.

In einer Erklärung gibt die Istanbuler Vereinigung für Kultur und Kunst (İKSV), die das Festival organisiert hat, an, man habe ein offizielles Schreiben des Kulturministeriums erhalten, in dem es heiße, dass Filme, die in der Türkei produziert worden wären, ein offizielles Registrierungszertifikat benötigten, um im Rahmen von Festivals aufgeführt werden zu dürfen.

Dem Statut zufolge verlange die Teilnahme an einem Filmfestival, dass „Filme im Land registriert und aufgenommen“ worden seien. Ansonsten würde die Ausstrahlung von Filmen, die in der Türkei produziert wurden, rechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

„Deshalb wird es nicht möglich sein, im Rahmen des Filmfestivals von Istanbul Filme zu zeigen, die über das erwähnte Zertifikat nicht verfügen“, heißt es in der Erklärung und es wurde hinzugefügt, dass man eine allfällige künftige Vorführung des Films ankündigen werde, sobald dieser mit dem erforderlichen Registrierungszertifikat ausgestattet sein würde.

Filmfestival-Leitung hält Satzung für Inländerdiskriminierung

Ausländische Filme würden diesen Einschränkungen nicht unterliegen. Die Initiatoren des Filmfestivals sehen darin einen klaren Fall von Inländerdiskriminierung und verlangen, dass diese Ausnahme auf in der Türkei produzierte Filme ausgeweitet werde. Um diese Forderung zu untermauern, habe die Leitung des Festivals bereits zahlreiche Gespräche geführt, heißt es in der Erklärung weiter, und man werde damit fortfahren. „Wie dem auch sei: Das Statut, das ein Registrierungszertifikat vorsieht, ist immer noch in Kraft. Deshalb brauchen andere in der Türkei produzierte Filme dieses Zertifikat, um gesendet werden zu können.“ Aus diesem Grund entschloss sich die Festivalleitung, alle nicht mit dem Zertifikat ausgestatteten Filme aus dem Programm zu nehmen – obwohl bis heute eine ganze Reihe türkischer Filme bereits unbeanstandet im Rahmen von Festivals gezeigt worden waren, die nicht dieses Registrierungsverfahren durchlaufen hatten.

Die Produktionsfirma des Films, Surela Film Production, wittert „offene Zensur“ hinter den Zertifizierungsvorschriften und dem vermeintlich plötzlich erwachten Behördeninteresse an der Einhaltung dieser sonst weitgehend unbeachteten Bestimmung.

„Wir können diese Prohibitionspraktiken nicht akzeptieren, die die Rechte und Freiheiten von Filmemachern verletzen und trotz unserer Einsprüche immer weitergehen“, heißt es in einem Statement auf ihrer Webseite.

Solidaritätsaktion weiterer Filmemacher

In Reaktion auf die Streichung des Films „Bakur“ wurde ein Treffen türkischer Filmemacher organisiert, in dessen Rahmen über das weitere Schicksal der übrigen, noch im Festival verbliebenen Beiträge diskutiert wurde. In Solidarität mit den Machern von „Bakur“ entschlossen sich auch die Regisseure und Produzenten der Filme „Nefesim Kesilene Kadar“ („Bis ich meinen Atem verliere“) und „Homo Politicus“ dazu, ihre Filme aus dem Festivalprogramm zurückzuziehen.

In weiterer Folge folgten auch die meisten anderen Filmemacher ihrem Beispiel. Außerdem unterfertigten mehr als 100 türkische Filmemacher, darunter Nuri Bilge Ceylan, der Gewinner der Goldenen Palme von Cannes, am 12. April einen Protestbrief, in dem sie von „Zensur“ im Rahmen des Festivals sprachen.

Diskussionen statt Filme in Istanbul

Einen Tag später gab die Leitung des Festivals eine Pressekonferenz und erklärte dort, die Produzenten einer Mehrheit der Beiträge in sechs unterschiedlichen Kategorien hätten ihren kompletten Rückzug erklärt. Deshalb werde das Festival mit einem Rumpfprogramm weitergeführt. Allerdings lud man die Vertreter derjenigen Produzentenfirmen, die sich zurückgezogen hatten, dazu ein, an den ursprünglich für die Vorführung ihrer Beiträge vorgesehenen Stätten für Diskussionsveranstaltungen zur Verfügung zu stehen.

Das Kultur- und Tourismusministerium erklärte, es habe sich bei dem Schreiben lediglich um eine „informative“ Nachricht gehandelt und sie wäre nicht im zeitlichen Umfeld des Festivals, sondern bereits am 9. Januar 2014 an das Festivalkomitee geschickt worden.

„Das Festivalkomitee hat ein altes Schreiben jüngst veröffentlicht, um den Eindruck zu erwecken, das Ministerium sei eine ‚Zensurbehörde‘. Das ist, um es vorsichtig auszudrücken, eine unrichtige Darstellung“, heißt es seitens des Ministeriums.