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Gesellschaft

Bringt Berliner Juristin Betül Ulusoy das Kopftuchverbot zu Fall?

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Die Verwaltung in Berlin-Neukölln will der Juristin Betül Ulusoy wegen ihres Kopftuchs das Rechtsreferendariat verweigern. Vor dem Hintergrund des Kopftuchurteils des BVerfG vom März könnte dies in einer Blamage enden. (Foto: screenshot/rbb)

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Dem langjährigen früheren britischen Premierminister Winston Churchill wird der Satz zugeschrieben: „Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die ungleichmäßige Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: Die gleichmäßige Verteilung des Elends.“

Die Väter des Berliner Neutralitätsgesetzes schienen im Sinne gehabt zu haben, diesen eigentlich auf den materiellen Besitz gemünzten Grundsatz auf die geistige Welt auszuweiten, als sie dieses auf den Weg brachten, frei nach dem Motto: Da nicht jeder eine religiöse Überzeugung besitzt und deshalb die damit verbundenen Annehmlichkeiten für sich beanspruchen kann, solle es, um Ungleichheiten zu vermeiden, keinem gestattet sein, diese öffentlich zur Schau zu stellen.

Offiziell begründet das Gesetz seine Anordnung, wonach Lehrerinnen, Polizistinnen und Richterinnen im Dienst keine politischen oder religiösen Symbole wie ein Kopftuch tragen dürfen, damit, dass dies angeblich die Neutralität von Amtsträgern gegenüber den Bürgern in Frage stelle – und dies, obwohl in weiten Teilen Berlins Kopftücher seit Jahrzehnten zum alltäglichen Stadtbild gehören.

Die Juristin Betül Ulusoy, die bereits für den Staatsschutz tätig war und unter anderem auch als Bloggerin eine große Fangemeinde besitzt, soll nun nicht in der Bezirksverwaltung Berlin-Neukölln arbeiten dürfen, weil sie darauf besteht, ihre religiösen Rechte auch im Dienst auszuüben.

Sie hatte sich als Rechtsrefendarin für eine Station im Bezirksamt Neukölln beworben. Nach eigener Aussage hatte sie bereits eine telefonische Zusage, die jedoch zurückgezogen wurde, nachdem sie selbst vorstellig geworden war.

#schauhin, wenn du als Rechtsreferendarin eine Station in der Verwaltung machen m u s s t, dir eine Stelle im Bezirksamt…

Posted by Betül Ulusoy on Mittwoch, 3. Juni 2015

Bezirksbürgermeister in Neukölln verhalten sich selbst nicht neutral

Dass sich ausgerechnet die Neuköllner Verwaltung auf eine Pflicht zur religiösen Neutralität ihrer Beamten beruft, könnte für sich alleine bereits im konkreten Fall eine Verletzung des mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG einhergehenden Willkürverbots darstellen, da vor dem Hintergrund des wiederholten öffentlichen Auftretens führender Amtsträger der dortigen Bezirksverwaltung eine solche Bezugnahme möglicherweise als rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden könnte.

Es stellt sich nämlich die Frage, ob nicht angesichts der bereits seit Langem bekannten Tätigkeit des langjährigen Neuköllner Bezirksbürgermeisters als nebenberuflicher Journalist und Buchautor, die wiederholt mit abschätzigen und pauschalisierenden Äußerungen über den Islam in der Öffentlichkeit verbunden war, sowie durch öffentliche herabwürdigende Äußerungen seiner Nachfolgerin im Amt, Franziska Giffey, über das Kopftuch die Bezirksverwaltung Neukölln als solche bereits in zurechenbarer Weise seine Neutralitätspflicht verletzt hat.

Buschkowsky und Giffey üben Richterschelte

Im März hat das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Lehrerin deutlich gemacht, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen mit der Verfassung nicht zu vereinbaren sei. Buschkowsky und Giffey reagierten auf dieses Urteil des Höchstgerichtes mit Richterschelte und zeigten sich uneinsichtig.

Im Interview mit der rbb Abendschau zeigte sich Betül Ulusoy entschlossen, die Bezirksverwaltung notfalls mit einem Prozess durch alle Instanzen die Grenzen aufzuzeigen. Die Rechtslage, so Ulusoy, sei eindeutig auf ihrer Seite. Das Rechtsrefendariat und auch die Verwaltungsstation, die sie in Neukölln absolvieren wollte, gehören zu ihrer Jura-Ausbildung. „Würde mir das verweigert werden, käme das einem Berufsverbot gleich“, so die angehende Juristin.

Bezirksamt prüft den Fall der Juristin noch einmal

Betül Ulusoy trägt das Kopftuch nach eigener Aussage nicht nur aus religiösen, sondern auch aus emanzipatorischen Gründen. Es sei für sie ein Weg, der Reduzierung der Frau auf ihren Körper etwas entgegenzusetzen.

Neutralität sei in dem Sinne auszulegen, dass jedem sein Recht gewährt werden müsste, also auch einer Kopftuch tragenden Frau. Religiöse Neutralität des Staates darf verlangen, dass Amtsträger ihr Amt nach säkularen Maßstäben ausüben, nicht aber einen „säkularen Menschen“ als Amtsträger zu verlangen.

Das Bezirksamt wird sich kommenden Dienstag nochmal mit ihrer Personalie beschäftigen. Sollte sich die Verwaltung stur stellen, riskiert sie eine Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht.

Ulusoy wirbt um Unterstützung und Wortmeldungen. „Es wäre wunderbar, wenn Stellungnahmen geschrieben würden, die dann an das Bezirksamt Neukölln geschickt werden. Bringt euch in die Debatte mit ein!“, rief sie via Facebook auf. Mails können an [email protected] gerichtet werden, auf dem Postweg wäre die Anschrift Dr. Franziska Giffey, Karl-Marx-Str. 83, 12040 Berlin.