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Politik

Große Nationalversammlung tritt zusammen, um ihren neuen Präsidenten zu wählen

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Nachdem die AKP in den letzten 13 Jahren jedes Mal eine Mehrheit hatte, die komfortabel genug war, um ihre Kandidaten durchzuwinken, ist dieses Mal davon auszugehen, dass die Nationalversammlung ein Konsens eingehen wird.

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Türkisches Parlament
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In Ankara ist heute um 15 Uhr Ortszeit das frisch vereidigte Parlament zusammengetreten, um seinen 26. Parlamentspräsidenten zu wählen. Die Liste der Kandidaten ist interessant, insbesondere weil sie Rückschlüsse auf eventuelle taktische Manöver der Parteien zulässt.

Für die CHP tritt ihr ehemaliger Vorsitzender Deniz Baykal an, der momentan bereits übergangsweise das Amt des Parlamentspräsidenten ausübt, da er der älteste Abgeordnete ist. Darüber hinaus wird er die Wahlprozedur leiten. Für Verwirrung hat in diesem Zusammenhang seine gestrige Aussage geführt, wonach er seine Stimme nicht abgeben will, selbst wenn er die Wahl dadurch wegen einer einzigen Stimme verliert. Weder die Geschäftsordnung des Parlaments, noch irgendein Gesetz verbieten es dem Übergangspräsidenten, der die Wahlen leitet, zu kandidieren oder seine Stimme abzugeben, weswegen ein politisches Manöver dahinter zu stehen scheint.

Im Gegensatz zu Baykal, der freiwillig auf sein Recht zu verzichten scheint, steht der AKP-Kandidat momentan in der Kritik, weil er sein Recht mehr ausnutzt, als es manchem lieb ist. Die Regierungspartei entsendet den momentanen Verteidigungsminister İsmet Yılmaz ins Rennen. Er wird von Seiten der CHP dafür kritisiert, dass er seinen Ministerposten vor Antritt der Kandidatur nicht niedergelegt hat. Es gibt zwar keine rechtliche Handhabe, doch es sei eine Frage der politischen Moral, so der stellvertretende CHP-Fraktionsvorsitzende Levent Gök, dass er als eines der höchsten Mitglieder der Exekutive sein Amt niederlege, bevor er sich auf das höchste Amt der Legislative bewerbe.

Die MHP setzt erneut auf das vertraute Gesicht von Ekmeleddin İhsanoğlu, der sowohl einer ihrer prominentesten Kandidaten bei der Parlamentswahl war, als auch bereits im letzten Jahr als gemeinsamer Kandidat von CHP und MHP mit Recep Tayyip Erdoğan um das Präsidentenamt gebuhlt hat.

Die HDP wiederum schickt eine der interessantesten politischen Figuren ins Rennen, die sie hat. Der kurdische Politiker Dengir Mir Mehmet Fırat gilt als ein Querfrontkandidat der Partei, da er auch für konservativere Abgeordnete wählbar ist. Fırat ist Mitbegründer der Regierungspartei AKP, hat diese aber Anfang 2014 nach dem Korruptionsskandal um die Regierung verlassen und ist bei den Parlamentswahlen für die HDP angetreten.

Die Wahl wird in bis zu vier Runden abgehalten, von denen die ersten beiden heute, die anderen beiden morgen stattfinden. Für den Sieg in den ersten beiden Wahlrunden ist eine Zweidrittelmehrheit von 367 Stimmen notwendig. Da diese voraussichtlich keiner der vier Kandidaten auf sich wird vereinen können, ist davon auszugehen, dass das Parlament morgen erneut zusammentreten wird. Dann wird in der dritten Wahlrunde eine absolute Mehrheit von 276 Stimmen benötigt, die allerdings auch nur sehr schwer erreichbar sein wird. In der vierten Runde wiederum treten dann nur die zwei Kandidaten gegeneinander an, die die meisten Stimmen erhalten haben.

Nachdem die AKP in den letzten 13 Jahren jedes Mal eine Mehrheit hatte, die komfortabel genug war, um ihre Kandidaten durchzuwinken, ist dieses Mal davon auszugehen, dass von der Wahl des Parlamentspräsidenten und noch viel mehr von den vorhergehenden Verhandlungen, wichtige Signale und Impulse in Richtung Koalitionsbildung ausgehen werden.