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EURO2024

Demiral-Wolfsgruß weitet sich zur diplomatischen Krise aus

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Ein Teilnehmer einer pro-türkischen Demonstration formt mit seiner Hand den "Wolfsgruß". Foto: picture alliance / dpa
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Der türkische Nationalspieler Demiral zeigt den sogenannten Wolfsgruß bei der Fußball-EM und zieht damit Kritik auf sich. Nun hat der Torjubel politische Konsequenzen.

Nach der teils scharfen Kritik am Torjubel des türkischen Fußball-Nationalspielers Merih Demiral bei der EM hat die Türkei am Mittwochabend den deutschen Botschafter einbestellt. Das bestätigte das Auswärtige Amt der Deutschen Presse-Agentur. Demiral hatte am Dienstag beim 2:1 im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Tor in Leipzig den sogenannten Wolfsgruß gezeigt, den auch eine rechtsextremistische Bewegung in der Türkei nutzt. Unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) kritisierte dies scharf. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen“, erklärte sie.

Der 26 Jahre alte Demiral hatte mit beiden Händen das Zeichen und Symbol der „Grauen Wölfe“ geformt. Als Graue Wölfe werden die Anhänger der rechtsextremistischen „Ülkücü-Bewegung“ bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Die Europäische Fußball-Union UEFA leitete ein Untersuchungsverfahren gegen Demiral ein. Laut ersten Medienberichten steht bereits das Ergebnis fest: Demnach werde der Abwehrspieler für zwei Spiele aus dem Verkehr gezogen. Damit würde er der Türkei nicht nur am Samstag gegen Holland fehlen, sondern auch in einem möglichen Halbfinale. Der türkische Fußballverband dementierte das. Mit einem Urteil sei erst am Freitag zu rechnen.

Türkisches Außenministerium verteidigt Demiral

Aus seinem Heimatland erhielt Demiral dagegen auch Rückendeckung. Der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, bezeichnete die Einleitung eines Verfahrens der UEFA gegen den Spieler als „Provokation“. Der Schritt sei „äußerst voreingenommen und falsch“. Die UEFA springe damit auf „den Zug des Übels“ derer auf, „die den Türken und der Türkei offensichtlich feindlich gesinnt sind“.

Das türkische Außenministerium bezeichnete die Untersuchung als inakzeptabel. Nicht jede Person, die das Zeichen der Grauen Wölfe zeige, könne als rechtsextremistisch bezeichnet werden, hieß es. Der Wolfsgruß sei in Deutschland zudem nicht verboten und die Reaktionen der deutschen Behörden „ausländerfeindlich“. Als Reaktion bestellte das Auswärtige Amt heute den türkischen Botschafter in Berlin ein. „Als Gastgeber der Euro 2024 wünschen wir uns, dass Sport verbindet“, hieß es in einem Beitrag auf X, in dem die Einbestellung bekanntgegeben wurde.

Merih Demiral und der Wolfsgruß: Was hat es damit eigentlich auf sich?

Ausgerechnet am 2. Juli

Der Torjubel erhielt aber nicht nur Zuspruch. So kritisierten Nutzer in den sozialen Medien, dass Demiral den Wolfsgruß ausgerechnet am Jahrestag des Sivas-Massakers zeigte. Vor 30 Jahren hatte ein von religiösen Extremisten aufgehetzter Mob ein Hotel im Stadtzentrum von Sivas in Brand gesteckt, in dem sich hauptsächlich alevitische Schriftsteller, Sänger und Intellektuelle aufhielten. 37 Menschen starben in den Flammen. Auch damals war der Wolfsgruß gezeigt worden, wie auf Video- und Bildaufnahmen zu sehen ist.

Der bekannte Exiljournalist Can Dündar schrieb auf X, Demiral habe mit seiner Aktion die Freude über den 2:1-Sieg gegen Österreich zunichte gemacht. Demiral legte übrigens wenige Stunden nach dem Spiel nach und schrieb auf Instagram: „Wie schön für jeden, der sich Türke nennen darf.“ Ein bekannter Leitsatz Atatürks, der in der Türkei nach wie vor oft zitiert wird.

Kommt Erdoğan zum Spiel?

Der Höhepunkt in dieser Krise scheint aber noch nicht erreicht: Unbestätigten Angaben zufolge will der türkische Präsident zum Holland-Spiel nach Berlin kommen und die Partie live verfolgen. Mehrere türkische Gruppierungen fordern die Fans unterdessen auf, im Stadion während der Nationalhymne den Wolfsgruß zu zeigen. Ob und wie die gesamte Debatte die Vorbereitungen der türkischen Nationalmannschaft auf die wichtige Begegnung beeinflusst, ist derzeit nicht bekannt. Das Trainerteam und die Spieler halten sich mit Äußerungen bislang zurück.

dpa/dtj