Gemeinwohl-Ökonomie auch ein Modell für Deutschland?

Der 1972 in Salzburg geborene Christian Felber rennt in Zeiten, in denen ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung Unzufriedenheit gegenüber dem Wirtschaftssystem äußern, immer wieder offene Türen. Als Gründungsmitglied von Attac Österreich, Initiator des Projektes „Demokratische Bank“ (nunmehr Projekt „Bank für Gemeinwohl“) und Vater des Begriffes „Gemeinwohl-Ökonomie“ trifft er den Nerv vieler Leute und ist Gast bei Stiftungen, politischen Parteien und Verbänden.
Der Homepage der Bewegung ecogood.org zufolge, die sich seiner Idee der „Gemeinwohl-Ökonomie“ verschrieben hat,hat Felber bereits 1686 Unternehmen aus 27 Staaten als Partner gefunden. Hinzu kommen 62 Politiker, 214 Vereine, Gemeinden, Universitäten und über 5791 Einzelpersonen, die diese Idee unterstützen oder dazu beitragen wollen.
An die 100 Gemeinden und Städte in Europa und Amerika zeigen Interesse und organisieren „kommunale Wirtschaftskonvente“. In Österreich gibt es bereits besonders viele Gemeinwohl-Unternehmen und in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg wird ein Masterstudiengang zur Gemeinwohl-Ökonomie erarbeitet. Südtirol überlegt, eine „Gemeinwohl-Ökonomie-Modellregion“ zu werden. In Deutschland und der Schweiz sind Regionalgruppen entstanden, die gut zusammenarbeiten und ihr „Energiefeld“ fortlaufend erweitern.
Unternehmen solle es „um die Förderung des Allgemeinwohls gehen und nicht um Profitmaximierung“, so lautet die Quintessenz hinter Felbers Idee. Seinem Modell zufolge sollen Unternehmen unter anderem eine „Gemeinwohlbilanz“ an die Stelle herkömmlicher Bilanzen setzen, die lediglich Aussagen über den finanziellen Gewinn geben.
An deren Stelle sollen „ethische“ Faktoren treten, etwa für erfolgreiche Gleichstellungsprogramme, besonders ansprechende Arbeitsmodelle oder gute Entlohnungen. Es soll zudem regional eingekauft werden, darüber hinaus sollten „unethische“ Beteiligungen gemieden werden, da es sonst Negativpunkte gäbe.
Der Staat soll „ethisches“ Verhalten belohnen
Darüber hinaus sollen Unternehmen mit positiven Gemeinwohl-Bilanzen für ihr Verhalten belohnt werden, weniger Steuern zahlen müssen, günstigere Kredite und Vorrang bei Forschungsaufträgen erhalten. Ökologische und regionale Produkte sollen günstiger werden.
Außerdem will man zum Zwecke der Stärkung der Gemeinwohlbilanz Überschüsse in soziale und ökologische Projekte investieren – dazu gehört die Forderung, dass die Steuer auf Unternehmensgewinne entfallen soll, wenn diese „sinnvoll“ eingesetzt werden.
Auch Obergrenzen für Managergehälter und Erbvermögen soll es geben. Felber regt auch an, Wirtschaftskonvente auf Bundes- und europäischer Ebene eine „Wirtschaftsverfassung” verabschieden, die Gemeinwohl als ihr oberstes Ziel festlegt.
Die Ideen sind nicht unbedingt neu. Viele Unternehmen verfügen heute schon über Richtlinien für Corporate Social Responsibility (CSR), man kann zwischen unterschiedlichsten Stromanbietern auswählen oder in Ethikfonds investieren.
Vor allem aber stellt sich die Frage, was die Anhänger dieser „Gemeinwohl-Ökonomie“ mit ihren Anliegen erreichen wollen. Es stehen keine gesetzlichen Hindernisse einem freiwilligen Zusammenschluss von Menschen entgegen, die sich in der Wirtschaft betätigen wollen und dabei Kooperationsmodelle, den gemeinsamen Einsatz für bestimmte ethische Anliegen praktizieren oder ein bestimmtes Image pflegen wollen. Gerade die Tatsache, dass Unzufriedenheit mit althergebrachten Modellen vorhanden ist, schafft auch mögliche Unterstützer.
Willkür auf Grund subjektiver Wertmaßstäbe?
Am Ende aber müssen auch diese zusehen, woher sie ihre Mittel bekommen, um ihre Ziele umzusetzen. Und dies scheitert nicht selten schon daran, dass jeder seine eigenen Vorstellungen von „Gemeinwohl“ hat und auch unter „ethischen“ oder „unethischen“ Investments jeweils etwas anderes versteht. Je nach religiöser oder weltanschaulicher Überzeugung können beispielsweise Alkohol, Verhütungsmittel, Glücksspiel oder beispielsweise auch die Frage der Atomkraft völlig unterschiedlich bewertet werden. Und auch ein Geschäftspartner, der Risiken eingeht, wenn er in gemeinsame Projekte Geld investieren soll, dürfte sich für die rein monetäre Bilanz doch mindestens im gleichen Maße interessieren wie für die „Gemeinwohlbilanz“.
Umso problematischer ist es vor diesem Hintergrund, nach staatlichen Vergünstigungen für Unternehmen der „Gemeinwohl-Ökonomie“ zu rufen, da diesem eine Bevorzugung von bestimmten Personen und Wirtschaftssubjekten aus subjektiv-weltanschaulichen Erwägungen nicht unbegrenzt zusteht. Von daher wird es wohl am sinnvollsten sein, die Anhänger der „Gemeinwohl-Ökonomie“ betreiben ihre Unternehmen so, wie sie es für richtig halten, versuchen jedoch nicht, ihre Auffassungen anderen aufzuzwingen.