Türkei: Handwerk in der Krise – Fast 24.000 Geschäftsaufgaben im ersten Quartal

Archivfoto: Ein Verkäufer bedient einen Kunden auf dem Fener-Straßenmarkt. Foto: Francisco Seco/AP/dpa
Im ersten Quartal 2025 mussten fast 24.000 Handwerksbetriebe in der Türkei aufgeben – ein alarmierender Indikator für die wirtschaftliche Schieflage des Landes. Kleinunternehmer kämpfen mit Inflation, hohen Mieten und sinkender Kaufkraft. Die Kritik an der Regierung nimmt weiter zu.
Im ersten Quartal des Jahres 2025 haben in der Türkei 23.839 Handwerksbetriebe ihre Geschäftstätigkeit aufgeben müssen. Dies geht aus Daten des Verbandes der türkischen Handwerkerinnen und Handwerker (TESK) hervor. Bekir Başevirgen, ein Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei (CHP) für Manisa in der Großen Nationalversammlung, wirft der Regierung in Ankara vor, die Probleme von Handwerkern und kleinen Geschäftsleuten zu ignorieren.
Inflation, Mieten und Schuldenlast belasten Kleinunternehmer
Başevirgen spricht von einer „unruhigen Zeit“, in der Kleinunternehmer mit exorbitanten Mieterhöhungen und einem massiven Rückgang der Kaufkraft konfrontiert seien. Vor allem Handwerker gerieten immer häufiger in Not, weil sie sich aufgrund steigender Kosten für Produktionsfaktoren verschulden müssten.
Wirtschaftskrise und Inflation hätten türkische Klein- und Mittelbetriebe fest im Griff. Die von der türkischen Regierung verbreiteten Erfolgsgeschichten über die Wirtschaft des Landes habe mit der Realität vor Ort wenig zu tun. Große Unternehmen mit Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern würden Wege finden, sich in der Krise einzurichten. Familienbetriebe hätten diese Option nicht.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet nicht damit, dass das Wirtschaftswachstum im Land 2025 mehr als 2,6 Prozent erreichen wird. In wichtigen Absatzmärkten wie der EU lässt ebenfalls die Dynamik nach. Konsum und Exporte sind jedoch weiterhin die großen Hoffnungsträger der Wirtschaft des Landes. Zugleich wuchs die Abhängigkeit von China, dessen Exporte in die Türkei im Januar um 40,9 Prozent gestiegen waren.
Inflation bleibt hoch, Zinserhöhungen belasten zusätzlich
Die Inflationsrate ist leicht im Sinken begriffen. Allerdings lag sie im Februar immer noch bei 39 Prozent. Im Januar betrug sie noch knapp 42 Prozent. Die Lebenshaltungskosten bleiben hoch, Menschen scheuen nicht erforderliche Ausgaben. Der Leitzins der Notenbank wurde zuletzt auf 46 Prozent erhöht.
Auch die Lira fiel im April auf ein Rekordtief. Teilweise mussten 40 TL für einen US-Dollar und 43 TL für einen Euro bezahlt werden. Importe wurden dadurch deutlich teurer und tragen ihren Teil zur Inflation bei. Die politische Instabilität infolge der Verhaftung von Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu hat auch die Währungskrise weiter verschärft.
Die Arbeitslosenquote lag Ende des Vorjahres bereits bei etwa 10 Prozent, inoffizielle Quellen gehen von mittlerweile höheren Zahlen aus. Im Januar 2025 verlor insbesondere die Textilindustrie rund 14.270 Arbeitsplätze.
Politische Instabilität in der Türkei verschärft die Lage
Bei ausländischen Investoren wird zwar die straffere Geldpolitik gewürdigt. Allerdings sieht man dort erhebliche strukturelle Schwächen in der türkischen Wirtschaft, die bis auf Weiteres kein nachhaltiges Wachstum erwarten lassen.
Die Abhängigkeit von ausländischem Kapital bleibt hoch, die Ersparnisse, auf die Bürger zurückgreifen könnten, sind gering, die Innovationstätigkeit ist gehemmt. Die Abwertung der Lira und die politischen Unsicherheiten schrecken Investoren ab, weil diese Risikofaktoren langfristige Planungen erschweren.