Was kosten Tomaten in Deutschland? Wie Popstar Mustafa Sandal eine Propagandalüge entlarvt

Was kostet ein Kilo Tomaten in Deutschland? Eine banale Frage, möchte man meinen. Doch sie wurde kürzlich mal wieder zum Zündstoff in einem medial aufgeheizten Schlagabtausch zwischen Fakten und gezielter Desinformation. Während die Lebensmittelpreise in Deutschland zwar stark gestiegen, aber weitgehend stabil und durch Wettbewerb reguliert sind, schwanken sie in der Türkei je nach Region, Saison und Marktlage teils erheblich. Diese Unterschiede sind in der Türkei nicht nur Thema alltäglicher Gespräche – sie werden längst politisch instrumentalisiert.
So auch von Cem Küçük, einem regierungsnahen TV-Kommentator, der regelmäßig mit aggressiven Tiraden auffällt. In seinen Äußerungen verbindet er politische Hetze gegen Exil-Oppositionelle mit polemischen Bemerkungen über das Ausland – darunter auch über Deutschland. In einer Talkshow behauptete Küçük jüngst: Ein Kilo Tomaten koste dort 20 Euro.
Mustafa Sandal kontert mit einem Einkaufswagen
Der türkische Popstar Mustafa Sandal, der einst mit dem Song „Araba“ bekannt wurde, reagierte prompt – nicht mit einem Statement, sondern mit einem Video. Anlässlich eines Konzerts in München besuchte er einen Supermarkt und nahm seine Fans mit auf eine Einkaufstour der besonderen Art. An seiner Seite: ein türkischsprachiger Mitarbeiter des Markts, der gleichzeitig als augenzwinkernder Co-Kommentator fungierte.
Sandal zeigt in dem Video mehrere Tomatensorten – darunter auch Premium-Produkte wie Cherry-Tomaten in der Plastikschale. Aber das Highlight bleibt das Schild an der Gemüsetheke: Strauchtomaten für 1 Euro pro Kilo. Die Kamera zoomt darauf, der Mitarbeiter nickt zustimmend und sagt in die Kamera: „Die Leute sollen mal Preise sehen.“
Fatih Zingal hat auch schon den Tomaten-Fake gebracht
Die Erzählung über angeblich horrende Tomatenpreise in Deutschland ist nicht neu. Bereits 2019 versuchte sich Fatih Zingal – damals mit dem parteipolitischen Projekt „Alternative für Migranten“ – an derselben Strategie.
Der frühere stellvertretende Vorsitzende der Union Internationaler Demokraten (UID) postete ein Foto aus einem Supermarkt, das lose Tomaten mit einem Preis von 7,80 Euro pro Kilo zeigte. Dazu schrieb er: „… also 50 Türkische Lira. Früher konnten Leute für 50 Pfennig, also 0,25 Cent, 1 Kilo Tomaten kaufen.“

„Wo kaufen Sie ein?“
Der Beitrag zielte offensichtlich auf Nostalgie, Währungsvergleiche und Inflationsgefühle ab – verbunden mit unterschwelliger Kritik am westlichen Lebensstandard. Doch die Reaktionen auf Facebook zeigten ein anderes Bild.
Nutzer hinterfragten kritisch, wo Zingal eingekauft habe. „Im Rewe, bei Edeka, im Lidl oder Aldi gibt es solche Preise nicht!“, schrieb einer. Ein anderer vermutete Ironie: „Meint er die Preise aus der DDR?“ Sogar wohlwollende Stimmen reagierten irritiert: „Von Ihnen erwarten wir qualitativere Beiträge.“
Zwischen Popkultur und Politik
Das Sandal-Video verbreitete sich in den sozialen Netzwerken rasant – nicht nur wegen dessen Popularität, sondern weil es mit einfachen Mitteln eine gezielte Falschinformation entlarvte. Während regierungsnahe Stimmen in der Türkei oft versuchen, durch überzogene Darstellungen westlicher Preise vom eigenen Wirtschaftskollaps abzulenken, zeigen Videos wie dieses: Die Realität ist komplexer – und manchmal reicht ein Einkauf im Supermarkt, um sie sichtbar zu machen.