Ein neuerlicher Skandal erschüttert den türkischen Fußball: Laut Verbandspräsident Hacıosmanoğlu besitzen fast zwei Drittel aller Schiedsrichter ein Wettkonto – einige sollen Tausende Wetten platziert haben. Der Verband untersucht die Vorwürfe, während die Glaubwürdigkeit des Sports auf dem Spiel steht.
Dem türkischen Fußball droht ein Skandal von historischem Ausmaß. İbrahim Hacıosmanoğlu, Präsident des Türkischen Fußballverbands (TFF), hat schwere Vorwürfe gegen die eigenen Schiedsrichter erhoben. Nach seinen Angaben besitzen 371 von 571 aktiven Unparteiischen in der Türkei ein Wettkonto – das entspricht fast zwei Drittel aller Spielleiter.
Bei 152 Schiedsrichtern soll es sich um aktive Nutzer handeln, die regelmäßig auf Sportereignisse setzen. „Ein Referee hat insgesamt 18.227 Wetten platziert – das ist ein erschütterndes Ergebnis“, sagte Hacıosmanoğlu am Montag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Istanbul.
„Wir haben in unserem eigenen Garten angefangen“
Laut Hacıosmanoğlu ist die Enthüllung das Ergebnis einer seit Monaten laufenden internen Untersuchung. Diese habe nicht nur Schiedsrichter, sondern auch Mitarbeiter und Funktionäre des Verbands selbst in den Blick genommen.
„Wir haben als TFF in unserem eigenen Garten angefangen“, erklärte der Präsident laut Hürriyet. „Aber die Überprüfung der Schiedsrichter ist erst der Anfang. Wir werden auch uns selbst prüfen – angefangen bei mir und meinen Kollegen in der Verbandsspitze.“ Er kündigte an, dass die vollständigen Ergebnisse „bald öffentlich“ gemacht werden sollen. Eine unabhängige Kommission aus Juristen, Datenanalysten und Ethik-Experten sei mit der Auswertung betraut.
Korruptionsvorwürfe haben Tradition in der Türkei
Manipulations- und Korruptionsvorwürfe begleiten den türkischen Fußball seit Jahrzehnten. Besonders die Istanbuler Großklubs Galatasaray und Fenerbahçe werfen sich regelmäßig gegenseitig vor, über Kontakte im Verband oder in den Schiedsrichtergremien Einfluss auf Spielentscheidungen zu nehmen.
Beweise für systematische Manipulationen blieben bislang jedoch weitgehend aus. Sollten die gestern vorgetragenen Zahlen stimmen, käme das einem kaum zu behebenden Schaden für den ohnehin angeschlagenen türkischen Fußball gleich.
Gewalt, Druck, Misstrauen
Schon länger steht die Schiedsrichterzunft in der Türkei unter Druck. Im Dezember 2023 sorgte der Präsident des Hauptstadtklubs Ankaragücü, Faruk Koca, international für Entsetzen, als er nach einer Niederlage gegen Rizespor den Schiedsrichter Halil Umut Meler auf dem Spielfeld angriff und ihm das Jochbein brach. Der Vorfall führte zu einer landesweiten Debatte über den Zustand des türkischen Fußballs – und über die Sicherheit der Unparteiischen.
Auch prominente Trainer äußerten wiederholt Zweifel an der Integrität des Systems. José Mourinho, der im Sommer 2024 als Trainer von Fenerbahçe antrat, sagte bereits damals, er sei vor seinem Engagement „vorgewarnt“ worden. „Ich hatte nicht gedacht, dass die Lage so kompliziert ist“, so Mourinho im Nachhinein.
Untersuchungen könnten Konsequenzen haben
Sollten sich die Angaben Hacıosmanoğlus bestätigen, drohen weitreichende Konsequenzen – von Sperren über Entlassungen bis hin zu strafrechtlichen Ermittlungen. Der Verband kündigte an, vorerst keine Schiedsrichter öffentlich zu benennen. Zugleich wird spekuliert, dass auch internationale Verbände wie die UEFA oder die FIFA Druck ausüben könnten, um die Glaubwürdigkeit des türkischen Fußballs wiederherzustellen.
„Wir werden diesen Prozess transparent führen“, versprach Hacıosmanoğlu. „Unser Ziel ist nicht, jemanden zu bestrafen, sondern ein krankes System zu heilen.“ Ob das gelingt, ist ungewiss. Doch eines steht fest: Der türkische Fußball steht vor seiner womöglich größten Bewährungsprobe.



