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Politik

Alexander Dugin: Russlands „Chefideologe“ und Putsch-Orakel der Türkei

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Der Bombenanschlag auf den russischen Ideologen Alexander Dugin, bei dem dessen Tochter starb, sorgt auch in der Türkei für Aufsehen. Dugin ist dort kein Unbekannter: Mit dem Linksnationalisten Doğu Perinçek hat er sich verbündet.

Am vergangenen Samstag wurde bei einem Autobombenanschlag in Moskau Darja Dugina, die Tochter des russischen „Eurasien“-Ideologen Alexander Dugin, getötet. Es gilt als wahrscheinlich, dass das eigentliche Ziel des Terroraktes Dugin selbst war. Während in Westeuropa die Sorge wächst, dass Russland seine Militäroffensive in der Ukraine mit noch größerer Härte vorantreiben könnte, wird in der Türkei auch der Einfluss der eurasischen Bewegung auf die dortige Politik diskutiert.

Die Bedeutung Dugins in der Russischen Föderation selbst wurde bislang unterschiedlich bewertet. Während der radikal nationalistische Ideologe vor allem im Westen zu einem einflussreichen Einflüsterer des russischen Präsidenten Wladimir Putin stilisiert wird, halten andere seine Bedeutung in Russland für stark überbewertet.

Dugin kritisierte Putin für zurückhaltende Politik

Der Anschlag vom Wochenende dürfte im eigenen Land zumindest einen deutlichen Solidaritätsschub auslösen. In den 1990er-Jahren war Dugin Mitbegründer der „Nationalbolschewistischen Partei Russlands“ (NBP), die im Jahr 2005 – fünf Jahre nach Amtsantritt von Präsident Putin – vom Obersten Gerichtshof verboten wurde.

Im Jahr 2010 übernahm Dugin den Lehrstuhl für Soziologie der Internationalen Beziehungen an der Soziologischen Fakultät der renommierten Lomonossow-Universität Moskau. Im Juni 2014 wurde sein Vertrag jedoch nicht mehr verlängert. Als möglicher Grund wurde Dugins Kritik an der aus seiner Sicht zurückhaltenden Politik Putins im Donbass genannt.

Dugins Ideen beeinflussen russischen Militär- und Sicherheitsapparat

Während Dugins direkter Einfluss auf den Kreml im Westen tendenziell überbewertet wird, werden seine Ideen im vorpolitischen Raum bereits seit Jahren auch in Russland zunehmend stärker wahrgenommen. So gehört der orthodox-traditionalistische Milliardär Konstantin Malofejew zu seinen prominentesten Förderern und sicherte Dugin eine führende Rolle in seinem Medienkonzern „Tsargrad“ und dem Thinktank „Katehon“.

Von dort aus finden Dugins Ideen auch immer wieder ihren Weg in die Reihen des russischen Militär- und Sicherheitsapparates. Spätestens seit Beginn der Ukraine-Krise im Jahr 2013 wuchs der Bekanntheitsgrad Dugins im westlichen Ausland – vor allem in der extremen Rechten.

Dugin im Ausland bekannter als zu Hause?

Zu den Ländern, in denen der russische Ideologe über eine bedeutende Anhängergemeinde bis hinein in die Politik verfügt, gehören Griechenland, Italien und die USA, wo vor allem die sogenannte Alt-Right-Bewegung seine Ideen aufgriff. In Deutschland interessieren sich der akademische Zweig der AfD und die führenden ultranationalistischen Publizisten für seine Ideen.

So traf Dugin 2015 in St. Petersburg mit dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland zusammen. Im selben Jahr sprach er via Live-Video zu Gästen einer Veranstaltung der rechtsextremen Zeitschrift „Zuerst!“. Deren 2021 verstorbener langjähriger Chefredakteur Manuel Ochsenreiter galt bis zuletzt als enger Vertrauter Dugins.

Dugins Nähe zu deutschen Ideologen

Nachdem in Deutschland und Polen gegen diesen Ermittlungen wegen des Verdachts der Beteiligung an einem Bombenanschlag aufgenommen worden, flüchtete Ochsenreiter, dem zuletzt Kontakte zu russischen Nachrichtendiensten nachgesagt wurden, in die Russische Föderation.

Als weiteres Sprachrohr Dugins in Deutschland gilt das „Compact“-Magazin des Publizisten Jürgen Elsässer, auf dessen Konferenz er 2018 referierte. Elsässer gehörte ursprünglich der „antideutschen“ Linken an. Sein radikaler Antiamerikanismus und möglicherweise auch sein Gespür für Marktnischen brachten ihn im Laufe der Zeit zum „eurasischen“ Gedanken.

Unter dem Banner des „Anti-Imperialismus“ und der Globalisierungskritik wurde Elsässer zu einem der bedeutendsten Exponenten einer sogenannten Querfront zwischen antiamerikanischen Linken und rechtsextremen Esoterikern.

Vom Feind zum Verbündeten

Die „Eurasien“-Ideologie und die strikte Ablehnung eines globalen Einflusses der USA sind es auch, die Dugin mit radikalen Nationalisten in der Türkei verbinden. Sein engster Verbündeter ist dabei der Chef der „Vatan Partisi“ (Vaterlandspartei), Doğu Perinçek.

Der stramme Linksnationalist wurde im August 2013 im Rahmen der „Ergenekon“-Prozesse wegen „führender Tätigkeit in einer terroristischen Organisation“ zu einer Haftstrafe von lebenslänglich plus 30 Jahren verurteilt. Nur acht Monate später kam er jedoch aus der Haftanstalt in Silivri wieder frei.

Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung

Im Zusammenhang mit seinem Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung, der viele Staatsanwälte, Richter und Justizbeamte angehörten, hatte der damalige Premierminister Recep Tayyip Erdoğan eine Kehrtwende im Umgang mit Ergenekon-Verdächtigen vollzogen. Die Prozesse gegen den nationalistischen „Staat im Staate“, den die Gruppe über Jahrzehnte unter dem Banner der „Verteidigung der kemalistischen Werte“ gebildet hatte, wurden für illegitim erklärt.

Perinçek, der noch 2014 erklärt hatte, religiöse Gemeinden und Orden in der Türkei „ausrotten“ zu wollen, näherte sich von da an Erdoğan und der AKP an, die er zuvor als islamistisch beeinflusste Feinde der Republik gebrandmarkt hatte.

Warnung Dugins zwei Tage vor dem Putschversuch

Während die „Vaterlandspartei“ bei Wahlen bis heute völlig unbedeutend bleibt, übt Perinçek in Ankara einen größeren politischen Einfluss aus als je zuvor. Die Verbindungen Perinçeks zu Dugin sollen einem Bericht des britischen „Independent“ zufolge geholfen haben, die diplomatischen Verwerfungen zwischen Ankara und Moskau nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im November 2015 über Syrien durch die türkische Luftabwehr beizulegen.

Oligarch Malofejew soll am Ende die Streitbeilegung im Juni 2016 initiiert haben. Fragen wirft zudem bis heute der Besuch Dugins in Ankara zwei Tage vor dem vereitelten Putschversuch vom 15. Juli 2016 auf. Dugin soll sich bei dieser Gelegenheit mit Perinçek und in weiterer Folge mit Beratern Erdoğans im Präsidentenpalast getroffen haben.

Dabei soll er diese auf „Aktivitäten innerhalb der türkischen Armee“ und auf einen drohenden Putsch hingewiesen haben. Anschließend soll er sich erneut mit Perinçek getroffen haben.

Traf Şule Perinçek Dugin in Moskau?

Der jüngste Besuch des Perinçek-Umfelds in der Russischen Föderation soll sich nur wenige Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine am 24. Februar dieses Jahres ereignet haben. Wie die Nachrichtenplattform „Boldmedya“ berichtet, sollen Şule Perinçek, die Ehefrau des Politikers, und der Präsident Erdoğan nahestehende Unternehmer Ethem Sancak nach Russland gereist sein, um sich mit Dugin zu treffen.

In der Türkei wurden die Behörden bereits Ende der 2000er-Jahre auf dessen Einflussbemühungen aufmerksam. Im Zuge des Ergenekon-Prozesses übermittelte die Nationale Geheimdienstorganisation der Türkei (MİT) der Staatsanwaltschaft eine Informationsnotiz, die Dugin und den Geheimdienstoffizier Aleksi Kornikow betraf.

Die „Eurasische Geopolitik“

In dieser fand Erwähnung, dass Perinçek zu beiden Protagonisten einer „eurasischen Geopolitik“ Kontakte pflege. Der pensionierte General und frühere Geheimdienstoffizier Kornikow leitete demnach die Geheimdienstabteilung der „Krasnoja Cvezda“-Militärschule der Moskauer Universität.

Er diente zudem als Berater für die militärischen Beziehungen zwischen der Türkei und der Russischen Föderation und war Mitglied der „Eurasischen Bewegung“. Dugin habe mehrere Personen, gegen die Ermittlungen im Zusammenhang mit Ergenekon liefen, als „Russland nahestehend“ eingeordnet und sie als „unterstützenswert“ bezeichnet.

USA als einigendes Feindbild

Vor allem die Definition der USA als „Hauptfeind“ stellt das zentrale Bindeglied zwischen Dugin und Perinçek dar. Dugins Anhänger befürworten eine enge Zusammenarbeit zwischen Russland, China und der Türkei als wesentliche Voraussetzung für die Minimierung des US-amerikanischen Einflusses im eurasischen Raum.

Russland solle hingegen ein „eurasisches Reich“ errichten und die Führung in der christlich-orthodoxen Welt übernehmen. Ein weiterer elitärer Think-Tank in diesem Bereich ist auch der „Athos-Club“, benannt nach dem Berg in Griechenland, der als spirituelles Zentrum der orthodoxen christlichen Welt gilt.

In diesem Klub versammeln sich neben Dugin auch wichtige orthodoxe Geschäftsleute und Oligarchen, die Präsident Putin nahestehen. Zumindest auf diesem Wege können Ideen Dugins ihren Weg in den Kreml finden.

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