EURO2024
Bestes EM-Spiel bisher: Türkei gewinnt Spektakel gegen Georgien

Nach dem in dieser Form nicht erwarteten Spektakel glich das Dortmunder EM-Stadion einem Tollhaus. Mit inbrünstigem Gesang feierten die türkischen Fußball-Fans zusammen mit den Profis um Jungstar Arda Güler den hart erkämpften 3:1 (1:1)-Auftakterfolg über die überraschend starken Georgier. Zwei Traumtore von Mert Müldür (25. Minute) und Güler (65.) sowie der späte Kontertreffer von Kerem Aktürkoğlu (90.+7) bescherten dem Team von Trainer Vincenzo Montella den erhofft erfolgreichen Start in das Turnier.
„Es war wirklich ein tolles Tor, ich bin sehr glücklich“, sagte Güler über seinen Treffer. Er sei sehr froh, die Menschen so glücklich gemacht zu haben, aber es liege noch eine Menge Arbeit vor dem Team. Denn nach sintflutartigen Regenfällen wurde die Türkei ihrer Favoritenrolle nur mit Mühe gerecht. Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya gratulierte dem Team auf X mit den Worten: „Ihr seid großartig.“ Am Ende solle das Finale stehen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der Glaube an die eigene Stärke aber scheint schon mal da zu sein.
Mit dem Sieg vor etwa 50.000 türkischen Anhängern in der mit rund 62.000 Zuschauern prall gefüllten Arena verschaffte sich die Milli Takım in der Gruppe F eine gute Ausgangsposition. Es folgen noch die weiteren wohl anspruchsvolleren Aufgaben gegen Portugal (22. Juni) an gleicher Stätte und vier Tage später gegen Tschechien in Hamburg. Diese beiden Teams spielen zur Stunde gegeneinander, kurz vor Schluss steht es 2:1 für die Portugiesen.
Dagegen ging der Traum der Georgier von einem Achtungserfolg zum EM-Debüt trotz des zwischenzeitlichen Ausgleichs durch Georges Mikautadze (32.) nicht in Erfüllung. Die vom ehemaligen Bayern-Profi Willy Sagnol gecoachte Mannschaft bot dennoch eine beachtliche Vorstellung und war in der Schlussphase bei einem Pfostentreffer dem 2:2 sehr nahe.
Ein Tor zählt, eins nicht
Die Türken übernahmen von Beginn an die Regie. Bereits in den ersten Minuten geriet die defensive Fünferkette der Georgier gehörig ins Wanken, die Türken waren der Führung nahe. Doch so defensiv wie erwartet trat Georgien nicht auf. Nur die schnelle Reaktion des türkischen Torhüters Mert Günok bei einem abgefälschten Schuss von Ansor Mekwabischwili (11.) verhinderte die Führung des Außenseiters.
Der sehenswerte Volleyschuss von Müldür aus der Distanz ins Netz verwandelte das Stadion dann zum ersten Mal in ein Tollhaus. Dass nur zwei Minuten später das vermeintliche 2:0 durch Kenan Yıldız wegen einer sehr knappen Abseitsposition aberkannt wurde, konnte die gute Stimmung der türkischen Anhänger zunächst nur bedingt trüben.
Güler zeigt seine Klasse und bricht Ronaldo-Rekord
Der Schreck der Georgier hielt sich allerdings in Grenzen. Mit einem Schuss aus sieben Metern ins kurze Eck brachte Mikautadze sein Team zurück in Spiel. Günok sah dabei nicht glücklich aus. Dieser Gegentreffer zeigte bei den Türken mächtig Wirkung. In den weiteren Minuten bis zur Pause erwies sich der Gegner als gleichwertig.
Nach Wiederanpfiff erhöhte die Türkei wieder den Druck, tat sich beim Herausspielen von Torchancen aber schwer. Doch die individuelle Klasse von Güler half in der Not. Mit einem Kunstschuss aus 20 Metern zirkelte er den Ball in den linken Torwinkel. Güler löste mit 19 Jahren und 114 Tagen Cristiano Ronaldo als jüngsten Spieler ab, der in seinem ersten EM-Spiel ein Tor erzielte. Der Real Madrid-Jungprofi wurde auch zum Spieler des Spiels gewählt.

Fans der türkischen Fußball-Nationalmannschaft feierten den Sieg ihrer Mannschaft am Berliner Breitscheidplatz mit Bengalos. Vielerorts gab es Autokorsos. Foto: Christoph Soeder/dpa
In der hektischen Schlussphase mussten die Türken noch bange Minuten überstehen, ehe der eingewechselte Aktürkoğlu alles klarmachte. Bei einer Ecke der Georgier war der gute Keeper Giorgi Mamardaschwili mit nach vorne gegangen – das nutzten die Türken nach einer Balleroberung aus und trafen zum 3:1-Endstand ins verwaiste Tor.
Dass die Partie ohne Verzögerung stattfinden konnte, war auch ein Verdienst der vielen Helfer. Mit Besen, Holzlatten und viel Körpereinsatz war es ihnen gelungen, die Auswirkungen heftiger Regenfälle vor dem Spiel so gering wie möglich zu halten. Die Polizei schritt zudem bei einer körperlichen Auseinandersetzung rivalisierender Fans im Stadion lange vor dem Anpfiff ein.
Sagnols Ärger über Pfiffe bei Hymne
Georgiens Nationaltrainer Sagnol ärgerte sich nach der Niederlage seines Teams derweil über die Pfiffe einiger türkischer Fans. Die Anhänger hatten laut gepfiffen, während die georgische Nationalhymne gespielt wurde. „Das sollte man nicht machen. Man sollte den Gegner immer respektieren“, sagte Sagnol. „Das hat kein gutes Bild von der Türkei gezeigt.“
Mit seiner Mannschaft war der frühere Fußballer des FC Bayern München sehr zufrieden. „Klar, wenn man verliert, ist es niemals schön. Aber ich denke, für mich und meine Mannschaft lagen die wichtigsten Dinge woanders. Wir haben so ein schönes Bild des georgischen Fußballs gezeigt. Darauf können wir stolz sein.“
dpa/dtj