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Politik

Staatsgefährdende Döner? Türkei geht gegen Maydonoz-Kette vor

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Eine Filiale von Maydonoz Döner im osttürkischen Kars. Foto: Maydonoz Döner
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Das türkische Innenministerium hat vergangene Woche eine groß angelegte Razzia gegen die Döner-Kette Maydonoz durchgeführt. Das auf mehreren Kontinenten tätige Unternehmen, das auch zu den Sponsoren des Fußballklubs Galatasaray Istanbul zählt, wird verdächtigt, den „Terrorismus“ der Gülen-Bewegung zu finanzieren.

Wie türkische Medien berichten, hat das Innenministerium unter Ali Yerlikaya am Freitag eine Großrazzia gegen die Dönerkette Maydonoz durchgeführt. Diese soll in 31 Provinzen der Türkei stattgefunden haben, 353 Menschen seien festgenommen worden. Yerlikaya behauptet, unter dem Dach des auf Franchisebasis arbeitenden Unternehmens hätten Angehörige des Gülen-Netzwerks Geld ins Ausland geschafft.

Außerdem hätten sie Menschen eine berufliche Perspektive als Unternehmer geboten, gegen die aufgrund geltender Notstandsgesetze Berufsverbote in diesem Bereich gelten. Federführend bei der Razzia sei die Generalstaatsanwaltschaft in Antalya gewesen.

Diese war zuvor schon mehrfach mit Verfolgungshandlungen in Erscheinung getreten, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Angehörige der Gülen-Gemeinschaft richteten, die in der Türkei regierungsoffiziell als „Fethullahistische Terrororganisation“ (FETÖ) bezeichnet wird. Seit eineinhalb Jahren will diese bereits ermittelt haben, bevor es zur nunmehrigen Aktion „Klammer 40“ gekommen sei.

In Deutschland ist Maydonoz bisher fünfmal vertreten

Maydonoz wurde erst im Jahr 2018 gegründet und hat binnen kürzester Zeit einen enormen Aufstieg verzeichnen können. Derzeit ist das innovative Unternehmen, das Döner-Kreationen in vielfältigen und gesunden Varianten anbietet, in sechs Ländern auf drei Kontinenten tätig. Schwerpunkt ist dabei die Türkei mit 287 Filialen. Dreimal ist Maydonoz in Georgien vertreten, zweimal in Aserbaidschan, einmal in den USA und ebenfalls einmal in den Niederlanden.

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In Deutschland ist die Kette in Frankfurt am Main, Neuwied, Ludwigsburg und Worms anzutreffen. Anfang des Jahres kam eine weitere in Nürnberg dazu. Vor wenigen Monaten hatte sogar das ProSieben-Magazin „Galileo“ eine längere Reportage über das Unternehmen veröffentlicht.

Am 11. November 2024 hatte der türkische Rekordmeister Galatasaray auf seinem X-Account einen Sponsorenvertrag mit Maydonoz verkündet. Die Dönerkette selbst stand eigenen Angaben zufolge im Gespräch über weitere Verträge mit mehreren Teams wie Beşiktaş, Konyaspor, Kayserispor, Bursaspor und sogar der türkischen Nationalmannschaft. Nach Bekanntwerden der Razzia hat Galatasaray seinen Post auf X gelöscht.

„ByLock“-Nutzung reicht als Grund für Festnahme aus

Minister Yerlikaya behauptet, Maydonoz habe gezielt Personen als Investoren akzeptiert, die gemäß den in der Türkei geltenden Notstandsdekreten wegen behaupteter Gülen-Nähe von solchen wirtschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen sind. Angeblich soll die Expansion ins Ausland dazu gedient haben, möglichen Zugriffen auf Vermögenswerte des Hizmet-Netzwerks vorzubeugen. Das Transaktionsvolumen soll etwa 220 Millionen türkische Lira (etwa 576.400 Euro) umfasst haben.

Von den 353 nunmehr Beschuldigten sollen 83 dadurch ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten sein, weil sie aus öffentlichen Ämtern entlassen worden seien. Bereits seit 2014 hatte die türkische Regierung groß angelegte Säuberungsaktionen gegen vermeintliche oder tatsächliche Angehörige des Hizmet-Netzwerks durchgeführt. Hintergrund war, dass Staatsanwälte 2013 wegen Korruptionsverdachts im Umfeld der AKP-Regierung ermittelten.

Zudem deckten Gülen-Medien wie „Zaman“ auf, dass die Regierung in Ankara militante Gruppierungen in Syrien mit Waffen belieferte. In 102 Fällen reichte es für die Festnahme von Franchisenehmern und Mitarbeitern von Maydonoz aus, dass diese das Messengerprogramm „ByLock“ verwendet hatten. Diese hatten türkische Justizbehörden zum „geheimen Kommunikationsprogramm“ der Gülen-Bewegung erklärt.

Maydonoz nicht das erste betroffene Unternehmen

Das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Maydonoz kommt für viele überraschend. Es gab bis dato kaum Erkenntnisse über kritische Äußerungen von Gründer Ömer Şeyhin oder Mitgesellschaftern gegen die Führung in Ankara. Allerdings hat das Vorgehen für diese den Vorteil, dass sie unter dem Vorwand der angeblichen „Terrorfinanzierung“ Zugriff auf die in der Türkei vorhandenen Vermögenswerte des erfolgreichen Unternehmens erhält. Schon jetzt gibt es einen „Kayyum“, einen durch Gerichtsbeschluss eingesetzten Treuhänder.

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Es wäre nicht das erste Mal, dass die Regierung Erdoğan die Konstruktion von „FETÖ“ nutzt, um sich den Zugriff auf florierende Unternehmen zu sichern. Allein im Jahr des Putschversuches vom 15. Juli 2016 beschlagnahmte das Regime mehr als 1.000 Unternehmen. Darunter befanden sich Bauunternehmen, Einzelhandelsketten, Bekleidungsunternehmen, Lebensmittelhersteller, Banken und Finanzinstitute. Schon in den Jahren zuvor eignete sich die Regierung florierende Medienunternehmen wie „Zaman“ oder „Samanyolu TV“ an.

USA und Deutschland bezweifeln Existenz einer „Terrororganisation FETÖ“

In Staaten wie den USA oder Deutschland zweifeln Sicherheitsbehörden und Geheimdienste die Existenz der von der Regierung in Ankara behaupteten „Fethullahistischen Terrororganisation“ an. Dort hält man auch die Behauptungen, die Gülen-Bewegung habe etwas mit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 zu tun, für nicht stichfest genug.

Auslieferungsgesuchen türkischer Behörden, die auf Strafverfolgung wegen „FETÖ“-Tätigkeit gerichtet sind, wird dort grundsätzlich nicht entsprochen. Freiwillige des Hizmet-Netzwerks sind in Deutschland als Unternehmer und in Bereichen wie Bildung, Kindererziehung, Nachhilfe, Gefangenenseelsorge oder Medien tätig. Keine einzige deutsche Verfassungsschutzbehörde sieht irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Bewegung nicht loyal zu Grundgesetz und freiheitlich-demokratischer Grundordnung stünde.