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„Nicht förderungswürdig“: Mansour erhält Millionen trotz vernichtendem Gutachten

  • November 4, 2025
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„Nicht förderungswürdig“: Mansour erhält Millionen trotz vernichtendem Gutachten

In „islamkritischen“ Kreisen ist Ahmad Mansour ein beliebter Belastungszeuge gegen die muslimische Community. Als die Ampel auseinanderbrach, genehmigte das Bundesforschungsministerium neun Millionen Euro für ein von ihm vorgelegtes Forschungsprojekt. In einem Fachgutachten war dieses zuvor explizit als „nicht förderungswürdig“ eingeschätzt worden.

Ahmad Mansour ist eine der gefragtesten Stimmen, wenn es um den Islam und die Muslime in Deutschland geht. Es vergeht kaum eine Woche, in der er sich nicht in der „Welt“ oder anderen Publikationen zu Wort meldet. Dabei warnt er vor dem Kopftuch, vor Gebetsräumen an Schulen oder auch vor marokkanischen Fußballern, die bei der WM mit ihren Müttern auf dem Rasen tanzen.

Nun soll die „Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention (MIND) gGmbH“ nicht weniger als 9 Millionen Euro an Fördermitteln vom Bund erhalten. Und das, obwohl Fachgutachter des Bundesforschungsministeriums eine Förderungswürdigkeit seiner Arbeit gar nicht zu erkennen vermochten. Dies hat nun die Rechercheplattform „Correctiv“ enthüllt.

Das Projekt „Dis_ident: Desinformation und Identitätskonstruktion in der demokratischen Gesellschaft“ sollte im Zeitraum von Oktober 2024 bis September 2029 die „Wechselwirkungen zwischen Desinformation, Identitätskonstruktion und Radikalisierung“ untersuchen. Schwerpunkt soll dabei der israelbezogene Antisemitismus sein, der unter dem Eindruck des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg in Gaza auch in Deutschland einen erheblichen Schub erhielt. Die Forschungsfrage bezog sich in dem Projekt jedoch nicht nur auf Antisemitismus im Allgemeinen und nicht einmal israelbezogenen – der auch in weit linken oder rechten Kreisen der Mehrheitsgesellschaft keine Ausnahmeerscheinung darstellt.

Vielmehr standen Jugendliche im Alter von 14 bis 22 Jahren im Fokus, die Hauptschulen besuchten und „aus patriarchal und traditionell geprägten Familien“ stammten. Außerdem sollen diese noch „besonders aus dem muslimischen Kulturkreis“ kommen, „in dem antisemitische Einstellungen verbreitet sind“, wie es in der Projektbeschreibung hieß. Anschließend ging es noch um Gegenstrategien, wobei einige Optionen aufgezählt waren.

Gutachten legte eklatante Schwächen offen

Mehrere Gutachterinnen und Gutachter befassten sich daraufhin mit der Projektskizze. Dabei räumen sie ein, dass ein Projekt, das unterschiedliche Ansätze wie Akteure aus der Praxis und den Einsatz neuartiger Technologien wie KI und Computational Science verfolgt, durchaus Potenzial habe. Allerdings treffe das nicht zwingend auf das Projekt von Mansour zu, über das es hieß: „Die Gutachtenden kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Projektskizze in der vorliegenden Fassung aus verschiedenen Gründen nicht förderungswürdig ist und grundlegender Überarbeitungsbedarf besteht.“

Schon bezüglich des Projektverständnisses selbst sahen sie erheblichen Verbesserungsbedarf. So fehlten den Begutachtenden bereits Erläuterungen zum Forschungsstand, Praxiserfahrungen und Praxisstandards im Themenfeld und erkennbar kohärente Konzepte bezüglich der Ausgestaltung selbst.

„Ausschließliche Adressierung von muslimischen Jugendlichen wenig zielführend“

Den Experten war der Fokus auf muslimische Jugendliche durchaus suspekt. Man wollte wissen, wie die Teilnehmer an dem Prozess überhaupt ausgewählt werden sollen. Auch hatten sie erkennbar Bedenken hinsichtlich der Einbindung von Eltern, Sorgeberechtigten oder Lehrern. Sie vermissten Ausführungen darüber, wie die Eltern der zu befragenden Minderjährigen erreicht und adressiert werden sollten. Außerdem fehlten Angaben zum Datenschutz bei diesem durchaus sensiblen Thema.

Auch die geplante Fokussierung auf im weitesten Sinne muslimische Jugendliche wurde von den Gutachtenden als problematisch eingestuft. So herrsche in der Präventionsforschung und -praxis „weitgehend Konsens, dass eine ausschließliche Adressierung von muslimischen Jugendlichen in gemischten Gruppen wenig zielführend und mit stigmatisierenden Wirkungen verbunden ist“. Pädagogische Ansätze im Bildungsbereich (Berufs-)Schule sollten sich „grundsätzlich an alle Jugendlichen und nicht vereinzelte Gruppen von Jugendlichen aus spezifischen Familienkulturen“ richten.

Auf seiner Facebookseite verteidigte sich Mansour am Freitag. Auf den Vorwurf „Stigmatisiert ihr Muslime?“ antwortet er in dem Post: „Nein. Wir schützen Persönlichkeitsrechte, achten Besonderheiten vulnerabler Gruppen und schauen auf Mechanismen, nicht auf Glauben. Respekt vor jeder Person, Schutz vor Druck und Hass.“

Gutachten zweifelte am Willen Mansours zu ergebnisoffener Forschung

Im Gutachten heißt es weiter, dass die Forschungsfrage „durch Vorannahmen geprägt“ sei, „welche nicht weiter belegt oder erläutert werden“. Das formulierte Anliegen im Forschungsprojekt weise „Defizite auf der Grundlage sensibler und ethischer Überlegungen“ auf, wie Unterschiede zwischen gesellschaftlich verschiedenen Gruppen suggeriert oder hergestellt würden. Die Studie fokussiere sich auf Jugendliche, die noch in der Orientierungsphase seien. Zudem basierten die Thesen, die in der Antragskizze betont würden, auf „Vorannahmen, wonach antisemitische Einstellungen per se gegeben seien“. Der Bedarf nach Lösungsansätzen stehe nicht im Vordergrund.

Die Antragsteller um Mansour reichten einen neuen Antrag zu „Dis_ident“ ein. Darin versicherten sie, dass die internationale Migrationsbiografie als „ein potenzieller Risikofaktor, jedoch nicht als einseitiger Prädiktor für antisemitische Einstellungen“ betrachtet werde. Es solle untersucht werden, ob „Migration in Zusammenhang mit antisemitischen Einstellungen steht“, jedoch „ohne vorgefasste Annahmen“.

Das Geld musste verplant werden – damit bewilligte Mittel nicht verfallen

In der Endphase der gerade im Zerbrechen befindlichen Ampel mussten schnelle Entscheidungen getroffen werden. Der damalige zuständige Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) stimmte Anfang November 2024 der Vorbereitung einer sogenannten „unverbindlichen Inaussichtstellung“ zu. Die Gutachter sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt nochmals mit dem neuen Antrag befassen. Bei „Correctiv“ meint man, dass Mansour von der knappen Zeit profitiert habe: „Staatssekretär Brandenburg und seine Mitarbeiter wollten wohl verhindern, dass die Mittel, die vom Haushaltsausschuss für das Jahr 2024 bewilligt wurden, verfallen.“

Immerhin habe es zuvor in einer internen Mail den Hinweis gegeben, das nicht abgerufene Mittel „nicht in folgende Haushaltsjahre verschoben werden“ könnten. Zu Deutsch: Es bestand die Notwendigkeit, in letzter Minute noch so viel Geld wie möglich zu verplanen, um in Zeiten knapper Kassen künftigen Etatkürzungen entgegenzuwirken.

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