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Wirtschaft

Türkei: Wege zum energiepolitischen Bündnis mit den USA und dem Irak

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Gemeinsam mit dem US-Außenminister John Kerry kam kürzlich eine US-Delegation in die Türkei, um mit dem türkischen Energieminister unter anderem über die Situation im Irak zu sprechen. (Foto: ap)

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Türkei: Wege zum energiepolitischen Bündnis mit den USA und dem Irak
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Rückblickend auf mein letztwöchiges Gespräch mit dem Minister für Energie und natürliche Ressourcen, Taner Yıldız, über Energieinitiativen sowohl im In- als auch im Ausland, bekam ich den Eindruck, dass die Regierung beim Thema Energie hart verhandeln wird, und zwar sowohl in der unmittelbaren als auch in der weiter entfernten Nachbarschaft, wo die Großmächte letzten Endes die Schlüsselakteure sind, wenn es um die Aufteilung fossiler Ressourcen geht.

In gewisser Hinsicht ist diese auch das Kernproblem zwischen Ankara und Washington mit Blick auf eine künftige erweiterte Kooperation der Türkei mit der Regionalen Kurdischen Regierung (KRG) mit Blick auf die Öl- und möglicherweise auch Gasvorkommen.

Yıldız machte insbesondere deutlich, dass die Türkei angesichts der ergiebigen benachbarten Energieressourcen nicht indifferent bleiben kann, wenn die Alternativen dazu in erster Linie Verhandlungen mit Ländern wie Venezuela und Kolumbien seien. Er sagte, dass der Energiebedarf der Türkei rapide gestiegen wäre, proportional zum Wirtschaftswachstum.

In den letzten zehn Jahren habe sich die Anzahl der Autos auf den Straßen der Türkei verdoppelt und der Bedarf an Elektrizität sei gewaltig gestiegen, so Yıldız. Der Energieverbrauch der Türkei im letzten Jahr hatte einen Gegenwert von 60 Milliarden US-Dollar und in diesem Jahr wird ein Anstieg auf 70 Milliarden erwartet. „Es bedarf eines hohen Maßes an Aufmerksamkeit, um diesen Anstieg zu bewältigen, wenn das Land sich derart schnell verändert”, betonte Yıldız, mit der Bemerkung, dass die Türkei keines jener Länder mit einem stabilen Wachstum um einen Prozent herum sei.

Da die Regierung das ambitionierte und offensive Ziel verfolgt, die Türkei zu einer der Top-Ten-Wirtschaftsmächte der Welt zu machen, werden dringend nachhaltige Ressourcen benötigt, die aus einem vielfältigen Portfolio an Ländern bezogen werden. Der Irak hat mit den weltweit größten Ölvorkommen im geschätzten Ausmaß von 350 Milliarden Barrel enormes Potenzial und wäre damit ein perfekter Partner für die Türkei. Yıldız denkt in diesem Zusammenhang auch nicht anders als US-Botschafter Frank Ricciardone, der kürzlich sagte, dass es in Washington gerne gesehen würde, wenn die Türkei das volle Potenzial des Irak ausschöpfe und nicht nur die 20 % im Norden.

Türkei respektiert uneingeschränkt die irakische Verfassung

Sich nur auf den Norden des Iraks zu konzentrieren, schade der Türkei, sagte Ricciardone. Die Türkei sei mit einem Anteil von nicht weniger als 5,5 Milliarden US-Dollar an Investitionssumme ein Partner in Öl-Projekten, die insgesamt 25 Milliarden wert sind. Einige würden jetzt der Aufhebung eines Vertrages im Wert von 236 Millionen Dollar mit der Provinz Basra eine unverhältnismäßig große Bedeutung zumessen und dabei die Milliarden von Dollar ignorieren, die durch andere Projekte zu Stande kämen, beklagte sich der Botschafter. Yıldız betonte, dass die Türkei Geschäfte in allen Teilen des Iraks abschließen will, um dem Premierminister Nouri al-Maliki zu helfen, mit seiner Regierung das Land zu modernen Standards zu führen. Er berichtete, dass, als Bagdad den Vertrag mit Basra gekündigt hatte, die Türkei an die Regierung Maliki die dringliche Anfrage richtete, ob noch andere Kündigungen geplant wären, wobei man selbst der irakischen Regierung angedroht hätte, alle übrigen Verträge aufzukündigen.

„Wir werden nichts unternehmen, um die irakische Regierung zu verärgern“, schwor Yıldız, und fügte hinzu, dass die Türkei, da sie selbst unter strikter Wahrung des Rechtsstaatsprinzips geführt werde, die irakischen Gesetze nicht verletzen wird. Auch die Beziehungen zwischen der Regierung in Bagdad und dem KRG richteten sich nach den in der irakischen Verfassung enthaltenen Bestimmungen über den Finanzausgleich. Türkische Firmen betreiben Handel mit dem Nordirak ähnlich wie auch andere 39 Firmen des Energie-Sektors aus 19 Ländern wie zum Beispiel den USA, Russland, Iran, Großbritannien und anderen. Yıldız wirft die Frage auf, welche Motive Maliki haben könnte, zu versuchen, die Türkei aus diesem Bund zu drängen. Es sehe für die Türkei so aus, als versuche er Ankara in die internationalen Probleme des Iraks reinzuziehen, um seine Position gegenüber Gruppen zu stärken, die innenpolitisch im Widerstreit mit Bagdad stünden. „Dieses Spiel werden wir nicht mitspielen”, versprach er und betonte, dass die Türkei den Irak aus einer ganzheitlichen Sichtweise heraus betrachte und wolle, dass es ein blühendes Land mit einer intakten Infrastruktur werde.

Rückblickend, sagte er, hätten sowohl die Türkei als auch der Irak besseren Gebrauch von den 50 Absichtserklärungen machen sollen, die während des Besuches des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan in Bagdad 2009 unterzeichnet worden waren. Yıldız betonte, beide Länder verdienten hier Kritik, da sie versäumt hätten, das volle Potenzial auszuschöpfen, das sich ihnen geboten hätte. Yıldız merkte an: „Unser Handelsvolumen mit dem Irak beträgt ca. 15 Milliarden US-Dollar. Warum machen wir daraus nicht 25?”. Seine Zahlen deuteten darauf hin, dass ca. 11 Milliarden Dollar davon aus dem Nordirak stammten, während nur 4 Milliarden aus dem Rest des Landes kämen. Das sei sehr untypisch, bedenkt man, dass der Nordirak prozentual gesehen den kleineren Anteil hier haben sollte. Der Marktdurchbruch ist für türkische Firmen jedoch sehr schwer, da Maliki in konfessionelle Aufwallungen eingreift und vom Iran unterstützt wird, der weniger von der Türkei im Irak sehen will.

Mit Maliki steht der Irak sich selbst im Wege

Nichtsdestotrotz bezeichnet sich Yıldız als einer jener Minister des Kabinetts, der die Spannungen mit dem Irak und dessen Regierung reduzieren wolle, da er denke, dass diese den Interessen beider Länder abträglich wäre und es keinen Gewinner geben würde. Als seinem Flugzeug in der nordirakischen Stadt Arbil im vergangenen Dezember die Landung verwehrt wurde, machte er keine große Sache daraus, sondern sagte, dass es zwischen Brüdern immer mal Differenzen gäbe, dies jedoch nicht weiter schlimm sei, so lange man sich bei essenziellen Dingen einig wäre. Er lud sogar den irakischen Ansprechpartner und Maliki zu einem Festessen an den Bosporus ein, um die Unstimmigkeiten zu beseitigen.

Was wird passieren, wenn Yıldız mit der Maliki-Regierung kooperieren will, diese das Angebot aber nicht erwidern sollte? Selbst Yıldız als erfahrener Politiker wollte sich nicht auf dieses spekulative Gebiet wagen, es wäre jedoch wahrscheinlich, dass Ankara das Verlustpotenzial mit Blick auf Maliki einschränken und sich darauf konzentrieren würde, Beziehungen mit der KRG zu pflegen.

Schätzungen zufolge habe der Nordirak Ölreserven in Höhe von 45 Milliarden Barrel, zuzüglich zu drei bis sechs Trillionen Kubikfuß an natürlichen Gasvorkommen. Der Handel konzentriere sich auch sehr stark auf den Norden. Das sollte genug sein, um den Energiebedürfnissen der Türkei entgegenzukommen, sollte Ankara in Bezug auf Malikis Regierung aufgeben, so Yıldız. Wenn Maliki in Zukunft von einem vernünftigeren Politiker ersetzt werden sollte, könne Ankara dort weitermachen, wo es aufgehört hätte.

Der Energieminister der Türkei würdigte, dass die USA ein wichtiger Teil diese Entwicklung seien und gibt zu, dass die Diskussionen mit Washington um den Irak anhalten würden. Aber er machte in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass die Türkei ihre eigenen Bedürfnisse in keiner Weise in den Hintergrund stellen würde. Unter Verweis auf Verhandlungen der Türkei mit dem Iran über Gas gab er zu bedenken, dass jene, die wollten, dass die Türkei weniger abhängig vom Irak hinsichtlich des Erdgases würde, andere Anbieter nennen sollten und fügte hinzu, dass ja niemand Alternativen vorschlagen würde.

Dieses Problem war ein Kern-Thema beim zweitägigen Ankara-Besuch des US-Ministers John Kerry (l., mit Abdullah Gül) im März. Die türkische Delegation, angeführt vom Staatssekretär des Außenministeriums, Feridun Sinirlioğlu, schaffte es vorerst nicht, sich mit den US-Beamten zu einigen. Informationen über eine geänderte Sachlage liegen bis dato nicht vor.

Autoreninfo: Abdullah Bozkurt gilt als Kenner der türkischen Außenpolitik, insbesondere im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Ausrichtung. Er schreibt für „Today’s Zaman“.