Gesellschaft
„Die Behauptung, Alkohol würde verboten, ist Unsinn“
Die Einschränkungen des Verkaufs und der Bewerbung von Alkohol haben teils heftige Reaktionen nach sich gezogen. Einige Kommentatoren widmen sich dem Thema aber auch auf differenzierte Weise. (Foto: cihan)
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Ein Gesetzentwurf, der den Verkauf von alkoholischen Getränken drastisch einschränkt, wurde am vorletzten Freitag vom Parlament genehmigt und führte umgehend zu heftigen Debatten in der Öffentlichkeit. Von Befürwortern der Maßnahme wurde vor allem als Argument gebracht, dass in anderen Ländern ähnliche Einschränkungen angewendet würden und dass diese die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zum Ziel hätten. Andere wiederum kritisieren den Entwurf, da die Regelung für sie einen Versuch darstellt, sich in die Lebensweise der Menschen einzumischen.
Die Journalistin Nazlı Ilıcak darauf hin, dass – und das solle auch betont werden – der Konsum von Alkohol in der Türkei nicht gänzlich verboten sei. Es seien lediglich der Verkauf und die Sichtbarkeit von alkoholischen Getränken in der Öffentlichkeit eingeschränkt worden. Einige Einschränkungen, wie das Verbot des Verkaufs von Alkohol an Personen unter 18 Jahren, das Verbot der Beschäftigung solcher Personen in der Produktion, im Verkauf und in der Vermarktung alkoholischer Getränken und das Verbot des Verkaufs von alkoholischen Getränken an Standorten entlang der Autobahnen seien richtige Schritte, die längst überfällig gewesen wären. Allerdings seien einige andere Einschränkungen des Gesetzes zu ungenau formuliert, sagt sie.
„Der Grund für die heftigen Reaktionen gegen den Gesetzentwurf ist, dass viele Menschen nicht daran glauben, dass diese Einschränkungen zum Wohle der Gesundheit der Menschen und des inneren Friedens eingeführt worden wären. Diese Menschen könnten durchaus falsch liegen. Doch leider bedient sich der Premierminister bei der Verteidigung des Entwurfs einer Sprache, welche bewirkt, dass die Sorgen der Menschen noch stärker aufflammen”, so Ilıcak.
Vorsichtigere Sprache des Premierministers wäre hilfreich
Gülay Göktürk von „Bugün“ ist auch der Meinung, dass die meisten Kritiker gegen diesen Gesetzentwurf seien, weil sie ihn als einen Teil des Wunsches des Premierministers betrachten, eine religiöse Generation zu schaffen – welchen er in der Vergangenheit schon mal geäußert hätte. Er werde als ein Premierminister angesehen, der die ganze Gesellschaft dazu zwinge, so zu handeln, wie er es für richtig hält – und genau das beunruhige die Menschen, sagt sie. Der Ministerpräsident sollte eine andere und vorsichtigere Sprache wählen, um diesen Sorgen zu begegnen.
Ahmet Kekec von „Star“ erläutert, dass die neuen Einschränkungen den Konsum von alkoholischen Getränken nicht in großem Maße beeinflussen würden. Die größte Einschränkung sei das Verbot des Kaufs von alkoholischen Getränken nach 22 Uhr. „Doch sollten wir dafür dankbar sein, dass wir in der Türkei leben. Würden wir in Großbritannien leben, so würde man keine Kneipe oder kein Restaurant finden, wo man alkoholische Getränke nach Mitternacht konsumieren kann. Und wenn wir ein amerikanische Staatsbürger wären, hätten wir vielfach nicht die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit mit einer geöffneten Flasche eines alkoholischen Getränks in der Hand zu erscheinen. Natürlich dürfen wir sagen, dass wir immer noch alkoholische Getränke ab 22 Uhr kaufen wollen – es ist unser gutes Recht, einen solchen Anspruch zu haben. Doch dann sollte man seinen Wunsch genau äußern und nicht den Verstand der Menschen verwirren, in dem man sagt, Alkohol sei verboten. Das ist nämlich nicht wahr”, so Kekec.