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Politik

Gefährliche Vision von „Großalbanien“

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Viele Albaner fühlen sich um ihren Nationalstaat betrogen. Statt in sechs verschiedenen Ländern leben zu müssen, wollen sie einen gemeinsam Staat bilden. Die Frage nach einem „Großalbanien“ birgt Konfliktpotenzial. (Foto: rtr)

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Seit diesem Sommer können alle Albaner unabhängig von ihrem Wohnort einen Reisepass der Republik Albanien bekommen. Damit erfüllt die Regierung des Balkanlandes ihr Versprechen, das sie im Vorjahr zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Albaniens gegeben hatte. Auf ausländischen Druck musste die Regierung aber einen Rückzieher machen: Das Passangebot gilt nicht für das benachbarte Kosovo. Die Pläne Tiranas rochen offensichtlich zu sehr nach der Schaffung eines „Großalbaniens“.

In diesem Juli schlossen das NATO-Mitglied Albanien und das Kosovo ein Militärabkommen. Es sieht neben der gemeinsamen Ausbildung und Manövern auch die zeitweise Stationierung albanischer Einheiten im Kosovo vor, das fast nur noch von Albanern bewohnt wird. In Serbien, dessen Landsleute im Kosovo noch eine kleine Minderheit bilden, blinkten die Warnlampen. „Eine Armee für Großalbanien“, kritisierte die Belgrader Zeitung „Novosti“. Das sei „nur ein weiterer Schritt in Richtung Vereinigung“, schimpfte auch die Zeitung „Kurir“.

Den Verfechtern des Projekts schwebt vor, durch die Vereinigung der beiden Nachbarstaaten die Basis zur Schaffung eines „Großalbaniens“ zu schaffen. Damit solle ein „schreiendes Unrecht“ wieder gutgemacht werden, durch das die schätzungsweise sechs Millionen Albaner vor hundert Jahren bei der Londoner Konferenz auf fünf Staaten aufgeteilt wurden.

Die EU will von jeder Grenzveränderung auf dem Balkan nach all den blutigen Kriegen nichts wissen. Sie befürchtet, dass die Staaten mit albanischen Minderheiten dadurch destabilisiert würden. Die Gründung eines „Großalbaniens“ würde nach dieser Prognose bisherige Staaten zerschlagen und dem in den Kriegen der 90er Jahre gescheiterte Projekt eines Großserbiens wieder neuen Auftrieb geben.

„Albanische Frage“ ist ungelöst – und könnte Konflikte verursachen

„Die albanische Frage ist noch ungelöst und stellt eine dauerhafte Quelle für Konflikte dar“, behauptet dagegen der in Tirana lebende Cheftheoretiker des Vorhabens, Koco Danaj. Erst die Vereinigung aller Landsleute werde der gesamten Region Stabilität bringen. Das sieht auch die Kosovo-Partei „Vetevendosje“ (Selbstbestimmung) so. Die immerhin schon drittstärkste politische Kraft in dem Land strebt ebenfalls offen ein „Großalbanien“ an. Nicht ausgeschlossen ist, dass „Vetevendosje“ bei der kommenden Parlamentswahl noch stärker wird.

Zahlreiche albanische Spitzenpolitiker in Serbien, Mazedonien und Montenegro liebäugeln ebenfalls mit dieser Idee. Doch haben sie (noch) Angst, dadurch ihre heutige privilegierte Stellung in ihren jeweiligen Ländern zu verlieren. Zum Beispiel in Mazedonien, wo die Albaner schätzungsweise bis zu ein Drittel der Bevölkerung stellen. Dort sind Ali Ahmeti und seine DUI-Partei die Königsmacher für die slawische Regierungsmehrheit. Und gemeinsam mit der Konkurrenzpartei DPA kontrollieren die Albaner den Westen des Landes einschließlich des einträglichen Schmuggels ins Kosovo und nach Albanien. Auch in Montenegro sind die Albaner in der Regierung das Zünglein an der Waage.

Jedenfalls wird auch der legale Handel zwischen Albanien, dem Kosovo und Mazedonien immer umfangreicher. Die neue Autobahn von Albanien ins Kosovo halbiert die Fahrzeit auf heute vier bis fünf Stunden. Ein reges Austauschprogramm mit entsprechenden Stipendien lockt albanische Studenten aus den Nachbarländern nach Tirana. In letzter Zeit verlangen auch die schätzungsweise 60 000 Albaner in Südserbien immer wieder ihren Anschluss an das Kosovo, wo sie als „Ostkosovo“ betrachtet werden.

Offen sprechen sich nur wenige albanische Spitzenpolitiker für die Wiedervereinigung all ihrer Landsleute aus. Nach serbischer Lesart wird das Projekt „Großalbanien“ insgeheim von den USA unterstützt. Washington wolle damit Serbien und seinen großen Verbündeten Russland ausbremsen. Geopolitik oder eine der vielen Verschwörungstheorien auf dem Balkan – beweisen lässt sich natürlich nichts. (dpa/dtj)