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Gesellschaft

Anhaltende Proteste im Iran: Deutschland kündigt Sanktionen an

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Im iranischen Staatsfernsehen war am Wochenende kurzzeitig der Slogan „Steht auf und schließt euch uns an“ zu sehen. Gemeint waren die systemkritischen Demonstrationen. Die Protestwelle ebbt nicht ab.

Mehr als drei Wochen nach dem Tod einer jungen Frau im Iran sind erneut Demonstranten gegen die politische Führung auf die Straße gegangen. Dabei stieg die Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten bei den Protesten am Wochenende Augenzeugen zufolge deutlich – mindestens ein Mensch wurde getötet. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kündigte in der „Bild am Sonntag“ angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte Sanktionen gegen Urheber von Unterdrückungsmaßnahmen an.

Grünen-Politikerin Baerbock sagte in dem Interview: „Wir werden dafür sorgen, dass die EU die Verantwortlichen dieser brutalen Repressionen mit Einreisesperren belegt und ihre Vermögen in der EU einfriert.“ Weiter sagte sie: „Wer Frauen und Mädchen auf der Straße verprügelt, Menschen, die nichts anderes wollen als frei leben, verschleppt, willkürlich verhaftet, zum Tode verurteilt, der steht auf der falschen Seite der Geschichte.“

Abschiebestopp in den Iran

Die Rufe der Menschen auf den Straßen in Iran nach Selbstbestimmung seien „ohrenbetäubend“. Wegen der aktuellen Lage im Iran beschloss am Samstagabend auch Nordrhein-Westfalen nach mehreren anderen Bundesländern einen sofortigen Abschiebestopp in den Iran.

Die Polizei setzte Augenzeugen zufolge in der Nacht zu Sonntag gegen Tränengas gegen Demonstranten ein und beschoss diese mit Paintball-Munition. Damit wollen Sicherheitskräfte die Menschen in der Regel markieren, um sie später festzunehmen. Demonstranten warfen den Berichten zufolge mit Molotow-Cocktails und setzten mobile Polizeiwachen in Brand.

Demonstrant getötet

Ein junger Autofahrer wurde den Angaben zufolge in der westiranischen Stadt Sanandadsch während einer Demonstration durch einen Kopfschuss getötet. Demonstranten warfen der Polizei vor, den Mann erschossen zu haben, die wiederum machte die Demonstranten dafür verantwortlich.

Das iranische Staatsfernsehen wurde am Samstagabend unterdessen mutmaßlich gehackt: Das Programm in zwei Kanälen des Staatssenders IRIB war kurzfristig unterbrochen. Auf vielfach in den sozialen Medien geteilten Videos war zu sehen, wie anstelle des Programms ein Bild des obersten geistlichen Führers Ali Chamenei in Flammen eingeblendet wurde – auf seinem Gesicht ist ein Fadenkreuz zu sehen. „Steht auf und schließt euch uns an“, war auf Persisch zu lesen.

Hackergruppe zeigt Amini im Fernsehen

Außerdem wurde ein Bild von der im September in Polizeigewahrsam gestorbenen Mahsa Amini gezeigt sowie die von drei weiteren mutmaßlich bei den Protesten getöteten jungen Frauen. Die Nachrichtenagentur Tasnim schrieb, das Programm sei „für ein paar Augenblicke“ unterbrochen worden. Eine Aktivistengruppe namens Edaalate Ali (Alis Gerechtigkeit) reklamierte die Aktion für sich. Auch eine Maske der Hackergruppe Anonymous wurde eingeblendet. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die iranische Führung kam unterdessen zu einem Krisentreffen zusammen. Nach Angaben des Präsidialamts nahmen daran neben Präsident Ebrahim Raisi der Parlamentspräsident sowie der Justizchef teil. In einer gemeinsamen Erklärung riefen sie das Volk auf, die nationale Einheit zu bewahren und sich gegen die „feindseligen Verschwörungen“ der Feinde des islamischen Systems zu stellen.

Vize-Innenminister verwirrt

Vize-Innenminister Madschid Mirahmadi erklärte die Proteste unterdessen für beendet und kündigte zugleich ein noch härteres Vorgehen gegen Demonstranten an. Ruhe und Sicherheit seien abgesehen von „einigen kleinen Unruhen“ wieder hergestellt, sagte er. Informationen vor Ort und Videos in den sozialen Medien zeichnen jedoch ein anderes Bild – die Proteste wurden auch am Sonntag landesweit fortgesetzt. Weiter sagte Mirahmadi an die Demonstranten gerichtet: „Die werden nach ihrer Festnahme nicht mehr freigelassen und bleiben bis zu ihrem Gerichtsprozess in Haft.“

Die Proteste gegen das islamische System gehen in ihre vierte Woche. Sie hatten nach dem Tod der 22-jährigen Amini Mitte September begonnen. Die Sicherheitskräfte gehen auch mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Beobachtern zufolge sind mindestens Dutzende Menschen im Zusammenhang mit den Protesten getötet worden, viele weitere wurden verletzt.

Amini war festgenommen worden, weil ihr ein Verstoß gegen die islamische Kleiderordnung vorgeworfen wurde. Nach Angaben von Aktivisten wurde sie im Polizeigewahrsam geschlagen und starb an den Folgen einer Kopfverletzung. Die Polizei weist zurück, Gewalt angewendet zu haben. Die Behörden geben als Todesursache Herzversagen aufgrund einer Vorerkrankung an.

dpa/dtj

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