Politik
Europarat suspendiert Russland – Türkei enthält sich
Mit dem Angriff auf die Ukraine verstößt Russland auch gegen seine Verpflichtungen beim Europarat. Die Institution entzieht dem Land nun vorübergehend seine Vertretungsrechte. Der Schritt ist in der Geschichte des Europarats quasi einmalig.
Der Europarat hat in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine in einem historischen Schritt Russland suspendiert. Das Ministerkomitee mit Vertretern der 47 Mitgliedsländer entschied am Freitag, Russland mit sofortiger Wirkung von seinen Repräsentationsrechten in der Straßburger Organisation vorläufig zu entbinden. Das Land bleibt dennoch formell Mitglied. 42 Staaten stimmten für die Suspendierung, Armenien und Russland dagegen. Die Türkei enthielt sich und Aserbaidschan blieb der Abstimmung fern.
Kurz vor dem Nato-Sondergipfel zum russischen Angriff auf die Ukraine rief der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Mitgliedsstaaten derweil zu einer entschlossenen Haltung auf. Die Verurteilung des russischen Vorgehens von Seiten westlicher Staaten drohe zu einem Puppentheater zu werden, sagte Erdoğan. Er hoffe, dass die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten zu einer engagierteren Haltung kommen. Westliche Mächte gäben der Ukraine bisher nur viele Ratschläge, aber gewährten keine konkrete Unterstützung.
Türkei: Russland darf weiterhin Meerengen passieren
Die Türkei ist Nato-Mitglied, pflegt aber sowohl zur Ukraine wie auch zu Russland enge Beziehungen. Das Land ist wegen Energielieferung, aber auch mit Blick auf andere Konfliktfelder von guten Beziehungen mit Moskau abhängig. Experten gehen davon aus, dass sich eine Verschiebung in den Beziehungen zwischen der Türkei und Russland auch auf das Verhältnis beider Staaten in Syrien, Libyen oder dem Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan auswirken könnte.
Die Türkei lehnt wohl auch daher die Aufforderung der Ukraine vorerst ab, die Meerengen zum Schwarzen Meer für Russland zu schließen. Nach internationalem Recht müsse die Türkei Russland unter bestimmten Bedingungen die Durchfahrt durch den Bosporus und die Dardanellen zum Schwarzen Meer garantieren, sagte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu der türkischen Zeitung „Hürriyet“ vom Freitag.
Vertrag von Montreux ganz eindeutig
Man sei aber weiter mit der Analyse der Situation beschäftigt. Er dämpfte aber die Hoffnung auf Sanktionen gegen die Russische Föderation. Die Türkei hat die Hoheit über die beiden Meerengen.
Der ukrainische Botschafter in Ankara hatte die Türkei aufgefordert, die Meerengen zwischen Mittelmeer und Schwarzen Meer für russische Schiffe zu blockieren. Çavuşoğlu sagte dazu, russische Schiffe dürften auch im Kriegsfall noch in ihre Heimathäfen zurückzukehren. So steht es auch im Vertrag von Montreux, der die Durchfahrt regelt.
Der enthält aber auch einen Passus, der der Türkei die Blockade ermöglicht, etwa wenn sie sich bedroht fühlt. Der Botschafter hatte weiter von Ankara gefordert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. „Wir haben immer gesagt, dass Sanktionen im Prinzip keine Probleme lösen“, sagte der türkische Außenminister, ohne dabei direkt auf die Forderung einzugehen.
Resolution scheitert im UN-Sicherheitsrat
Hintergrund der Aufforderung zur Blockade der Meerengen dürfte der Versuch sein, Russland daran zu hindern, weitere Kriegsschiffe in das Schwarze Meer zu bringen. Moskau hat aber in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Kriegsschiffe über die Meerengen in das Schwarze Meer gebracht – im Voraus eines Militärmanövers Mitte Februar.
Eine gegen Russlands Einmarsch in die Ukraine gerichtete Resolution ist im UN–Sicherheitsrat gescheitert. Moskau legte bei der Abstimmung im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen am Freitag in New York wie erwartet ein Veto gegen den Text ein – China jedoch enthielt sich zusammen mit zwei weiteren Ländern.
Russland wird isoliert
Elf Staaten des 15-köpfigen Rates stimmten für den Text. Westliche Diplomaten werteten dies als Erfolg bei ihrem Versuch, Russland diplomatisch zu isolieren und einen Keil zwischen Moskau und Peking zu treiben.
Der Entwurf der Resolution, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, verurteilt Russlands Aggression „aufs Schärfste“ und bekräftigt die Souveränität und territoriale Integrität sowie die Unabhängigkeit und Einheit der Ukraine. Von Russland wird darin der sofortige Rückzug sowie die Rückkehr zum Minsker Abkommen verlangt. In dem Text – der unter Federführung der USA entstand – heißt es unter anderem, der Sicherheitsrat möge beschließen, „dass die Russische Föderation ihre Streitkräfte unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen abzieht“.
dpa/dtj