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Freitagspredigt: Ditib lässt sich erneut für Ankara instrumentalisieren

  • Juli 13, 2025
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Freitagspredigt: Ditib lässt sich erneut für Ankara instrumentalisieren

An diesem Freitag wurde in allen Moscheen der DITIB in Deutschland eine Freitagspredigt gehalten, die eine klare politische Stoßrichtung verfolgte: Der Blick richtete sich – wie bereits in den Vorjahren – auf den 15. Juli, den Jahrestag des Putschversuchs in der Türkei 2016. In koordinierter Übereinstimmung mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet wurden den Gläubigen in Deutschland Predigten zugemutet, die einer politischen Generalabrechnung mit der sogenannten Gülen-Bewegung glichen.

Unter dem Titel „Seien wir wachsam gegenüber jenen, die mit Allah betrügen“ wurde nicht nur der Begriff „FETÖ“ unkritisch übernommen, sondern die Anhänger der Gülen-Bewegung, per Selbstbezeichnung „Hizmet“, pauschal als Betrüger, Manipulatoren und Verführer dargestellt. Die Predigt warnte vor „geheimen Organisationen“, die sich der Religion für eigennützige Zwecke bedienen, und betonte, dass der Putschversuch von 2016 durch eine „verdorbene Denkweise“ orchestriert worden sei – eine Formulierung, die die Gülen-Bewegung direkt kriminalisiert.

DITIB unterstützt das politische Framing der AKP und stellt Gläubige in Deutschland an den Pranger

In der türkischen Version der Predigt, veröffentlicht auf der offiziellen Webseite der DITIB, wird explizit zum Jahrestag des 15. Juli aufgerufen, sich gegen „istismarcı yapılar“ (ausbeuterische Strukturen) zu wappnen. Die vermeintliche Mahnung zur Wachsamkeit entpuppt sich als politisches Framing im religiösen Gewand.

Dass sich die DITIB – trotz ihrer Stellung als gemeinnütziger Religionsverband in Deutschland – immer wieder für die politische Agenda Ankaras instrumentalisieren lässt, ist kein neues Phänomen. Besonders dünn wurde die Luft für die DITIB, als sie 2016 im Zusammenhang mit der Spionageaffäre für die Regierung in Ankara stand. Zahlreiche Recherchen von Correctiv, ZDF und ARD belegen, dass DITIB-Imame ihre eigene Community ausgespäht hatten, um ganze Namenslisten vermeintlicher Verräter in die türkische Hauptstadt zu überstellen.

Auch mehrfach sind DITIB-Freitagspredigten negativ aufgefallen. Doch der Gleichklang mit dem türkischen Staatsnarrativ ist angesichts der sensiblen gesellschaftlichen Rolle der DITIB hochproblematisch. Denn gerade in einem demokratischen Rechtsstaat wie Deutschland darf Religion nicht zur politischen Waffe verkommen.

Umstrittener AKP-Frame: Gülen-Bewegung wird kollektiv beschuldigt

Die Gülen-Bewegung, die sich selbst als Bildungs- und Dialogbewegung versteht, wird von der türkischen Regierung als Terrororganisation gebrandmarkt. Internationale Gerichte hingegen haben diese Einordnung bislang nicht bestätigt. Auch die Frage, ob die Bewegung tatsächlich hinter dem Putsch vom 15. Juli stand, ist weiterhin umstritten. Zwar ist unstrittig, dass einzelne Putschisten Verbindungen zur Bewegung hatten. Doch dass Hizmet als Organisation die Strippen gezogen hat, ist weder belegt noch anerkannt. Die Bewegung selbst bestreitet jede Beteiligung und weist auf die seit Jahren andauernde Hexenjagd in der Türkei hin: Zehntausende Menschen wurden inhaftiert, verloren ihre Arbeit oder wurden gesellschaftlich isoliert – häufig ohne stichhaltige Beweise.

Dass diese Narrative nun auch auf deutschen Kanzeln wiederholt werden, ist alarmierend. Die DITIB riskiert damit nicht nur ihre Glaubwürdigkeit als religiöse Institution, sondern auch das fragile Vertrauen in eine von politischen Einflüssen unabhängige muslimische Zivilgesellschaft in Deutschland. Den Musliminnen und Muslimen in Deutschland erweist die DITIB damit einen Bärendienst.

DITIB schädigt regionale Errungenschaften durch Ankara-Bezug

In vielen deutschen Städten haben sich über Jahre hinweg persönliche Freundschaften, kommunale Partnerschaften und demokratische Allianzen zwischen muslimischen Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt. Diese mühsam aufgebauten Strukturen des Vertrauens und der Zusammenarbeit bilden das Fundament für ein friedliches und respektvolles Miteinander.

Doch genau diese wertvolle Arbeit an der Basis wird von der DITIB regelmäßig untergraben, wenn sie sich auf Anweisung aus Ankara für politische Zwecke instrumentalisieren lässt. Die Religion wird zur Bühne internationaler Machtkämpfe, während vor Ort engagierte Muslime den Preis zahlen – etwa durch Vertrauensverlust, erschwerte Integrationsarbeit und zunehmende Skepsis seitens nicht-muslimischer Partner. Wer echte Teilhabe will, muss sich von autoritärer Einflussnahme emanzipieren.

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