Gesellschaft

Gülen-Konferenz: Kanter würdigt „Vaterfigur der Empathie“

  • Oktober 9, 2025
  • 5 min read
  • 36 Views
Gülen-Konferenz: Kanter würdigt „Vaterfigur der Empathie“

Knapp ein Jahr nach dem Tod von Fethullah Gülen versammelten sich Forscher, Schüler und Weggefährten zu einer internationalen Konferenz in Morristown, New Jersey. Unter den Rednern: der ehemalige NBA-Spieler Enes Kanter Freedom, der Gülen als „Vaterfigur und Künder der Empathie“ bezeichnete – und schilderte, wie ihn dessen Botschaft geprägt hat.

Vom 3. bis 5. Oktober fand in Morristown, New Jersey, eine internationale Konferenz über die Gedankenwelt und das Wirken von Fethullah Gülen statt. Organisiert wurde diese vom Peace Islands Institute und dem Respect Institute. Knapp ein Jahr nach dem Ableben des Islamgelehrten am 20. Oktober 2024 sollte die Konferenz Themen der Bildung, des Dialogs, der Friedensstiftung und der Identitätsbildung diskutieren.

Als prominenter Gast hat dabei der bekannte Ex-Basketballstar Enes Kanter ein Impulsreferat gehalten. Der 1992 in der Schweiz geborene Sportler, der in der Türkei aufwuchs und später in den USA Karriere machte, gilt als einer der bekanntesten Unterstützer der Gülen-Bewegung, die sich selbst als Hizmet bezeichnet.

„Er fragte mich, ob ich Fußball- oder Volleyballspieler sei“

Kanter schilderte seine erste Begegnung mit Gülen im Jahr 2013: „Er hat mich gefragt, ob ich Fußball- oder Volleyballspieler sei“, erinnerte sich der frühere Celtics-Profi schmunzelnd. Schüler hätten ihm erzählt, Gülen sehe sich hin und wieder Basketballspiele an – „nicht für drei oder vier Stunden, nur ein oder zwei Minuten, aber das hat mich berührt“.

Der Spitzensportler habe zum ersten Mal von Gülen gehört, als er noch ein Kind war: „Meine Eltern wollten das Beste für mich und schickten mich auf eine Gülen-Schule. Wir hatten viele Gespräche untereinander oder mit den Lehrern. Ich sah seine Videos, las seine Bücher und versuchte, seine Botschaften zu verstehen.“

Als Jugendlicher habe ihn Gülens Mission inspiriert, „die Welt gemeinsam zu einer besseren zu machen und Menschen aller Hintergründe zusammenzubringen“. Während seines Studiums an der Universität von Kentucky habe er den Wunsch verspürt, Gülen persönlich zu treffen.

„Botschaft, die über Religion und Herkunft hinausreicht“

„Es ist unbedeutend, was dein Hintergrund ist, deine Hautfarbe, deine Religion – wer immer du bist: Wir müssen unsere Unterschiede beiseite legen und uns auf das konzentrieren, was wir gemeinsam haben“, zitierte Kanter Freedom Gülen, der in Hizmet-Kreisen nur als Hocaefendi bekannt ist. „Wir haben nur diese eine Welt – deshalb müssen wir sie gemeinsam zu einem besseren Ort machen.“

Das Wort „gemeinsam“, so Kanter, sei für ihn das Entscheidende gewesen – nicht nur im Leben, sondern auch im Sport. „Was Gülen mir sagte, machte mich zu einem besseren Teamkameraden. Ich lernte, meine Mitspieler als Brüder zu sehen, unabhängig von ihrer Herkunft.“

Er erzählte zudem eine persönliche Anekdote: Nachdem er Gülen von seinen häufigen Knieverletzungen berichtet hatte, habe ihm dieser Knieschoner aus seinem eigenen Hinterzimmer gebracht. „Ich trug sie, und war der Einzige, der alle 82 Spiele der Saison absolvierte“, so der Basketballer, der seit seinem NBA-Aus keinen neuen Verein gefunden hat. „Das werde ich nie vergessen.“

Gülen als Vaterfigur und Lehrer der Empathie

Enes Kanter, der wegen seiner offenen Kritik am Erdoğan-Regime von seiner Familie in der Türkei verstoßen wurde und auch nicht mehr für die türkische Nationalmannschaft auflaufen durfte, sprach mit spürbarer Rührung über die väterliche Zuwendung Gülens: „Er ist wie eine Vaterfigur für mich geworden. Jedes Mal, wenn wir uns sahen, fragte er nach meiner Familie.“

Die zweite große Lehre, die er von ihm gelernt habe, sei die der Empathie. Gülen habe immer betont, dass die Welt diese Tugend am dringendsten brauche: „Jeder muss lernen, sich in die Schuhe seines Mitmenschen zu stellen. Wir leben in diesem Land, essen die besten Lebensmittel, wohnen in den schönsten Häusern – während auf der anderen Seite der Welt Menschen ihre Liebsten, ihr Zuhause oder ihr Leben verlieren.“

Gülen habe, so Kanter, die Gabe besessen, „die Herzen von Menschen zu berühren“. Er rief die Zuhörer auf, das Erbe des Lehrers fortzuführen: „Es liegt an uns, kommende Generationen zu inspirieren, damit unsere Zukunft besser und heller wird. Bildung, Dialog und das Heranziehen junger Menschen sind der Schlüssel – unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Hintergrund.“

Kanter fügte seinem Namen nach Erlangung des US-Passes „Freedom“ hinzu

Fethullah Gülen (1941–2024) war ein islamischer Gelehrter, Prediger und Autor, dessen Ideen Millionen Menschen in aller Welt beeinflusst haben. Mit seiner Betonung von Bildung, interreligiösem Dialog und sozialem Engagement wurde er zu einem der bedeutendsten Denker des zeitgenössischen Islam. Die von ihm inspirierte Hizmet-Bewegung („Dienst“) betreibt weltweit Schulen, Hilfswerke und Kulturzentren.

Nach dem Putschversuch von 2016 wurde Gülen in der Türkei von der Regierung Erdoğan zur Staatsfeindfigur erklärt. Er lebte seit 1999 im Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania. Trotz anhaltender Repressionen gegen seine Anhänger bleibt sein geistiges Erbe lebendig – wie die Konferenz in Morristown zeigt.

Der ehemalige NBA-Spieler Enes Kanter (Oklahoma, Boston, Portland u.a.) erhielt 2021 die US-Staatsbürgerschaft und fügte seinem Namen den Zusatz Freedom hinzu. Seit Jahren setzt er sich weltweit für Menschenrechte und Meinungsfreiheit ein – insbesondere für Opfer politischer Verfolgung in der Türkei. Für seinen Einsatz wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Geneva Summit Courage Award. In der Türkei wird er aufgrund seines offenen Bekenntnisses zur Bewegung kritisiert und angefeindet.

About Author

dtj-online