Hakan Fidan: Aus als Erdoğan-Nachfolger?
Der türkische Außenminister Hakan Fidan sieht sich mit Fragen zu seiner akademischen Laufbahn konfrontiert. Ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP bezweifelt die Rechtmäßigkeit seines Universitätsabschlusses – und spricht von einem Test für Transparenz und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.
Lange Zeit galt der heutige türkische Außenminister Hakan Fidan als der designierte Nachfolger von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. In den vergangenen Jahren verblasste sein Stern jedoch zunehmend. Anfang des Jahres wiesen Umfragen mit Blick auf eine mögliche Präsidentschaftskandidatur nur einstellige Prozentanteile aus.
Nun könnte eine Affäre rund um seinen Studienabschluss möglichen Ambitionen auf das höchste Amt im Staate einen Riegel vorschieben. Der frühere Diplomat und stellvertretende CHP-Vorsitzende Namık Tan hat Aspekte zu Fidans akademischer Karriere offengelegt, die diesem Probleme bereiten könnten.
Fidan nahm Studium an Bilkent-Universität vor Anerkennung von Bachelor-Grad auf
Bisher ist bekannt, dass der frühere Geheimdienstchef 1997 während eines NATO-Einsatzes im Ausland einen Bachelorabschluss in „Politics and Administrative Science“ an der University of Maryland erhielt. Genau genommen handelte es sich um einen Abschluss des dortigen University College, das heute als „Global Campus“ bekannt ist.
Dort hatte Fidan 1994 sein Studium begonnen, 1997 beendete er es. Damit absolvierte er ein Studium in drei Jahren, dessen vergleichbare türkische Studiengänge vier Jahre dauern. Die türkische Hochschulbehörde YÖK stellte ihm erst im Januar 1998 eine Gleichwertigkeitsbescheinigung aus.
Bereits zuvor hatte Fidan jedoch 1997 ein Masterstudium an der Bilkent-Universität begonnen. Das ist ein unübliches Vorgehen, denn üblicherweise setzt die Aufnahme einer solchen Ausbildung die rechtsgültige Verleihung eines Bachelor-Titels voraus.
CHP-Vize Tan fordert Offenlegung aller Unterlagen
Namık Tan wirft nun die Frage auf, welche gesetzliche Grundlage es dafür gegeben habe, Fidan überhaupt zum weiteren Studium zuzulassen. Tan konnte Einsicht in offizielle Unterlagen nehmen, und bilanzierte auf X: „Unsere Zweifel waren berechtigt. Offizielle Unterlagen belegen, dass Fidan ein dreijähriges Fernstudium absolvierte und das Masterprogramm begann, ohne die notwendige Anerkennung durch die YÖK erhalten zu haben.“
Die YÖK bestätigte auf Anfrage den zeitlichen Ablauf. Allerdings ging sie nicht auf die von Tan angesprochenen Unwägbarkeiten ein. Der Abgeordnete forderte nun Fidan dazu auf, alle akademischen Dokumente offenzulegen, die seine akademische Karriere betreffen. Der CHP-Vize erklärte, es gehe „nicht um eine biografische Kleinigkeit, sondern um Vertrauen in die Institutionen und den Rechtsstaat“.
Fidan: Erdoğan-Vertrauter und Graue Eminenz
Der heute 57-jährige Fidan diente in den türkischen Streitkräften, bevor er die Leitung der staatlichen Entwicklungsagentur TİKA übernahm. Diese führte er von 2003 bis 2007, in dieser Zeit promovierte er auch im Bereich „Internationale Beziehungen“. Anschließend ernannte der damalige Premierminister Erdoğan ihn zum Unterstaatssekretär. Im Mai 2010 wurde er zum Chef des Nachrichtendienstes MİT ernannt.
Als Graue Eminenz in der türkischen Politik und einer der engsten Vertrauten Erdoğans übte er dieses Amt bis 2023 aus. Fidan gilt als Architekt des ersten Gesprächsprozesses mit dem inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan, der 2012 begann und 2015 scheiterte. Außerdem war Fidan eine der treibenden Kräfte bei der Dämonisierung und Ausschaltung der Gülen-Bewegung.
Parallelen zum Fall İmamoğlu wecken politische Fragen
Eine zusätzliche politische Brisanz erhält die nunmehrige Debatte durch ihre Parallelen zu einem anderen prominenten Fall. Im Frühjahr 2025 hatte die YÖK dem mittlerweile inhaftierten CHP-Politiker und Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu dessen Universitätsabschluss aberkannt. Zuvor hatte die Istanbul-Universität angebliche Unregelmäßigkeiten bei seiner Studienanerkennung festgestellt. Vor allem hatte man Anstoß genommen an dessen dorthin Wechsel von einer Privatuniversität in Nordzypern im Jahr 1990. Eine nachträgliche Heilung von Formfehlern hatte man ihm auch nicht zugebilligt.
Kritiker sahen darin einen Versuch, İmamoğlus Präsidentschaftskandidatur zu verhindern. Immerhin ist ein gültiges Universitätsdiplom rechtlich Voraussetzung für eine Kandidatur für das Präsidentenamt. Sollten sich die Zweifel an der rechtlichen Sauberkeit von Fidans Studienabschluss bestätigen, könnte auch eine mögliche Präsidentschaftskandidatur seinerseits infrage stehen.



