Panorama
Illerkirchberg: Asylbewerber wegen Mordes an 14-jähriger Ece angeklagt
Nach dem Angriff auf zwei Schülerinnen in Illerkirchberg bei Ulm ist Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes gegen den Verdächtigen erlassen worden. Die 14-Jährige Deutschtürkin Ece wurde bei der Attacke tödlich und ein 13 Jahre altes Mädchen schwer verletzt.
Der 27-jährige mutmaßliche Angreifer berufe sich auf sein Aussageverweigerungsrecht, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Mann befindet sich nun in einem Justizvollzugskrankenhaus. Der Eritreer soll am Montag die zwei Mädchen auf dem Schulweg angegriffen und schwer verletzt haben.
Täter bislang nicht polizeibekannt
Eve starb später in der Klinik. Die Obduktion ergab, dass die 14-Jährige nach Stichverletzungen verblutete. Die Polizei fand bei dem 27-Jährigen ein Messer, das als Tatwaffe in Betracht komme. Der Mann sei den Behörden nicht durch Gewaltdelikte aufgefallen – er sei lediglich als Schwarzfahrer erwischt worden.
Hinweise auf eine politische oder religiöse Motivation gebe es nicht, sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei einem Besuch am Tatort. Neben den schweren körperlichen Verletzungen gehe es der 13-Jährigen auch psychisch nicht gut, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Gedenkminute im Landtag
Das Mädchen habe zwischenzeitlich erfahren, dass seine Freundin getötet wurde. Auch für die 13-Jährige werde die Tat Folgen haben, betonte Strobl. Das grün-schwarze Kabinett im Südwesten widmete den Opfern der Gewalttat eine Gedenkminute. Der Verdächtige war mit erheblichen Verletzungen ins Krankenhaus gekommen und wurde stundenlang operiert.
Bei der Vorführung in der Klinik machte der Mann gegenüber der Richterin keine Angaben. Das Motiv des Mannes ist daher weiter unklar. Erkenntnisse zu einer psychischen Beeinträchtigung des Verdächtigen lägen ihm bislang nicht vor, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft am Vormittag.
Zwei weitere Männer wieder auf freiem Fuß
Nach der Tat soll der Mann in eine Flüchtlingsunterkunft geflüchtet sein, aus der er vor dem Angriff auch gekommen sein soll. Dort waren noch zwei weitere Männer aus Eritrea, die die Beamten zunächst mit zur Dienststelle nahmen. Die zwei Männer wurden später wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Verdacht gegen sie habe sich nicht erhärtet.
„Jetzt ermitteln Staatsanwaltschaft und Polizei, weshalb es zum Angriff auf die beiden Mädchen kam und ob der Tatverdächtige und die beiden Mädchen sich vorher kannten“, teilten die Behörden mit. Die Tat könnte auch eine politische Dimension bekommen, weil ein Asylbewerber als tatverdächtig gilt.
„Kein Anlass für Hass und Hetze!“
Mehrere AfD-Politiker gingen darauf schon am Montag ein. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte vor voreiligen Schlüssen: „Ich kann nur warnen, irgendwelche Zusammenhänge aufzustellen, bevor überhaupt die Tat aufgeklärt ist.“
Auch Strobl rief zu Besonnenheit auf: „Dieses Ereignis darf kein Anlass und keine Rechtfertigung für Hass und Hetze sein“, sagte er. Diese Straftat müsse mit aller Konsequenz aufgeklärt und der Täter mit aller Konsequenz bestraft werden.
Türkischer Botschafter besucht die Familie
Die Polizei bat darum, „keinen Generalverdacht gegen Fremde, Schutzsuchende oder Asylbewerber allgemein zu hegen oder solchem Verdacht Vorschub oder Unterstützung zu leisten“. AfD-Politiker wie die Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel wiederum thematisierten in Stellungnahmen genau diesen Aspekt.
Das getötete Mädchen habe die deutsche Staatsbürgerschaft besessen und einen türkischen Migrationshintergrund, hieß es aus dem Innenministerium. Der türkische Botschafter Ahmet Başar Şen forderte eine lückenlose Aufklärung der Tat, welche die türkische Gemeinschaft stark verunsichert habe.
Der Botschafter hatte am Morgen nach eigenen Angaben die Familie des gestorbenen Mädchens besucht. Er habe den Eltern die Anteilnahme der türkischen Gemeinschaft ausgesprochen, sagte Şen. Der Angriff sei ein Schock für alle.
Notfallseelsorger stehen Familien bei
Nach der tödlichen Schulweg-Attacke stehen Notfallseelsorger den betroffenen Familien zur Seite. „Es geht darum, dass sie das Gefühl bekommen, dass sie in diesen schweren Stunden nicht allein sind“, sagte der Leiter der Notfallseelsorge Ulm/Alb-Donau-Kreis, Michael Lobenhofer.
Aber auch Organisatorisches wie etwa eine Trauerfeier für die 14-Jährige sei ein Thema, zu dem die drei Seelsorger vor Ort Antworten beisteuern. „Wenn wir sehen, dass Verwandte und Freunde sich gut um die Familien kümmern, ziehen wir uns wieder zurück.“ Außerdem werde eine Person betreut, die das Verbrechen gesehen habe, sagte Lobenhofer.
Angst vor dem Schulweg
Auch Eltern und Lehrer melden sich bei der Notfallseelsorge, um zu erfahren, wie sie mit ihren erschütterten Kindern umgehen sollen. Es gelte dann, darauf hinzuweisen, dass man in Deutschland generell in Sicherheit lebe, solche Dinge aber immer wieder vorkämen, betonte Lobenhofer.
Zu den Aufgaben der Notfallseelsorge gehöre es auch, Gerüchten und Halbwahrheiten entgegenzuwirken. Wenn Kinder Angst vor dem Schulweg zeigten, sollten Eltern sie begleiten oder in einer Gruppe mit anderen zusammen laufen lassen. Lehrer sollten auf Signale hören und ins Einzelgespräch gehen, statt mit der ganzen Klasse über den Tod der Schülerin zu sprechen.
„Man darf die Kinder nicht überfrachten, manche wollen auch nicht alles hören“, erläuterte Lobenhofer. Auch der schulpsychologische Dienst sei bei der von den beiden Mädchen besuchten Schule im Einsatz.
dpa/dtj