İmamoğlu vor Gericht: „Ich bin hier, weil ich die Wahlen in Istanbul dreimal gewonnen habe“

Ankara: Eine Frau schwenkt während einer Kundgebung eine Fahne mit dem Porträt des verhafteten Bürgermeisters der Stadt Istanbul, Ekrem İmamoğlu. Foto: Tunahan Turhan/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Der inhaftierte und abgesetzte Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu hat beim Prozessauftakt wegen des Vorwurfs der Bedrohung eines Staatsanwalts ausgesagt. İmamoğlu erschien persönlich in Silivri vor Gericht. „Ich bin immer jemand, der versöhnt“, sagte İmamoğlu in der Verhandlung, wie die türkischen Zeitungen Cumhuriyet berichtete. „Ich bin hier, weil ich die Wahlen in Istanbul dreimal gewonnen habe“.
Ein Anwalt İmamoğlus kritisierte, dass der Prozess nicht wie geplant im Istanbuler Gerichtsgebäude stattfand, sondern ins abgelegene Silivri verschoben wurde. Durch die Entfernung und schwierigere Zugangsbedingungen in Silivri verstoße das gegen das grundsätzliche Öffentlichkeitsprinzip eines Prozesses, so der Anwalt.
Der nächste Prozesstag wurde für den 16. Juni angesetzt, wie İmamoğlus Anwalt der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Gefordert werden eine Freiheitsstrafe von bis zu 7 Jahren und 4 Monaten sowie ein Politikverbot.
Weitere Prozesse stehen an
Am Nachmittag steht İmamoğlu ein weiterer Prozess bevor, bei dem ihm Betrugsvorwürfe bei Ausschreibungen im Jahr 2015 in seiner Zeit als Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü gemacht werden. Bei dem Prozess wird İmamoğlu nach Angaben seines Anwaltes nicht vor Ort sein.
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Auch in diesem Fall drohen dem Politiker eine Haftstrafe und ein politisches Betätigungsverbot. Die Verfahren haben inhaltlich nichts mit der jüngsten Festnahme İmamoğlus wegen Korruptions- und Terrorvorwürfen zu tun. Die Prozesse in dem Zusammenhang beginnen voraussichtlich erst im Juni.
İmamoğlu 2022 zu Politikverbot verurteilt
İmamoğlu wurde 2022 bereits in einem anderen Verfahren wegen Beamtenbeleidigung zu einem Politikverbot verurteilt. Die Entscheidung ist aber bislang nicht rechtskräftig. In einem Prozess gegen die Oppositionspartei CHP ist İmamoğlu außerdem am Freitag als Zeuge geladen.
Die Opposition sowie Kritiker werfen der Regierung vor, den größten Rivalen der kommenden Präsidentschaftswahlen von Recep Tayyip Erdoğan durch die Verfahren gegen ihn kaltstellen zu wollen. Am 19. März wurde İmamoğlu wegen Terror- und Korruptionsvorwürfen festgenommen. Die Terrorvorwürfe wurden inzwischen fallengelassen. Die CHP bekräftigte, dass İmamoğlu trotz seiner Haft weiterhin ihr Kandidat für die Wahlen sei, die spätestens in drei Jahren abgehalten werden sollen.
Wegen der Korruptionsvorwürfe sitzt er derzeit im Marmara-Gefängnis in Silivri in der Provinz Istanbul. Seine Festnahme löste die größte innenpolitische Krise seit vielen Jahren in der Türkei aus. Hunderttausende zog es zu regierungskritischen Protesten auf die Straße. İmamoğlus Sieg bei der Bürgermeisterwahl 2019 in Istanbul, der bevölkerungsreichsten Stadt und Provinz, gilt als bis dahin größte Niederlage der Partei Erdoğans.
dpa/dtj