Politik

Kemal Kılıçdaroğlu – vom ewigen Oppositionsführer zur „gescheiterten Figur“?

  • September 22, 2025
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Kemal Kılıçdaroğlu – vom ewigen Oppositionsführer zur „gescheiterten Figur“?

Levent Gültekin ist bekannt für seine pointierten Analysen der türkischen Politik. Auf seinem YouTube-Kanal legt der Journalist regelmäßig Linien offen, die im politischen Alltag unsichtbar bleiben. Mit seinen Verbindungen und langjähriger Erfahrung schafft er es, Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen – oftmals mit Vorhersagen, die sich erst nach Jahren bestätigen.

Zuletzt kommentierte Gültekin die Rolle von Kemal Kılıçdaroğlu im Zusammenhang mit der Diskussion um eine mögliche Zwangsverwaltung der CHP durch den Staat. Präsident Recep Recep Tayyip Erdoğan und seine Regierung versuchen seit Monaten auf juristischem Wege, die größte Oppositionspartei massiv unter Druck zu setzen, auch wenn sie es öffentlich nicht zugeben. Szenarien kursierten, wonach der abgewählte frühere Vorsitzende Kılıçdaroğlu im Falle einer Zwangsverwaltung wieder an die Spitze seiner alten Partei gehievt werden könnte – selbst auf Kosten einer Absetzung oder gar Verhaftung des jetzigen Vorsitzenden Özgür Özel.

Gültekins frühere Warnungen blieben lange unerhört

Bereits vor zwei Jahren hatte Gültekin berichtet, Kılıçdaroğlu persönlich von einer Präsidentschaftskandidatur gegen Erdoğan abgeraten zu haben. Seiner Einschätzung nach hätte nur Ekrem İmamoğlu, der charismatische und mittlerweile abgesetzte Bürgermeister Istanbuls, eine reale Chance gehabt, Erdoğan zu besiegen. Kılıçdaroğlu habe jedoch erwidert, dass seine Kandidatur von einer „Stelle“ längst beschlossen worden sei, die nicht einmal er selbst infrage stellen könne. Gültekin schloss daraus, dass es Kräfte im Hintergrund gebe, die Kılıçdaroğlu bewusst als schwachen Gegner gegen Erdoğan positioniert hätten.

Das Ergebnis ist bekannt: Kılıçdaroğlu verlor die Wahl klar und auch seinen Vorsitz – und Erdoğan blieb an der Macht. Für Gültekin ein Beleg, dass der damalige CHP-Chef nie wirklich die Absicht hatte, Erdoğan ernsthaft herauszufordern, sondern durch seine Kandidatur dessen Sieg indirekt absicherte.

Schweigen als Signal als manipulative Kommunikation

In der aktuellen Krise der CHP, die durch Ermittlungen und Korruptionsverfahren gegen verschiedene Funktionäre zusätzlich belastet ist, hat sich Kılıçdaroğlu lange auffällig zurückgehalten. Erst nachdem das Gericht nicht wie erwartet über eine Zwangsverwaltung entschied und die AKP ihren Plan pragmatisch zurückzog, meldete er sich über seinen Anwalt zu Wort.

„Wir haben uns nie an den Gerüchten beteiligt. Es war nie unsere Absicht, Teil eines solchen Plans zu werden“, ließ der Anwalt nachträglich verlautbaren. Und er fügte noch hinzu, dass Kılıçdaroğlu seine Gedanken verdeckt halte. Sogar vor ihm, so der Anwalt. Während die Debatte tobte, schwieg er – und ließ sich so, wie Gültekin es deutet, bewusst alle Optionen offen, sogar die einer Rückkehr auf „würdelose“ Weise.

Eine „gescheiterte Figur“ ohne Charisma

Für einen Politiker seiner Erfahrung gilt: Man kann nicht nicht kommunizieren. Gültekin liest Kılıçdaroğlus Schweigen als deutliches Signal, dass er zumindest bereit gewesen wäre, unter den Bedingungen der Regierung wieder an die Spitze der CHP zurückzukehren.

Damit verdichtet sich das Bild, das viele Kritiker seit Jahren zeichnen: Kılıçdaroğlu, der in seiner langen Amtszeit jede wichtige Wahl gegen Erdoğan verloren hat, erscheint als eine gescheiterte, ja sogar verräterische Figur. Er habe die Hoffnungen der CHP-Wählerschaft enttäuscht und die Opposition geschwächt, indem er ihre Energie auf aussichtslose Kandidaturen und lähmende Parteiintrigen gelenkt habe.

Kılıçdaroğlu als „trojanisches Pferd“

Aus dieser Perspektive erscheint Kılıçdaroğlu nicht nur als erfolgloser Oppositionsführer, sondern als eine Art „trojanisches Pferd“ innerhalb der CHP. Nach außen hin verkörperte er den Anspruch, Erdoğan herauszufordern, im Ergebnis jedoch schwächte er immer wieder die eigene Partei und hielt die Opposition in einem Zustand permanenter Niederlage.

Seine wiederholten Wahlschlappen und sein Schweigen in entscheidenden Momenten lassen ihn für viele zu einem Politiker werden, der die Rolle des Gegners nur spielt – während sein Wirken faktisch den Machterhalt Erdoğans absichert.

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