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Politik

„Was sie auch tun – die Korruptionsaffäre kann man nicht vergessen machen“

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Die Verhaftungswelle gegen führende Polizeibeamte ist das Thema in der Türkei. Journalisten, Politiker und Akademiker werfen der Regierung willkürliches und gesetzeswidriges Verhalten vor.

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In der Türkei sind am Vortag Polizisten, die bei den Ermittlungsfällen Korruption, KCK und Balyoz eingesetzt wurden, in einer Nacht- und Nebelaktion verhaftet worden und sitzen seitdem in U-Haft. In der türkischen Öffentlichkeit hat es Reaktionen aus verschiedenen Lagern zu der landesweiten politisch motivierten Verhaftungswelle gegeben. Hier einige Stimmen:

Ünal Tanık (Chefredakteur des Nachrichtenportals Rotahaber):

Tanık sagt, dass im Vorfeld Razzien gegen Polizisten erwartet wurde: „Man muss schauen, warum diese Razzien durchgeführt wurden. Es gibt ein Thema, welches seit dem 17. Dezember ganz oben auf der Tagesordnung steht. Und das ist die Korruptionsaffäre. Diese Affäre beschäftigt seitdem die Öffentlichkeit und sie wird es auch in Zukunft tun. Egal, was sie machen; es wird ihnen nicht gelingen, die Korruption und den Amtsmissbrauch zu verdecken. Jegliche Bemühungen, angefangen von der Zerstörung des Polizei- und Rechtsapparats bis hin zu den Eingriffen in die Justiz, werden daran nichts ändern.

Sezgin Tanrıkulu (Stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei CHP):

Parlamentsmitglied Tanrikulu erinnert daran, dass in den letzten Monaten die Justizbehörden neu geordnet worden sind: „Sie haben das Widerspruchsrecht in Bezug auf Untersuchungshaft, Abhörmaßnahmen und Verhaftungen neu geregelt und eine für die Türkei mögliche Gerichtsbarkeit aufgebaut. Erst vor einer Woche sind sechs neue Richter eingesetzt und mit diesem Thema beauftragt worden. Bei drei von ihnen handelt es sich um Richter, die nach der Korruptionsaffäre vom 17. Dezember angeklagte Personen bevorzugt behandelt haben. Sie haben sie mit ihren Entscheidungen aus der U-Haft entlassen, das Ausreiseverbot aufgehoben und die freie Verfügung über das Eigentum wieder ermöglicht. Mit diesen Handlungen haben sie damals die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Die Richter sind erst letzte Woche eingesetzt worden und mit ihren Anweisungen sind die Verhaftungen innerhalb kürzester Zeit erfolgt. Höchstwahrscheinlich werden es dieselben Richter sein, die auch die Aufsicht über die Verhöre haben werden.“

Mümtaz‘er Türköne (Politikwissenschaftler und Kolumnist der Tageszeitung Zaman):

Türköne sagt, dass die „Diebe/Räuber“ auf freiem Fuß seien und diejenigen, die diese verhaftet hätten, nun in U-Haft sitzen: „Wir erleben in der Türkei auf einander folgende Rechtsskandale. Das was gerade passiert, ist ein solcher. Die Räuber sind auf freiem Fuß. Und diejenigen, die auf Anweisung des ermittelnden Staatsanwalts diese verhaftet haben, sitzen jetzt im Gefängnis. Das hat eine einzige Erklärung: Der Einbrecher überstimmt den Hausbesitzer. In der nahen Geschichte haben wir einen vergleichbaren Rechtsskandal, einen so offenkundigen Rechtsbruch in diesem Ausmaß nicht erlebt. Wir werden abwarten müssen und sehen, wie es weiter gehen wird. Als Rıza Zarrab verhaftet wurde, wurde Recht und Gesetz eingehalten. In dem aktuellen Fall demonstriert die Regierung ihre Stärke. Das ist eine psychologische Operation. Die Handschellen stehen für eine bestimmte Botschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der verhafteten Polizeibeamten hätte fliehen können ist nicht gegeben. Mit der Art und Weise wie sie vorgeführt wurden, wurden sie vor der Öffentlichkeit erniedrigt. Das ist eine Botschaft an andere Beamte, die vorhaben sollten, den Korruptionsvorwürfen nachzugehen.“

Prof. Dr. Niyazi Öktem (Rechtswissenschaftler):

Öktem bezeichnet die Razzia als eine Maßnahme, die „schwer zu verstehen ist“. Er betont, dass mit einer spontanen Aktion Menschen, die die Korruptionsaffäre an das Tageslicht gebracht hatten, eingesammelt wurden: „ Was bedeutet das? Deckt die Korruption nicht auf. Wenn ihr es tut, dann werdet auch ihr eingesackt. Das ist schwer nachzuvollziehen. Sie versuchen die Polizei, diejenigen also, die die Korruptionsaffäre aufgedeckt haben, zu neutralisieren.“

Tufan Ergüder (Ehemaliger Polizeipräsident von Hakkari):

„Derjenige, der das Waffenlager in Poyrazköy aufgedeckt hat und für die Ermittlungen im Fall KCK-Balyoz zuständig war, sitzt in U-Haft. Versteht ihr jetzt, wessen Rache das ist?“ Ergüder erklärt zudem, dass die rechtswidrigen Verhaftungen Terrorgruppen wie Ergenekon nutzen werden.