Politik

Machtkämpfe in der Türkei: Justiz gegen CHP – AKP gegen sich selbst

  • September 27, 2025
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Machtkämpfe in der Türkei: Justiz gegen CHP – AKP gegen sich selbst

Die politische Lage in der Türkei bleibt angespannt. Während die oppositionelle CHP in Ankara durch Justizrazzien unter Druck gerät, kämpft die regierende AKP mit internen Machtkämpfen und Rücktritten auf Provinzebene. Beobachter sehen die Entwicklungen als Warnsignal für die kommenden politischen Auseinandersetzungen im Land.

In der Türkei bleibt die innenpolitische Lage turbulent. Während nun auch die CHP in der Hauptstadt Ankara ins Visier der Justiz gerät, erlebt die regierende AKP interne Kämpfe in mehreren Provinzen.

Am Dienstag führte die Polizei Razzien in Ankara durch. Dabei wurden Medienberichten zufolge 13 Personen unter dem Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Manipulation von Ausschreibungen verhaftet. Diese sollen sich im Zusammenhang mit Konzerten ereignet haben.

Systematisches Vorgehen gegen CHP-regierte Großstädte

Damit ist auch die Hauptstadt vom systematischen Vorgehen der türkischen Justiz gegen Großstädte betroffen, die von der Opposition regiert werden. Den Anfang hatte Istanbul gemacht, wo der Oberbürgermeister und designierte Präsidentschaftskandidat Ekrem İmamoğlu seit März in Untersuchungshaft sitzt.

Seither sind auch die Stadtverwaltungen in Izmir sowie in Adana, Adıyaman und Antalya in den Fokus von Korruptionsvorwürfen geraten. In den drei letztgenannten Kommunen wurden ebenfalls die Bürgermeister festgenommen. Cemil Tugay, der Oberbürgermeister von Izmir, befindet sich auf freiem Fuß. Er hatte jedoch bis dato auch keine Ambitionen auf ein Amt jenseits der Kommunalpolitik erkennen lassen.

In Ankara wurden bis dato 13 Verwaltungsmitarbeiter in Haft genommen. Beobachter der türkischen Innenpolitik gehen davon aus, dass die Aktion ein Warnschuss an das dortige Stadtoberhaupt Mansur Yavaş sein soll. In Umfragen zu Beginn des Jahres lag er noch deutlicher vor Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan als İmamoğlu.

Özel stellt sich hinter Yavaş – und verweist auf den Rechnungshof

Yavaş wies alle Korruptionsvorwürfe zurück. Zwar habe die Justiz alle 97 Korruptionsverfahren gegen seinen Amtsvorgänger Melih Gökçek (AKP) eingestellt, nachdem er die entsprechenden Akten an die Staatsanwaltschaft weitergereicht habe. Der Rechnungshof habe jedoch die Transaktionen unter seiner eigenen Führung geprüft und nicht beanstandet.

Auch CHP-Chef Özgür Özel stellt sich hinter seinen Parteikollegen. Er verweist darauf, dass der Aufwand für städtische Veranstaltungen zurückgegangen und das Geld effizienter genutzt worden sei: „In den letzten fünf Jahren der Amtszeit der AKP wurden umgerechnet 33 Millionen Dollar für 80 Veranstaltungen ausgegeben. Demgegenüber gingen die Ausgaben für 426 Veranstaltungen während der Amtszeit von Mansur Yavaş auf 30 Millionen Dollar zurück.“

AKP will Provinz-Führungsetagen komplett neu bestücken

Unterdessen haben einem Bericht von „Sözcü“ zufolge innerhalb von nur zwei Tagen acht Provinzchefs der regierenden AKP ihren Rücktritt erklärt. Betroffen waren die von der Opposition regierten Provinzen Muğla, Çanakkale, Adıyaman und Tunceli, aber auch die von der AKP gehaltenen Provinzen Niğde, Bitlis, Elazığ und Ordu.

Die AKP-Führung bestätigte die Rücktritte und stellte sie als Konsequenz aus den schlechten Kommunalwahlergebnissen dar. Die Arbeit in den Provinzen habe die Erwartungen nicht erfüllt und man werde zeitnah neue Vorsitzende benennen. Tatsächlich unterstreichen die Rücktritte die Zerstrittenheit und tiefe Grabenkämpfe innerhalb der Regierungspartei.

Der frühere Parteichef von Elazığ, Şerafettin Yıldırım, erklärte, innerparteiliche Rivalen hätten ein Video versendet, das seinen Sohn beim angeblichen Drogenkonsum zeige. In anderen Fällen habe es Beschwerden gegeben, dass die örtlichen Parteiführungen jedwede Bodenhaftung verloren hätten. Sie hätten insbesondere die Tuchfühlung zu jungen Menschen verloren, weil sie keine Antworten zur wirtschaftlichen Krise zu bieten hätten.

Die regierungsnahe „Sabah“ kündigte am Montag an, die AKP werde in allen Provinzen Evaluierungen durchführen und Präsident Erdoğan die Ergebnisse präsentieren. Bevor der geplante Parteitag im Oktober stattfinde, werde es Interviews mit Bewerbern für die Posten der künftigen Provinzchefs geben. Die Partei hat die Berichte noch nicht kommentiert.

Kaufen sich CHP-Bürgermeister durch Übertritt zur AKP frei?

Unterdessen droht die Einschüchterungstaktik der Führung in Ankara gegen die CHP aufzugehen. So haben mindestens acht der Republikanischen Volkspartei angehörende und gewählte Bürgermeister und lokale Parteichefs die Partei verlassen. Die Bürgermeister von Aydın, Gaziantep, Seydişehir (Konya) and Yalova hätten sich der AKP angeschlossen. Gleiches gilt für kommunale Beamte des Bezirks Beykoz in Istanbul.

Interne Quellen kündigen „Sözcü“ gegenüber an, es würden weitere Übertritte bevorstehen. Die CHP beschuldigt die AKP, diese Parteiwechsel durch Drohungen und Zwang zu initiieren. Die systematische Instrumentalisierung der Justiz gegen Kommunen, die von der Opposition regiert werden, dürften viele gewählte CHP-Bürgermeister als Warnung auffassen.

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