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Mert Hakan Yandaş: Für die einen „Kommandant“, für die anderen Provokateur

  • Dezember 11, 2025
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Mert Hakan Yandaş: Für die einen „Kommandant“, für die anderen Provokateur

Mert Hakan Yandaş – Mittelfeldspieler von Fenerbahçe Istanbul, 31 Jahre alt – wird zum Polizeiwagen geführt. Diese ungewöhnliche Szene markiert einen neuen Tiefpunkt in einem seit Wochen schwelenden Skandal. Yandaş, einst gefeierter Fenerbahçe-„Kommandant“, ist nun einer der prominentesten Namen in einem Wettsumpf, der den türkischen Fußball erschüttert. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, über Mittelsmänner illegale Fußballwetten platziert zu haben – offenbar auch auf Spiele der eigenen Liga. Ausgerechnet ein Spieler des Traditionsklubs, noch dazu einer der Kapitäne des Teams. Und er soll weitere Mitspieler mit hineingezogen haben.

Die Bilder von Mert Hakan Yandaş’ Abführung verbreiteten sich in Windeseile. Mit ihm zusammen wurden auch weitere Personen abgeführt. Beispielsweise der frühere Adana Demirspor-Präsident Murat Sancak oder Glalatasaray-Verteidiger Metehan Baltacı. Doch keiner von ihnen sorgt für ein solch großes Echo. Denn wer Kapitän von Fenerbahçe wird, bringt automatisch mehr Aufmerksamkeit mit. Zu groß ist die Bedeutung der Istanbuler Top-Clubs für die gesamte Bevölkerung.

Yandaş wurde für viele überraschend zum Kapitän. In der Ära Ali Koç wurde er sogar Kongressmitglied. Eher unüblich für aktive Fußballer. „Er ist für uns von großer Bedeutung. Für das Team ist er sowas wie ein großer Bruder“, betonte der ehemalige Vereinspräsident dessen besondere Rolle. Das klingt überraschend, zumal Yandaş, wenn er denn überhaupt fit war, selten eine wichtige Rolle im Kader von Fenerbahçe gespielt hat. Umso mehr beherrschte er nun die Schlagzeilen – jedoch in ungewohnter Rolle: Als mutmaßlicher Puzzlestein eines landesweiten Wettskandals.

Schwankende Leistungen seit 2020

Die sportliche Bilanz von Mert Hakan Yandaş bei Fenerbahçe liest sich wechselhaft. Im Sommer 2020 wechselte er überraschend zu Fenerbahçe, nachdem er bei Sivasspor überzeugt und eigentlich bei Galatasaray im Gespräch gewesen war. In seiner ersten Saison in Istanbul gehörte der offensive Mittelfeldmann unter Trainer Erol Bulut meist zur Startelf und verbuchte 4 Tore und 1 Assist in 34 Ligaspielen. Doch der ganz große Durchbruch blieb aus. Zur Saison 2021/22 bremsten ihn Verletzungen; erst unter Coach Ismail Kartal fand Yandaş wieder zu seiner Form und avancierte mit 11 Assists (bei 2 Toren in 33 Spielen) zu einem wichtigen Faktor.

Es schien, als würde Yandaş mit seiner kämpferischen Spielweise allmählich in eine Führungsrolle hineinwachsen. Fenerbahçe-Fans verliehen ihm Spitznamen wie „Komutan“ (Kommandant) und schätzten seinen Einsatzwillen. Inzwischen wird immer sichtbarer: Yandaş war mehr mit Wetten beschäftigt als dass er im Dress von Fenerbahçe auf dem Rasen stand.

Oft nur zweite Wahl

In der Saison 2022/23 konnte Yandaş kaum an frühere Leistungen anknüpfen – auch wegen erneuter Verletzungen. Unter Trainer Jorge Jesus kam er nur sporadisch zum Zug und verbuchte am Saisonende nur 1 Tor und 2 Assists. Immerhin gewann Fenerbahçe in jener Spielzeit den türkischen Pokal, Yandaş’ ersten und offenbar einzigen Titel. In der folgenden Saison 2023/24 flackerte sein Potential noch einmal auf. Zum Auftakt legte er dem Neuzugang Edin Džeko gleich zwei Tore in der Conference-League-Qualifikation auf.

Im Herbst erzielte Yandaş per Freistoß ein wichtiges Tor gegen Kasımpaşa, das einen Rückstand drehte und Fenerbahçe im Titelrennen hielt. Solche Momente hielten die Kritik vorerst im Zaum. Doch beständig wurde Yandaş nie. Als zur Saison 2025/26 der Konkurrenzkampf im Kader zunahm, geriet er ins Hintertreffen – und kurz nach Saisonbeginn wurde er sogar aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader gestrichen. Offiziell nannte der Verein keine Gründe, doch schon da war Yandaş’ Standing angeknackst.

Provokant auf dem Rasen und in der Kabine

Mert Hakan Yandaş’ Name stand in den vergangenen Jahren nicht nur für sportliche Schlaglichter, sondern oft auch für Provokationen und Kontroversen. In hitzigen Derbys gegen Galatasaray geriet er wiederholt ins Visier – sei es durch Gesten oder Worte. Legendär ist eine Szene vom Mai 2024: Nach einem Auswärtssieg im Istanbuler Stadtderby lief Yandaş zu den gegnerischen Fans und hielt provokativ das Fenerbahçe-Wappen auf seinem Trikot in Richtung der Tribüne.

„Ich habe ihnen nur unser sauberes, ehrenvolles Vereinswappen gezeigt – das hat gereicht“, rechtfertigte er sich hinterher selbstbewusst. Begriffe wie Ehre kamen bei ihm vor, in der Regel, um dem Gegenüber die Ehre abzusprechen. Diese Art von stolz zur Schau gestellter Rivalität machte Yandaş bei vielen Fenerbahçe-Fans beliebt. Rivalisierende Lager hingegen betrachteten ihn längst als Feindbild.

Fenerbahçe-Fans bei Yandaş uneins

Doch Yandaş eckte nicht nur bei gegnerischen Fans an. Auch im eigenen Lager war er umstritten. In sozialen Netzwerken warfen ihm Kritiker vor, mehr zu reden als zu liefern. So mancher Fan störte sich an seinem forschen Auftreten: Wenn Yandaş nach enttäuschenden Spielen vor die Presse trat und Selbstkritik übte, wurde ihm von einigen unterstellt, er verhöhne damit sogar die eigenen Anhänger – zu groß sei die Diskrepanz zwischen kämpferischem Anspruch und tatsächlicher Leistung.

Gleichzeitig genoss Yandaş durchaus Rückhalt bei Mitspielern und Trainern. Sein aufbrausendes Naturell in der Kabine wurde mal als störend empfunden, mal als Zeichen von Siegermentalität gedeutet – je nach Perspektive. Intern galt er als jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Doch nicht jeder Redner ist zugleich bedacht. Nach dem Sieg seiner Mannschaft gegenüber Galatasaray in der Saison 2023/24 trat er vor die Presse und plapperte den typischen AKP-Hate-Speech gegenüber der Gülen-Bewegung nach. In Bezug auf eine Kritik von Stürmerlegende Hakan Şükür sagte Yandaş: „Wenn das Mitglied einer Terrororganisation mich kritisiert, zeigt es, dass ich auf dem rechten Weg bin.“ Offenbar handelt es sich bei seinem Weg um einen Irrweg.

Verstrickt in den Wettskandal: Die Vorwürfe

Nun also der Wettskandal. Seit Herbst 2025 rollt eine beispiellose Ermittlungswelle durch den türkischen Fußball. Was als Schiedsrichterskandal begann, hat längst Spieler aller Ligen erfasst. Laut Istanbuler Staatsanwaltschaft soll Yandaş über Dritte Wetten auf diverse Spiele abgeschlossen haben. Der umstrittene Journalist Rasim Ozan Kütahyalı behauptete in einem Video, Yandaş habe nahezu sekündlich gewettet.

„Internationale Sportarten, wie Cricket in Indien, Basketball in den Staaten, Tennis und noch vieles mehr“, beschreibt Kütahyalı die Spielsucht von Yandaş. Anders als etwa ein mitbeschuldigter Galatasaray-Profi – Metehan Baltacı –, der zwar auf Partien seines eigenen Klubs gesetzt haben soll, aber in deutlich geringerem Ausmaß. Yandaş streitet zwar Wetten auf Fenerbahçe-Spiele kategorisch ab. Doch die Ermittler präsentieren Indizien, die zumindest indirekt das Gegenteil nahelegen. Und die mittels der regierungsnahen Zeitung Sabah bereits an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Finanzpolizei legte brisante Informationen offen

Ein Bericht der Finanzaufsicht MASAK listet detailliert auf, wie über Yandaş’ Bankkonten zwischen 2021 und 2025 rund 4,5 Millionen Türkische Lira an einen gewissen Ersen D. flossen. Auch dieser ist mit ihm zusammen verhaftet worden. Denn kaum war das Geld von Yandaş dort eingegangen, so der Bericht, wurde es bin in Minuten auf Wettkonten weitergeleitet.

Gleichzeitig registrierten die Behörden auffällige Wetteinsätze auf Spiele von Fenerbahçe – insbesondere Spezialwetten auf einen bestimmten Mitspieler: Ungewöhnlich viele Tipps sollen darauf abgegeben worden sein, dass Feners Mittelfeldmann İsmail Yüksek pro Spiel mindestens drei Fouls begeht oder eine gelbe Karte sieht. Bemerkenswerterweise trafen diese Wetten häufig ins Schwarze.

Yandaş belastet Mitspieler

Die Vermutung liegt nahe, dass Insiderwissen oder sogar aktive Beeinflussung im Spiel gewesen sein könnten. Medienberichten zufolge habe Yandaş über seinen Mittelsmann gezielt auf Aktionen im eigenen Team gewettet – ein indirekter Manipulationsverdacht, der weit über die Teilnahme an simplen Sportwetten hinausgeht. Zudem belastet Yandaş damit nicht nur sich selbst, sondern weitere seiner Teamkollegen. Ob er sie vor dem Richter namentlich nannte, bleibt unklar.

Dabei handelt es sich nach Angaben der Sabah um den türkischen Nationalspieler Ismail Yüksek. Der bissige Sechser ist für seine vielen Foul bekannt. Bei einem Balleroberer ist das wenig verwunderlich. Dennoch lassen geleakete WhatsApps zwischen Mert Hakan und Ersan D. aufhorchen. Draus ergebe sich, dass Ersan D. beim Spiel vo Fenerbahçe gegen den VfB Stuttgart drei Mal die Wette gemacht habe, Yüksek würde eine gelbe Karte sehen.

Diese Wette habe Ersan D. mit einem hohen Faktor eingefahren, nachdem Yüksek beim Streit mit Deniz Undav in der Schlussphase doch noch eine gelbe Karte kassierte. Ein Rechtsanwalt, der sich zu Galatasaray bekennt, hat deshalb eine zusätzliche Strafanzeige gegen Ismail Yüksek erstattet. Ob sich die Ermittlungen auf Yüksek erstrecken werden, bleibt abzuwarten.

Yandaş’ Verteidigung: „Niemals auf eigene Spiele gewettet“

Gegen die erdrückende Beweislage versucht Mert Hakan Yandaş, seine Version der Geschichte entgegenzusetzen. In seiner Aussage gegenüber der Staatsanwaltschaft – die kurz nach der Festnahme an die Presse durchsickerte – wies er alle zentralen Anschuldigungen zurück. „Meines Wissens nach habe ich auf keinerlei legalen oder illegalen Wettplattformen ein Konto“, so Yandaş.

Vor allem aber betont er: „Ich habe niemals auf das Ergebnis eines Fußballspiels gewettet“, schon gar nicht auf Partien seines eigenen Teams. Man habe ihm weder Bestechungsgelder angeboten noch sei er jemals Teil eines Spielmanipulations-Abkommens gewesen. Der Mittelsmann Ersan D., auf dessen Konto er die Millionenbeträge überwiesen hatte, sei ein alter Bekannter, so Yandaş. Er habe diesem „nur ein Darlehen“ gewährt, weil der in finanzielle Not geraten sei.

Nur Casino-Spiele?

„Ich wusste nicht, dass er das Geld an Wettseiten weiterleitete“, behauptet Yandaş. Tatsächlich schildert er die Beziehung zu D. als zunächst harmlos: Man kenne sich seit zehn Jahren, habe ein freundschaftliches Verhältnis – früher habe ihm D. sogar finanziell ausgeholfen, jetzt habe er eben zurückgegeben.

Interessant a seiner Aussage: Yandaş gesteht ein anderes Vergehen freimütig ein, das vom eigentlichen Vorwurf ablenkt. Er räumt ein, gemeinsam mit einigen Vereinskollegen Online-Glücksspiele gespielt zu haben. „Mit Freunden aus der Mannschaft haben wir auf illegalen Seiten ein paar Mal Slot-Machine-Spiele ausprobiert“, so Yandaş sinngemäß, „aber ich weiß nicht mal mehr, auf wessen Account wir spielten.“

Leaks und Fotos: Beweise auf dem Boulevard

Parallel zu den offiziellen Ermittlungen läuft längst ein öffentlicher Prozess – befeuert durch geleakte Beweisfotos und Dokumente. Was normalerweise vertraulich in Akten schlummert, taucht in diesem Fall scheibchenweise in Medien und sozialen Netzwerken auf. Schon kurz nach den Festnahmen wurden brisante Inhalte publik: So kursierten plötzlich eindeutige Bilder, die Yandaş mit Teamkollegen Irfan Can Kahveci und Çağlar Söyüncü beim Glücksspiel zeigen.

Die regierungskritische Nachrichtenseite soL beschrieb es so: „Mit einem Mal wurden Bilder von Fenerbahçes Kapitän Mert Hakan Yandaş, in denen auch Mannschaftskameraden zu sehen sind, via Social Media in Umlauf gebracht“. Über die Authentizität der Aufnahmen wurde kaum diskutiert – und auch nicht darüber, wer sie durchgestochen hat.

Sturm der Reaktionen: Spott und Wut in sozialen Netzwerken

Auch viele neutrale Fußballfans äußerten Entsetzen. Der Fall Yandaş avanciert längst zum Symbol für die mutmaßlich tiefsitzende Korruption im türkischen Fußball. „Wenn das stimmt, ist nichts mehr heilig“, schrieb ein Kolumnist. Selbst internationale Stimmen meldeten sich: Ehemalige Spieler und Experten warnten vor vorschnellen Urteilen, doch zeigten sich „schockiert, aber nicht überrascht“ angesichts der Enthüllungen.

Interessant ist, dass aus dem Fenerbahçe-Lager unterschiedliche Töne zu hören sind. Ein Teil der eigenen Anhänger wandte sich abrupt gegen Yandaş. Unter dem Hashtag #YandaşDefol (etwa: Yandaş hau ab) wurde sein Rauswurf gefordert. „Sofort rauswerfen, egal was ist – dieser Skandal ist nicht zu entschuldigen!“, schrieb ein Fan aufgebracht. Die Tageszeitung Yeni Şafak berichtete, dass Fenerbahçe-Anhänger in großer Zahl auf X die Vereinsführung zum „sofortigen Vertragsausstieg“ drängten.

„Wir haben ihn jahrelang verteidigt“

Tatsächlich häuften sich die Posts von Fener-Fans, die sich betrogen fühlten: „Wir haben ihn jahrelang verteidigt, aber wenn das wahr ist, hat er unser Vertrauen mit Füßen getreten.“ Einige warfen Yandaş offen vor, er habe die Ehre des Vereins beschmutzt, und ein so belasteter Spieler dürfe keine Minute länger das Trikot tragen.

Doch es gibt auch andere Stimmen im Fener-Lager. Gerade solche, die dem Klub nahestehen – wie der ewig Fenerbahçe-treue Journalist Ahmet Ercanlar oder Lube Ayar – mahnen zur Ruhe. Sie erinnern an die Unschuldsvermutung: Noch sei nichts rechtskräftig bewiesen. Zudem, so argumentieren einige, könne der Skandal gezielt aufgebauscht sein, um Fenerbahçe zu schaden.

Inmitten dieses Chaos warten alle auf eine Stimme, die bislang fehlt: die des Vereins Fenerbahçe selbst.

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