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Politik

„Mesut Özil ist der fleischgewordene politische Islam“

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Mesut Özil wird Mitglied im Vorstand der AKP und tritt somit in die Politik ein. Was bereits bekannt war, wird nun amtlich. Seine Liebe zum türkischen Präsidenten Erdoğan ist zementiert. Collage: DTJ Online
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Der türkische Politik-Kommentator und Journalist Fatih Altaylı ist bekannt für seine bildhaften Beschreibungen politischer Ereignisse. Nicht immer trifft er den Nagel auf den Kopf. Oft wirkt der lässige Altaylı eher wie ein Plauderer bei einem Glas Wein am Kamin in guter Gesellschaft. Doch oft gelingt es ihm, mit seinen Analysen, seiner Kritik oder seiner Pointe ins Schwarze zu treffen.

Dass Mesut Özil vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan jüngst in den Vorstand der AKP berufen wurde, kommentiert Altaylı als ein Paradebeispiel für den politischen Islam: „Mesut Özil ist der fleischgewordene politische Islam.“

Özils Nähe zu Erdoğan ist seit Jahren hinlänglich bekannt. Für ihn gab er sogar seine Karriere in der deutschen Fußballnationalmannschaft auf. Der Wendepunkt war ein Foto aus dem Jahr 2018: Özil posierte in England mit Präsident Erdoğan – damals stand er noch bei Arsenal London unter Vertrag. Mit auf dem Bild war auch Ilkay Gündoğan von Manchester City. Während das Foto in Deutschland scharf kritisiert wurde und Özil persönliche Angriffe erlebte, distanzierte sich Gündoğan mit einer Entschuldigung. Özil hingegen verteidigte das Treffen. Während Gündoğan in der Nationalmannschaft verbleiben durfte und einige Jahre später sogar Kapitän wurde, trat Özil aus.

Vom deutschen Superstar zur türkischen Identifikationsfigur

Seitdem inszeniert sich Özil als türkische Identifikationsfigur und wendet sich von seiner deutschen Seite ab. Mit seinem Eintritt in die türkische Politik schließt sich nun der Kreis. Doch die Diskussionen sind nicht verstummt – alte Geschichten werden wieder ausgegraben, wie Altaylıs Kommentare zeigen. Doch warum ist Özil für ihn ein Paradebeispiel für den politischen Islam?

Fatih Altaylı zieht eine Parallele zwischen Özils sportlicher Karriere und seiner heutigen politischen Positionierung. In seiner erfolgreichen Zeit für die deutsche Nationalmannschaft spielte seine türkische Herkunft selten bis kaum eine Rolle. Auch ein besonders religiöses Leben führte Özil während seiner Jahre in Madrid und London nicht. Im Gegenteil: Kurz vor seinem Wechsel zu Fenerbahçe Istanbul wurde er Berichten zufolge auf einer Drogenparty erwischt.

Erst als es mit seiner sportlichen Karriere langsam aber sicher bergab ging, entdeckte Özil plötzlich seine religiöse Seite und türkische Identität. Seitdem teilt er Bilder von der Kaaba, verbreitet nationalistische Sprüche und ließ sich einen großen Grauen Wolf auf die Brust tätowieren – ein Symbol der ultranationalistischen „Ülkücü“-Bewegung. In der DFB-Kabine oder unter der Dusche mit deutschen Mitspielern hätte das wohl für Irritationen gesorgt. Doch losgelöst von seiner deutschen Karriere lebt Özil am Bosporus nun seine neue Identität voll aus.

Millionen kassiert, aber wenig geleistet?

Auch bei Fenerbahçe sorgte er eher für Negativschlagzeilen – aber, wie Altaylı es formuliert, er habe dabei „Millionen für Nichts-Tun“ kassiert.

Auch YouTuber und Fußball-Kommentatoren erinnern an Özils frühere Entscheidungen. Hasan Arda Kaşıkçı, ein bekannter YouTuber, kritisiert Özils Wankelmütigkeit: „Als ihn die Deutschen mochten, war er ein Deutscher. Als sie ihn nicht mehr mochten, wurde er plötzlich zum Türken.“

Fatih Terims vergebliche Bemühungen um Özil

Er erinnert auch daran, dass Fatih Terim, der damalige türkische Nationaltrainer, große Anstrengungen unternommen habe, um Özil für die Türkei zu gewinnen. Doch Özil lehnte ab. Terim äußerte sich einst in einer Pressekonferenz dazu: „Ihr habt nur noch über Mesut gesprochen. Als ich gesagt habe, dass er nicht für die Türkei spielen will, hat mir keiner geglaubt. Wenn ich jemanden überreden muss, unser Trikot zu tragen, dann kreuzigt mich lieber an dem Tag.“

Gegenüber der Presse betonte Özil damals, er fühle sich eher wie ein Deutscher, nicht wie ein Türke. Heute sieht es anders aus.

Kritik an Özils Doppelmoral

Kaşıkçı geht weiter in seiner Kritik: „Du wurdest als Arsenal-Spieler erwischt, wie du in einem Club aus einem Luftballon Drogen inhaliert hast. Als du kaum noch auf den Beinen stehen konntest, bist du zu Fener gewechselt.“

Ob ihn diese Kritik noch erreicht, ist fraglich. Özil steht nun offiziell auf der Seite der Macht – das war schon vorher so, doch jetzt ist es amtlich. Ob er in der Politik Karriere machen kann, bleibt abzuwarten. Doch die Macht der Worte ist für den einst kreativen Fußballer wohl kein bevorzugtes Spielfeld.