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Nach Wahlen: Was wird aus Nordzypern?

  • Oktober 30, 2025
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Nach Wahlen: Was wird aus Nordzypern?

Nach dem Wahlsieg von Tufan Erhürman in Nordzypern wächst auf der geteilten Mittelmeerinsel neue Hoffnung auf Verhandlungen. Während der neue Präsident auf Dialog setzt, fordert in Ankara MHP-Chef Devlet Bahçeli die Eingliederung Nordzyperns als 82. Provinz der Türkei. Indes bringt sich Donald Trump als möglicher Vermittler ins Spiel – in einem Konflikt, der seit Jahrzehnten anhält.

Die Wahl in der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern (Kuzey Kıbrıs Türk Cumhuriyeti, KKTC) hat das politische Gleichgewicht auf der geteilten Mittelmeerinsel verschoben.

Mit dem klaren Sieg des Sozialdemokraten Tufan Erhürman gegen den bisherigen Amtsinhaber Ersin Tatar entschied sich die Mehrheit der türkisch-zyprischen Bevölkerung für eine Öffnung und neue Gespräche mit dem Süden – und gegen eine weitere politische Abhängigkeit von Ankara.

Wahlergebnis mit Signalwirkung

Erhürman, Vorsitzender der Republikanischen Türkischen Partei (Cumhuriyetçi Türk Partisi, CTP), gewann die Präsidentschaftswahl mit rund 63 Prozent der Stimmen. Sein Programm: die Wiederaufnahme der festgefahrenen Verhandlungen mit der Republik Zypern und eine langfristige Wiedervereinigung in Form einer bizonalen, bikommunalen Föderation. Damit setzt er einen deutlichen Kontrapunkt zur Politik seines Vorgängers Tatar, der sich auf die Unterstützung der türkischen Regierung und auf das Konzept einer Zwei-Staaten-Lösung stützte.

„Wir müssen das Gespräch mit unseren griechisch-zyprischen Nachbarn wieder aufnehmen“, sagte Erhürman nach seiner Wahl. „Nur Dialog kann unsere internationale Isolation beenden.“ In Nikosia – wie auch in Brüssel – wird das als vorsichtiger Hoffnungsschimmer verstanden.

Erdoğan gratuliert, Bahçeli provoziert

In Ankara reagierte Präsident Recep Tayyip Erdoğan ungewohnt moderat. Er gratulierte dem neuen Präsidenten und betonte, der Wille der türkisch-zyprischen Gemeinschaft werde „hoch respektiert“. Zwischen den Zeilen schwang dabei die Botschaft mit, dass die Türkei ihre Interessen auf der Insel auch unter neuen politischen Vorzeichen wahren will.

Wesentlich schärfer äußerte sich dagegen Erdoğans Koalitionspartner, der Vorsitzende der rechtsextremen Milliyetçi Hareket Partisi (MHP), Devlet Bahçeli. In einer Fraktionssitzung forderte er die „vollständige Integration“ Nordzyperns in die Türkei und erklärte, die Insel sei „türkisches Heimatland“. Bahçeli verlangte, die KKTC solle „als 82. Provinz“ der Türkei beitreten, und lehnte jede föderale Lösung strikt ab.

Die Reaktionen im Norden der Insel fielen empört aus. Türkisch-zyprische Politiker warfen Bahçeli vor, die Souveränität der eigenen Gemeinschaft zu untergraben. Kommentatoren in Nikosia sprachen von einem „inakzeptablen Eingriff in den Wahlprozess“ und einem Versuch, Erhürmans Mandat zu delegitimieren.

Internationale Bewegung: Trump als Vermittler?

Zeitgleich zeichnet sich eine neue Dynamik auf diplomatischer Ebene ab. Der zyprische Präsident Nikos Christodoulides traf Mitte Oktober am Rande eines internationalen Treffens im ägyptischen Scharm el-Scheich mit Donald Trump zusammen. Der US-Präsident, der sich nach seiner Rückkehr auf die politische Bühne erneut als globaler Vermittler präsentiert, signalisierte laut Diplomatenkreisen Bereitschaft, in der Zypernfrage zu vermitteln.

Washington verfolgt dabei nicht nur das Ziel, einen langjährigen Konflikt zu entschärfen, sondern auch strategische Interessen. Die Insel ist ein geopolitischer Knotenpunkt im östlichen Mittelmeer – unweit der Konfliktzonen in Syrien, Israel und dem Libanon – und ein zunehmend wichtiger Standort für westliche Militär- und Nachrichtendienststrukturen.

Eine Wiedervereinigung könnte zudem den Weg zu einer engeren NATO-Einbindung Zyperns ebnen – ein Thema, das in Washington wie in Brüssel seit Jahren auf der Agenda steht.

Zwischen Hoffnung und Realpolitik

Erhürman selbst gilt als Pragmatiker. Er weiß um die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Abhängigkeit Nordzyperns von der Türkei – und die begrenzte Handlungsfreiheit seines Amtes. Die kommenden Monate dürften zeigen, ob sich dieses politische Zeitfenster öffnet oder wieder schließt.

Erdoğan über Zypern: „Findet euch mit den Realitäten ab“

Im November wollen sich Christodoulides und Erhürman auf Einladung von UN-Generalsekretär António Guterres in New York treffen – gemeinsam mit Vertretern der drei Garantiemächte Türkei, Griechenland und Großbritannien.

Was dort auf den Tisch kommt, wird nicht nur über die Zukunft Zyperns entscheiden, sondern auch über das Verhältnis zwischen Ankara, Washington und Brüssel – und darüber, ob die kleine geteilte Insel weiterhin ein Symbol der Trennung bleibt oder zu einem Ort der Verständigung werden kann.

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Stefan Kreitewolf