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Öcalan, die PKK – und das Jahr der Wende?

  • Juli 11, 2025
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Öcalan, die PKK – und das Jahr der Wende?

Nach 26 Jahren in Haft überrascht PKK-Chef Öcalan seine Anhänger mit einer Videobotschaft. Erneut rief er sie dazu auf, die Waffen niederzulegen. Die Entwaffnung der gefährlichsten Terrorgruppe der Türkei hat heute schon begonnen. Wird 2025 das Jahr der Wende? 

Ein alter Mann, jahrzehntelang eingesperrt, trotz Isolation zumindest äußerlich in einem guten Zustand, wünscht sich Frieden. Abdullah Öcalan, der lange als gefährlichster Terrorist der Türkei und Massenmörder galt, bekräftigte seine im Februar gestartete Friedensinitiative: „Das ist kein Verlust, sondern ein historischer Gewinn“, sagte er in einer am Mittwoch veröffentlichten, aber auf Juni datierten Videobotschaft. Sein Wort hat Gewicht. Es könnte die Türkei verändern.

Zuvor machte eine Delegation pro-kurdischer Parlamentsabgeordneter der DEM-Partei ihre Aufwartung im Präsidentenpalast. In Ankara empfing sie Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Undenkbar, bis vor ein paar Monaten. Man verständigte sich auf eine Übergangsphase. Der Weg zum Frieden scheint frei zu sein. Doch für welchen Preis?

Mindestens 40.000 Todesopfer seit 1984

Dass es Zeit für Frieden wird, ist klar. Gegründet 1978, bombte sich die PKK durch die Türkei. Zeitweise überboten sich Staatsmacht und PKK mit Gräueltaten. Ein brutaler Guerillakrieg traumatisierte Generationen in der Osttürkei. Mindestens 40.000 Menschen verloren auf beiden Seiten ihr Leben.

Dass 2025 das Jahr der Wende wird, beobachten viele Türkinnen und Türken mit Unglauben. Nach der Überraschung im Februar wuchs die Skepsis gegenüber der wahren Friedensambitionen Öcalans. Nun legte er nach und der Friede soll alsbald umgesetzt werden. Konkrete Schritte sollen folgen.

2025 – das Jahr des Wandels?

Für Staatspräsident Erdoğan ist das ein (Macht)Gewinn – und ein Kurswechsel. Nach innen bereitet er sich mit der Friedensinitiative auf eine weitere Amtszeit vor, die eigentlich von der Verfassung nicht gedeckt ist. Um eine Verfassungsänderung zu erreichen, benötigt er die Unterstützung der kurdischen DEM-Partei.

Zugleich plant Erdoğan auch eine strategische Neuausrichtung der Türkei. Das hilft ihm besonders in einer Region, in der sich die Machtverhältnisse traditionell schnell wandeln und die Allianzen verschieben. Schließlich sind die Kurden dort unverzichtbare Akteure. Seiner zunehmend repressiven Politik setzt er damit ein friedensstiftendes Element sowie eine geopolitische Neupositionierung entgegen. Ist das glaubwürdig?

Kurden fordern konkrete Schritte

Die Kurdinnen und Kurden, die bislang politisch gegen die Repression des türkischen Regimes vorgingen, erwarten von Erdoğan nun einen echten Aussöhnungsprozess. Besonders im Fokus des kurdischen Interesses steht dabei die Freilassung politischer Gefangener sowie die Aufhebung von Zwangsverwaltungen im Südosten des Landes.

Eine Gleichberechtigung der kurdischen Sprache und Kultur steht weiterhin oben auf der Agenda der politischen Kurden. Außerdem werden sie die konkrete Umsetzung der geplanten Entwaffnung der PKK sicherlich genau beobachten. Fair muss es zugehen, sonst könnte der fragile Frieden schnell wieder aufgekündigt werden. So, wie es einst 2015 der Fall war.

Ob der alte Öcalan selbst dabei eine aktive Rolle übernimmt, ist unklar. Viele Kurdinnen und Kurden wünschen sich seine Freilassung. Es bleibt aber zweifelhaft, ob er als ehemaliger Staatsfeind Nr. 1 jemals freikommen wird. Auch was mit den aktiven PKK-Kämpfern in den Städten und in den Bergen passieren wird, ist völlig unklar. Eine Generalamnestie ist unwahrscheinlich. Auch hier gilt: Die Wunden sind auf beiden Seiten noch lange nicht verheilt.

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Stefan Kreitewolf