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Politik

MHP und CHP schmieden Anti-Erdoğan-Koalition

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Sollte es der CHP tatsächlich gelingen, im März in Ankara und Istanbul die Mehrheit zu erlangen, wäre dies ein verheerendes Signal für Premierminister Erdoğan. Der Stimmenanteil der AKP in den Hochburgen schwindet. (Foto: zaman)

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Melih Gökcek vs Mansur Yavas
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Die Parteienlandschaft in der Türkei ist vielfältig, für manch einen Außenstehenden wirkt sie mitunter aber auch kurios. Die fehlende Konstanz der Politiker in der Parteienzugehörigkeit destabilisierte in den vergangenen Jahrzehnten die türkische Demokratie. Nicht selten trugen auch Parteienverbote dazu bei. Erst mit der AKP, die seit 2002 durchgehend die Regierung bildet, entwickelte sich so etwas wie eine politische Konstante. Doch was sich nun in der türkischen Hauptstadt Ankara im Vorfeld der Kommunalwahlen 2014 anbahnt, ist selbst ausgewiesenen Kennern der türkischen Innenpolitik neu.

Hatte der 2009 als Kandidat der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) ins Rennen gegangene Mansur Yavaş (re.) mit 27% bereits einen landesweit beachteten Achtungserfolg verbuchen können, soll er nun aufs Ganze gehen – und als Kandidat der größten Oppositionspartei, der Republikanischen Volkspartei (CHP), Oberbürgermeister werden.

Die Hauptstadt wird seit 20 Jahren von Melih Gökçek (li.) regiert, der 1991 die Mutterlandspartei (ANAP) verlassen hatte und 1994 auf dem Ticket der Wohlfahrtspartei (Refah) in einem Wahlbündnis mit der Idealistenbewegung zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Als Kandidat der Refah-Nachfolgepartei Fazilet Partisi (FP) wurde er wiedergewählt, 2002 schloss er sich der neu gegründeten AKP an.

Bereits im Sommer des Jahres waren erste Spekulationen über mögliche Wahlbündnisse zwischen CHP und MHP laut geworden. Der Parteivorstand der CHP hatte dazu grünes Licht erteilt, allerdings hatte sich die MHP zum damaligen Zeitpunkt noch bedeckt gehalten.

Bei der letzten OB-Wahl in Ankara hatte Melih Gökçek 38,5% der abgegebenen Stimmen erhalten, sein CHP-Gegenkandidat Murat Karayalçın kam auf 31,5%. Nun hoffen die Oppositionsparteien, im Wahlbündnis Synergieeffekte bewirken zu können und auf diese Weise der AKP den prestigeträchtigen Oberbürgermeistersessel in der Hauptstadt entreißen zu können.

CHP will mit konservativen Kandidaten reüssieren

In einem Statement auf seiner Webseite äußerte Yavaş sich wie folgt: „Offenkundig versuchen einige, um jeden Preis die Wiederwahl Melih Gökçeks zu sichern. Diese Pläne für Ankara müssen durchkreuzt werden. Deshalb haben meine Freunde, meine Angehörigen und ich ernsthaft erwogen, den Vorschlag der CHP anzunehmen und für sie als Oberbürgermeisterkandidat ins Rennen zu gehen“. Şükrü Karaca, ein Berater des CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu, hat in weiterer Folge am Sonntag auf Twitter bestätigt, dass die CHP in Ankara mit Yavaş ins Rennen gehen wird.

Die sozialdemokratische CHP schaffte es zwar in Städten wie Istanbul oder Ankara regelmäßig, an die 30%-Marke heranzukommen oder diese zu überschreiten. Eine Mehrheit zu erzielen und damit Melih Gökçek in Ankara und Kadir Topbaş in Istanbul zu entthronen, ist nach Meinung von Parteistrategen jedoch nur möglich, wenn die Partei Kandidaten nominiert, die auch konservative Wähler und die rechte Mitte anzusprechen vermögen.

Bereits vor zwei Monaten war die CHP an Yavaş herangetreten, der bereits längere Zeit als MHP-Bürgermeister in Beypazarı gewirkt hatte. Damals hatte Yavaş abgelehnt, weil er für seine Stammpartei kandidieren wollte. Der MHP-Vorsitzende Devlet Bahçeli stimmte jedoch einer Nominierung nicht zu. Als Reaktion darauf hat Yavaş sich dazu entschlossen, für die CHP ins Rennen zu gehen.

In Istanbul wird ein verlorener Sohn nach Hause geholt

Yavaş zeigt sich zuversichtlich, Gökçek entthronen zu können. Die Umfragen sprächen für ihn. „Die Alternativen sind klar: Entweder wir reagieren nicht auf das Komplott zur Wiederwahl Gökçeks und Ankara wird für fünf weitere Jahre auf die gleiche Weise regiert, oder wir setzen einen mutigen Schritt“, so der Kandidat in einem Statement.

Auch in Istanbul geht die CHP neue Wege und holt den einst verstoßenen Bürgermeister von Şişli, Mustafa Sarıgül, zurück in die Partei. Wie Mansur Yavaş setzt auch Sarıgül darauf, neben den traditionellen CHP-Wählern auch Konservative ansprechen zu können. Mit Sarıgül als Kandidaten räumen Umfragen der CHP auch Siegchancen ein.

Sarıgül bewarb sich in der Vorwoche offiziell beim Istanbuler CHP-Verband um die Nominierung. Seine Hauptprogrammpunkte sind die Verbesserung der Infrastruktur in der türkischen Finanzmetropole und die Wichtigkeit der urbanen Entwicklung der Stadt anstelle einer Transformation. Er wolle eine Politik für die gesamte Gesellschaft betreiben, so Sarıgül.