
Die Sommer-Transferperiode 2025 im türkischen Fußball – sie ist längst kein gewöhnlicher Markt mehr, sondern eine Arena politisch aufgeladener und heiß diskutierter Prestige-Projekte. Hier geht es nicht nur um Verhandlungsgeschick am Tisch und Leistung auf dem Platz, sondern um politische Wahrnehmbarkeit, markante Statements und nicht zuletzt: die Macht des Geldes.
Mitte Juni überraschte Galatasaray mit einem spektakulären Coup: Der deutsche Nationalspieler Leroy Sané verließ den FC Bayern München und unterschrieb in Istanbul einen Dreijahresvertrag. Das Netto-Gehalt soll solide 9 Millionen Euro jährlich plus Boni in Millionenhöhe betragen. Somit wäre ein Gehalt bis zu 15 Mio. € netto möglich.
Im Vergleich dazu weckt Superstar Victor Osimhen, der später kam, schon wegen der bloßen Summen ein Staunen, doch die Verpflichtung Sanés setzte schon früh den Rahmen.
Superstar Osimhen ein „Schnäppchen“
Statt der ursprünglich kolportierten 80 Mio. € Ablöse wurden bei Osimhen laut Galatasaray und SSC Neapel 75 Mio. € fällig, aufgeteilt in 40 Mio. sofort, der Rest in Mehrfachraten. Dazu gebe es einen 10 %-Weiterverkaufsbonus für die Italiener – allerdings mit einem Transferausschluss in Italien für die ersten zwei Jahre.
Osimhen unterzeichnete letzte Woche einen Vierjahresvertrag, in dem er Netto‑Gehalt 15 Mio. €/Jahr erhält, dazu 1 Mio. Loyalitätsbonus und 5 Mio. für Bild- und Werberechte – effektiv also 21 Mio. €/Jahr netto, wie von Galatasaray bestätigt.
Mit 37 Toren und 8 Assists in 41 Pflichtspielen war sein erstes Jahr am Bosporus sehr überzeugend und maßgeblich am Gewinn der türkischen Meisterschaft beteiligt – der feste Wechsel pulverisierte nun endgültig den Transferrekord der Liga.
Was macht schon Financial Fairplay aus, wenn Papa-Staat unterstützt?
Bisher galten 5–10 Mio. € an Jahresgehalt nach Financial Fairplay-Regeln als die harte Obergrenze für türkische Klubs. Oft diskutierten Kommentatoren in Sendungen Tage lang über vereinbarte Gehäter, die deutlich unter denen von Osimhen und Sané lagen.
Galatasaray behauptet, man habe aus eigenen Mitteln gezahlt – ohne Immobilienverkäufe oder Externfinanzierungen – was aus Sicht experimentierfreudiger Krisenmanager des türkischen Fußballs als Finanzstärke eines Staates im Schatten gewertet wird.
Die schiere Summe von Sané + Osimhen wirkt wie ein Statement: Die Financial Fairplay-Belastung besteht nur noch für die Außenwahrnehmung – nicht für internen Anspruch.
Gala an weiteren Megastars dran
Erst Sané, dann Osimhen: Galatasaray ist dazu noch mit Weltklasse-Torhütern im Gespräch: Darunter Ederson von Manchester City oder Gianluigi Donnarumma von Paris Saint-Germain sollen die Vereinsikone Fernando Muslera ersetzen, der inzwischen bei Estudiantes in Argentinien im Einsatz ist.
Fenerbahçe schlägt zurück – mit politischer Symbolkraft
Erzrivale Fenerbahçe selbst bleibt auf sportlichem Level unterhalb von Galatasarays neuen Dimensionen, aber führt dafür eine eigene Strategie: Chobani – der international bekannteste türkeistämmige Lebensmittelkonzern – wurde zum Hauptsponsor auf den Trikots sowie im Stadion erklärt. Chobani-Gründer Hamdi Ulukaya, wohnhaft in den USA und kurdischstämmig, verwendete bei der Zeremonie für das Sponsoring die Formel „tüm Türkiyeliler ve halkımız“, zu Deutsch: „…allen Menschen der Türkei/türkeistämmigen und unserem Volk“, was insbesondere später den Historiker Prof. Dr. İlber Ortaylı empörte.
Ein Türkiyeli, also Türkeistämmiger, sei keine Identität, „das ist Quatsch. Ich respektiere diesen Mann, der ein einfacher Hirte war und in den USA einen der größten Unternehmen gegründet hat. Aber ich bin Türke“, so Ortaylı. Auch in Deutschland sei es undenkbar, von „Deutschländern“ zu sprechen. Ethnische Minderheiten würden über die Jahre unter der Identität versammelt, behauptet der Historiker, der dabei zugleich verkennt, dass seine Landsleute in Deutschland sich vehement gegen diese Theorie wehren und dies als Assimilation begreifen.
Türkische Elite tief rassistisch
Auf X posteten ultranationalistische Gruppen gemäß der Logik von Ortaylı: „Ne mutlu Türküm diyene“, dazu Fotografien von Atatürk, um politisch gegen Fener und dessen neuen Sponsor Stimmung zu machen. Auch fiel die TV-Kommentatorin Dilara Gönder auf. Auf die Worte von Ulukaya postete sie auf X: „Während den Vorstandswahlen sagst du, wir nennen unser Stadion „Atatürk Stadion“, um dann dein Stadion nach der Marke einer Person zu benennen, die von den Türkeistämmigen spricht. Wow!!! Mal sehen, was wir noch zu sehen bekommen werden…“
Galatasaray-Fans griffen diese Erzählung auf: Sie verlinkten das Chobani-Engagement Ulukayas für syrisch-kurdische Flüchtlinge (vorangehende Spende nach der Kobane-Krise) mit Erdoğans politischer Strategie im Friedensprozess mit der PKK – und stellten Fener als „instrumentalisierten Verhandlungsversuch“ dar.
Rache der Fener-Verschwörer folgt prompt: Osimhen-Lacoste-PKK
Diesen Angriff aus den Gala-Reihen auf Social Media ließen einige Fener-Fans nicht auf sich sitzen und schossen zurück. Mit einem Osimhen-Video gingen sie in kürzester Zeit viral. Galatasaray hatte einen Clip zum geglückten Transfer von Osimhen veröffentlicht, in dem ein Darsteller ein graues Polo trug und die berühmte Osimhen-Maske. Dabei handelt es sich um einen Schutz für die Wangenknochen des Stürmers, die er sich schon einmal gebrochen hatte. Doch das graue Poloshirt der Marke Lacoste ist für Fener-Verschwörer mehr als nur ein Zufall.
Zum Hintergrund: Auch PKK-Führer Abdullah Öcalan trug genau dieses graue Lacoste-Poloshrt in mindestens einem seiner jüngsten Videobotschaften. Das genügte aus Sicht einiger Fener-Anhänger, um Verschwörungstheorien über versteckte PKK-Sympathien zu verbreiten, unabhängig davon, ob ein Zusammenhang bestand oder nicht. Beide Seiten tauschen seither politische Vorwürfe aus – im Fußball fast wichtiger als Fotos, Punkte oder Trophäen.
Champions League, ein alter türkischer Traum
Mit Sané und Osimhen im Sturm setzt Galatasaray sportlich auf die Top 8 und damit das direkte Weiterkommen in der Champions League, einige Anhänger träumen sogar vom Finaleinzug oder Titel. Dabei liegt der letzte große Erfolg viele Jahre zurück, als Fatih Terim, Didier Drogba und Wesley Sneijder 2012/2013 Viertelfinale einzogen.
Fener zeigt sich dagegen vorsichtiger: Rein sportlich solide Transfers wie Nelson Semedo und die Leihe von John Duran von Al Nassr wurden gemacht, ohne die Ablösen in die Höhe zu treiben.
Doch das Transferfenster 2025 im türkischen Fußball ist kein übliches Rennen mehr – es ist auch biografische Bühne, politische Kampfzone und Werbeplatz zugleich. Für viele Fans geht es längst um viel mehr: um political payoff und Repräsentation in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. Und ohne die Gnaden von Präsident Erdoğan scheint letztlich nicht viel zu gehen.